Wenn hierzulande von Rap und Hip Hop die Rede ist, fallen oft Wörter wie «Machokultur», «Sexismus», «Gewaltverherrlichung», «Homophobie» – ausser wenn Geschichtsstudenten und Primarleher sich zufälligerweise den Sprechgesang als Hobby ausgesucht und Platten veröffentlicht haben. Mit Rap hat das aber meist nichts zu tun.
Die inzwischen altbekannten Rap-Klischees haben sich aber die vor allem männlichen Gangsterrapper der letzten 40 Jahre so erarbeitet. Viele Rapper nannten das, was sie schlecht oder schwach fanden, «gay» – ihre Gegner «Homos» oder «Schwuchtel». Und wenn dann doch mal eine Frau dazwischenfunkte, befeuerte diese die Klischees, indem sie sich selbst auf ihren Körper reduzierte, von Lil’Kim über Foxy Brown bis zuletzt Nicki Minaj. Rap hatte es vor allem auch deshalb nie leicht in der öffentlichen Wahrnehmung – auch wenn auf dem Schulhof oder am Stammtisch oft nicht weniger diskriminierend über Frauen oder Homosexuelle gesprochen wird als in Rap-Texten.
Weniger Aussage, mehr Stimmung
Rein musikalisch gesehen aber hat sich in den letzten drei Jahren viel verändert: Rapper aus Atlanta um ihren Mastermind Future etablieren Trap derzeit erfolgreich in den Charts dieser Welt. «Panda» von Desiigner war der Anfang, Rae Sremmurd machen mit ihrem Mannequin-Challenge-Song «Black Beatles» weiter und kitzeln zurzeit auch in der Schweiz an den Top-10 der Single-Hitparade.
Trap klingt anders als der Rap, den wir in den 90er lieben gelernt haben. Trap ist langsamer, die Rhymes sind egal geworden, Autotune gehört als Stilmittel auf die Stimme – es geht viel mehr um Stimmung denn um Inhalt. Die Aussage eines Songs wurde zweitrangig, vielmehr geht es darum, mit Sound eine Stimmung aufzugreifen. Wunderbar erfrischend eigentlich – nur inhaltlich hat sich wenig geändert, die Klischees sind auch im Trap dieselben geblieben.
Schafft Young M.A die Rap-Klischees ab?
Jetzt aber scheinen die Rap-Klischees plötzlich ausgedient zu haben. Aus Brooklyn New York macht sich nämlich Young M.A bereit, sie im Jahr 2017 im Alleingang abzuschaffen. Notabene eine lesbische Rapperin, die zu ihrer sexuellen Ausrichtung steht, darüber rappt, und das alles so gut und unverkrampft, dass einer ganzen homophob gepolten Kultur derzeit nichts anderes übrig bleibt als zu akzeptieren, dass da «eine Lesbe» so viel Feuer spuckt wie ganz lange niemand mehr im US-amerikanischen Rap.
Klar kann ein Kendrick Lamar rappen – aber für die Kids in Vororten von amerikanischen Grosstädten sind seine Werke oft zu kompliziert. Kendrick Lamar war und ist vor allem beim weissen Mittelstand und Feuilleton-Journalisten beliebt. Die Kids in den amerikanischen Ghettos können nur noch mit Trap, eben diesem oft inhaltsleeren Mix aus codeinhaltigem Hustensaft und autogetunentem Singsang über basslastigen Beats, erreicht werden.
Während man sich nach der US-Präsidentenwahl Sorgen machen musste um die Gleichberechtigung Homosexueller in Amerika, kommt da aus dem Nichts Young M.A und erteilt Rap-Amerika eine Lektion diesbezüglich. Young M.A verrichtet Basisarbeit dort, wo Politiker nie hinkommen mit ihren Reden, in einer Sprache die auch bildungsschwache Kids verstehen und vor allem auch ernst nehmen.
“I swear to god I ain't scared of these niggas Damn, I must really put fear in these niggas Because they call me a dyke, a faggot, a gay bitch I ain't shit, that hate shit, that hatred, goddamn That just make them look less of a man, fam”
Young M.A. rappt mit so verdammt viel Punch, wie man ihn vielleicht noch von Nas kannte – dem er aber durch den Wohlstand inzwischen abhanden gekommen ist. Und Young M.A tut es erfolgreich: Ihre allererste offizielle Single, nachdem sie aus dem Underground hervortrat, steht bei YouTube auf 120 Millionen Views. Die Single «Ooouuu» wurde in den USA zum Club-Hit und scheint derzeit auch in Europa zu landen. Es wäre fast zu schön, wenn die Homophobie dank Young M.A bald auch im Rap keinen Platz mehr hätte.