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Musik-Blog Du sollst politisieren!

Aus dem Publikum hörte man «Fuck the police!» – Rapper Macklemore wollte mit seiner Ansprache zur Rassendiskussion in den USA aber alles andere als die Massen aufhetzen. Er gab sein persönliches Statement ab – und machte damit vieles richtig.

Nicht jeder noch so grossartige Musiker ist auch in der Kunst der Bühnenansprache bewandert. Die verbalen Ergüsse reichen oft von «It's so nice to be back!» bis «Do you want to go absolutely ape shit?». Alles hübsch, und schliesslich misst das Publikum die Band meist auch eher an den Klängen als an den Worten.

Dass es auch anders geht, bewies am Openair Frauenfeld der wohl erfolgreichste West-Coast-White-Boy: Macklemore.

«Mir ist egal, auf welche Toilette ihr geht»

Während seines Auftritts am grössten Hip-Hop-Festival Europas ergriff Mack die Chance und nahm Bezug auf die Rassenunruhen in den Vereinigten Staaten. Man solle keine Angst vor Unterschieden haben, mahnte er das Publikum. Und spannte kurz darauf gekonnt den Bogen zum Terror in Europa, dem man sich nicht beugen dürfe. «Mir ist egal, was in eurem Pass steht, welche sexuelle Orientierung ihr habt und auf welche Toilette ihr geht», predigte er – und Frauenfeld hörte gebannt zu.

Damit hat Macklemore vieles richtig gemacht. Zwar kann man sich fragen, wie sehr sich das Frauenfelder Publikum zu später, alkoholisierter Stunde noch für Politik (und etwas Selbst-Profilierung) interessierte. Immerhin soll es ja um die Musik gehen. Soll es wirklich nur? Soll es eben nicht. Macklemore, mittlerweile Weltstar, kann Politik machen. Soll er wirklich? Soll er.

Sprachrohr der Generation

Autor: Laszlo Schneider

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Laszlo Schneider ist Web-Redaktor bei Radio SRF 3. Er setzt sich kritisch mit aktuellen Entwicklungen in Popkultur und Politik auseinander.

Vielen jungen Menschen wird nachgesagt, sie interessierten sich zu wenig für das Weltgeschehen. Politik gehe an ihnen vorbei. Hier kommen die Macklemores dieser Welt ins Spiel.

Denn auf sie hört ein breites Publikum, das nicht nur live am Festival, sondern auch auf Social Media angesprochen wird. Stars dieses Kalibers bieten sozusagen den «Foifer und s'Weggli»: Gute Musik und, so ganz nebenbei, auch noch eine Message. Politik verpackt zwischen «Can't Hold Us» und «Thrift Shop». Das funktioniert – und war in Macks Fall ein Seitenhieb in Richtung jener US-Politiker und Präsidentschaftskandidaten, die händeringend Erklärungen für die Unruhen suchen und in gewissen Fällen die tragischen Geschehnisse populitisch für sich auszuschlachten versuchen.

Social-Media-Politik

Damit reiht sich Macklemore in eine Reihe von Künstlern ein, die das Potenzial dieser «Politisierung» der Musik erkannt haben und es vor allem auch auf den sozialen Medien voll ausschöpfen. An der Speerspitze: Twitter-Wunder Katy Perry (über 90 Millionen Follower) und Ariana Grande . Vorallem Perry drückt auf allen Kanälen ihre Betroffenheit und Wut über den Mord durch einen Polizisten an Alton Sterling aus.

Und Ariana Grande nahm die jüngsten Ereignisse zum Anlass, gemeinsam mit Kollegin Victoria Monét einen «Protest-Song» namens «Better Days» aufzunehmen.

Eigenwerbung oder ernste Sorge?

Soll man Perry, Mack und Co. Werbung in eigener Sache vorwerfen? Natürlich haben solche Ansprachen, Tweets und Songs vielleicht für manche Zuhörer oder Follower einen fahlen Beigeschmack. Viel bitterer ist aber die Wahrheit, auf die die Künstler aufmerksam machen wollen. Sie sehen sich in der Pflicht, ihre enorme Reichweite zu nutzen. Und wenn sie gemeinsam mit ihrer Musik, die tagtäglich Millionen erreicht, auch noch eine ganze Generation wachrütteln und zum Nachdenken anregen können, dann ist das mehr als wünschenswert.

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