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Musik-Blog Je suis Lemmy, moi aussi

So absehbar der Tod von Lemmy Kilmister war, so vorhersehbar waren die Trauerbekundungen im Netz. Lemmy war nicht der erste tote Musiker und bestimmt auch nicht der letzte, der auf Social Media Trauerwellen auslöst. An seinem Beispiel lässt sich aufzeigen, was an diesen Trauerbekundungen nervt.

Autor: Gregi Sigrist

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Gregi Sigrist ist Musikjournalist der Fachredaktion Musik Pop/Rock von Schweizer Radio und Fernsehen. Im Musik-Blog schaut er auf, unter und hinter aktuelle Musikthemen und ihre Nebengeräusche.

So wie Lemmy seinem eigenen Lebenstil trotzte und stolze, untypische 70 Rock’n’Roll-Jahre alt wurde, hätte man denken können: Dieser Schuft überlebt uns noch alle. Aber wir wussten auch: Selbst ein Lemmy kann den Tod nicht besiegen. Es war nur eine Frage der Zeit.

Und so erfuhren wir vor einer Woche von der Sterblichkeit dieser Ikone, was zu der typischen Trauerbekundungsflut auf Plattformen wie Facebook führte. Typisch, weil die Generation Facebook nicht erst seit letztem Jahr beim Tod der Blueslegende B.B. King so reagierte.Typisch, weil sie es auch in diesem Jahr und in der Zukunft wieder tun wird, wenn andere Musikheilige wie Ozzy Osbourne oder Aretha Franklin oder Bob Dylan sterben.

Reflex hat sich eingespielt

Dagegen ist grundsätzlich wenig einzuwenden. Schliesslich gehört die surreale digitale Welt längst zum realen Leben und verkörpert eine Art Stammtisch, um Alltagsgedanken, Lust, Frust, Zweifel und Bluff zu platzieren. Aber es hat sich bei der Social Community ein Reflex eingespielt, der nicht ganz koscher ist.

Die R.I.P.-Posts bei Halbheiligen - wie Lemmy Kilmister einer war - gehen mir aber trotzdem gehörig auf den Senkel. Wieso? Darum:

Punkt 1: Ich behaupte, dass 80% der Leute, die auf Facebook um Lemmy trauerten, sich noch nie ein ganzes Motörhead-Album angehört haben.

Punkt 2: Ich behaupte, dass 90% der Leute, die auf Facebook um Lemmy trauerten, von der Trauerwelle angesteckt wurden.

Punkt 3: Ich behaupte, dass 70% der Leute, die auf Facebook um Lemmy trauerten, weder einen Song- noch einen Album-Titel von Motörhead kennen.

Punkt 4: Ich behaupte, dass 70% der Leute, die auf Facebook um Lemmy trauerten, noch nie an einem Motörhead-Konzert waren. Und dies, obwohl diese Band in den letzten 40 Jahren garantiert irgendwann in ihrer Nähe spielte.

Punkt 5: Bei den Lemmy-Postings geht es nur selten um Lemmy. Es geht um den, der postet. Es geht darum, der Gemeinde eine besondere Nähe zur verstorbenen Ikone zu zeigen. Während man sich noch vor ein paar Jahren in solchen Momenten ein Album der Band anhörte, probiert man heute einen möglichst erfolgreichen Post abzusetzen. Personen wie Lemmy sind dazu besonders geeignet. Einen coolen, toten Rockstar posten, den man ganz doll mochte – das gibt bestimmt ein paar Likes. Und: Wir alle mögen Likes. Richtig?

So. Und nun likt gefälligst meinen Blog!

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