Tote Popstars auf Social Media beerdigen ist längst Volkssport. Jüngste Beispiele: Chris Cornell , Chester Bennington und natürlich Polo Hofer . Der R.I.P.-Post-Wahn kennt kaum Grenzen. Sekunden nach der eingegangenen Push-Meldung über einen verstorbenen Musiker füllen sich die Timelines mit Posts, die dem toten Star die letzte Ehre erweisen sollen. Dabei geht es aber eigentlich nur um eines: Möglichst viele «Likes» und somit möglichst viel digitale Zuneigung zu erhalten.
Tote Stars kommen nun mal gut an. Auf der Welt und in den sozialen Medien. Ist so. Und genau das sollten wir nicht nur wissen, sondern vielleicht etwas bewusster damit umgehen. So sehe ich das zumindest.
Die Trauer-Junkies
Wer heult an der Beerdigung wie ein Schlosshund? Ich weiss nicht, wie es euch geht. Meine Erfahrungen und Beobachtungen geben auf diese Frage die Antwort: Selten die Ehefrau oder der Ehemann des oder der Verstorbenen. Selten die Kinder. Auch nicht die ganz engen Freunde. Es sind oft die Überraschten und Überforderten – was völlig in Ordnung geht – und die Aufmerksamkeits-Süchtigen – was mich befremdet.
Die guten und die schlechten Toten
Die «besten Toten» sind die, zu welchen man eine gewisse Nähe simulieren kann. Polo Hofer gehörte ganz klar in diese Kategorie. Gekannt hat ihn kaum jemand. Getroffen haben ihn fast alle. Die virtuelle Kirche war also proppenvoll, als uns die Nachricht über seinen Tod erreichte. Es wurden Bilder und Geschichten ausgepackt. Alles rein in den Post und dann warten, wie viele Likes man dafür kriegt. Oder sehe ich das falsch?
Tote Stars sind Mittel zum Zweck
Es klingt brutal und es macht mir ehrlich gesagt etwas Mühe, das so zu schreiben. Aber: Tote Stars dienen der Social-Media-Gemeinde als kleiner Schrei nach ein bisschen digitaler Liebe. Natürlich gibt es Ausnahmen. In den meisten Posts, die ich sehe, wird aber schnell klar, dass es hier nicht um ein selbstloses Betrauern eines Popstars geht. Es geht darum, selbst im Fokus zu stehen. Wieso sonst sollte man so öffentlich trauern?