Es begann mit einem Preis. Sophie Hunger, international beachtete Zürcher Musikerin erhält den mit 100‘000 Franken dotierten Grand Prix Musik.
Ein Teil der Schweizer Musikszene tobt. Polo Hofer, Chris von Rohr und noch ein paar alternde Schweizer Rockmusikanten sind entsetzt, wittern Mauscheleien und Günstlingswirtschaft.
Gölä und die Wutbürger
Keine Woche später meldet sich Gölä im Sonntagsblick zur Lage der Nation. Was sich liest wie ein Auszug aus dem Strategiepapier der SVP, ist ein Ausdruck für einen Paradigmenwechsel, der sich im Schweizer Pop- und Rock in den letzten Jahren vollzog.
- «Die Schweiz ist viel zu links».
- «Ich kann nicht einfach schweigen und zusehen, wie alles, was wir in unserem Land aufgebaut haben, den Bach runtergeht.»
Gölä hat schon öfter gesagt, was er von modernen Errungenschaften wie der Gleichberechtigung («gäbigi Wiiberbüez») oder Waffenverboten («wenn jemand in mein Haus einbricht, darf ich ihn erschiessen») hält. Auch Chris von Rohr outete sich vor einiger Zeit als Freund von Christoph Blocher und nutzt seither jede Gelegenheit, seine rechtspopulistischen Parolen unter die Leute zu bringen. Aber die beiden sind längst nicht alleine.
Welcome to SVP
DJ Antoine sympathisiert offen mit der Blocher-Partei und lässt den befreundeten SVP-Nationalrat Thomas Matter seinen eigenen Hit «Welcome to Saint-Tropez» fröhlich zur SVP-Wahlkampf-Hymne «Welcome to SVP» umfunktionieren.
Auch DJ Bobo hat Beziehungen ins rechtsbürgerlichen Lager. Sein langjähriger Freund und Geschäftsführer von Bobos Firma Yes Music ist SVP-Kantonsrat Oliver Imfeld. Laut «Schweiz am Sonntag» findet es Bobo «lobenswert», wie sich sein Geschäftspartner für unser Land engagiert.
Bümpliz statt Casablanca
Vor 20 Jahren sang die versammelte Schweizer Rockprominenz von Polo Hofer über Sens Unik bis Züri West gemeinsam gegen die Beschaffung eines neuen Armeeflugzeugs. Der Schweizer Mundartrock war von Fernweh («Bälpmoos») und Eskapismus («Bümpliz - Casablanca») geprägt. Man wollte weg. Weg aus der langweiligen, kleinbürgerlichen Schweiz.
Heute singt Bligg, der einst als Rapper den bösen Buben gab, über die Schönheit der Schweiz und verdankt seinen Erfolg dem Zauber klingender Swissness. Und wenn er zur Durchsetzungsinitiative befragt wird, druckst er herum, aus Angst, sein konservatives Publikum vor den Kopf zu stossen.
Die Band als KMU
Auch die Schweizer Rockmusik entstand als Gegenkultur zum politischen Mainstream. Polo Hofer war ein kiffender Hippie, Stephan Eicher ein Punk. Züri West, Baby Jail und Patent Ochsner entstanden in muffigen Kellern von besetzten Häusern und fanden ihren Antrieb aus den Jugendunruhen.
Heute ist ein erfolgreicher Musiker oft stolzer Teil des bürgerlichen Establishments. Wer als Musiker Geld verdient, hat einen Handelsregisterauszug und eine Firma im Rücken. Bligg, DJ Antoine, Luca Hänni, Florian Ast oder DJ Bobo mit ihren GmbH’s und AG’s sind kleine Unternehmer, die Steuern und Löhne zahlen. Wie sang einst Bob Dylan? «The Times They Are a-Changin'».