Zum Inhalt springen

Header

Inhalt

Musik-Blog Schweizer Pop in den 90ern: Mein Mekka war Bern

«Dieser Band hört man gar nicht an, dass sie Schweizer sind», das ist nicht nur ein furchtbares Kritiker-Kompliment, das mich an die 90er-Jahre erinnert. Es erinnert mich au daran, dass ich es oft ziemlich gut fand, wenn man Bands anhörte, woher sie sind. Und darin waren die Berner ziemlich gut.

In den 70ern wurde ich geboren. Die 80er haben mich geprägt. In den 90ern fing ich damit an, verstehen zu wollen, wie Popmusik funktioniert und wieso sie einen so grossen Platz in meinem Leben einnahm.

Gregi Sigrist

Gregi Sigrist

Musikjournalist für Pop/Rock von Schweizer Radio und Fernsehen

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Im Musik-Blog schaut er auf, unter und hinter aktuelle Musikthemen und ihre Nebengeräusche.

Zu seinen Musik-Blogs

Mit 16 schlitterte ich in die 90er-Jahre. Im Radio spielten sie Boybands. Ich konnte von Nirvana nicht genug kriegen. Und dann war da diese Freiburger Band The Young Gods, die die Coolen gut fanden, weil sie wichtig war. Da waren auch diese Luzerner Sportsguitar, die ich damals gar nicht so gut fand, obwohl sie dasselbe Plattenlabel hatten wie Nirvana.

Die Celtic Frost-Poster an den Wänden gewisser Freunde fand ich hässlich. Zu den Ganglords fehlte mir der Zugang und Favez hatte ich leider damals schlichtweg nicht auf dem Radar. Ich war davon überzeugt, dass die Lovebugs, Crank und Mothers Pride die Welt erobern würden.

So richtig Karriere machte dann aber dieser DJ Bobo. Ich musste mir ein Konzert des Aargauers antun, um zu verstehen, was der Unterschied zwischen Showbusiness und Subkultur ist. Ich lernte zu akzeptieren, dass es in der kommerziellen Pop-Musik nicht in erster Linie darum geht, sich auszudrücken – sondern darum etwas (oder auch nichts) so zu verpacken, dass man damit ein Publikum erreichen kann. Ein paar Jahre später akzeptierte ich dann auch, dass der erste schweizerdeutsche Rap von Black Tiger («Murder by Dialect» von P-27 / 1991) in einer anderen Währung abgerechnet wird, als DJ Bobos Kalkulations-Hit «Somebody Dance With Me».

Da war noch mehr...

Natürlich darf man Bands und Namen wie Gotthard, Sens Unik, Swandive, Kisha, Sina oder Subzonic nicht vergessen, wenn man über die 90er des Schweizer Pops schreibt. Da war auch ein gewisser Gölä, der uns Ende dieses Jahrzehnts auf eine Art und Weise abholte, wie das heute vielleicht Hecht tun.

Da war die Zürcher Punkband Snitch, das Schlitzohr Michael von der Heide, Stiller Has und Merfen Orange, die diese Zeit prägten. Auch Funk war damals richtig gross. Und wenn die niederländische Saxophonistin Candy Dulfer oder der Amerikaner Maceo Parker an einem Wochenende ausnahmsweise nicht in der Schweiz auftraten, pilgerte die funkbegeisterte Schweiz an einen Auftritt der Burgdorfer Grand Mother’s Funck.

Meine 90er in fünf Songs

Beim Versuch die 90er des Schweizer Pops auf fünf aussagekräftige Titel von relevanten Bands zu reduzieren, führten so viele Wege nach Bern, dass ich hier mit einer Zürcher Band beginne.

#1 Baby Jail «Tubel Trophy»

Ich weiss nicht wie oft ich mir Baby Jails «Tubel Trophy» damals angehört habe. Dieser Song steht für mich exemplarisch für Schweizer Musik der 90er, die ich verehrt habe. Das war ein wichtiger, mutiger und politischer Song, der ein Vierteljahrhundert später nichts an Aktualität eingebüsst hat.

#2 Züri West «Blues»

1994 gelang Züri West mit ihrem selbstbetitelten Album ein kleines Meisterwerk. «I schänke dr mis Härz» gehört zu den grössten Schweizer Hits der Neunziger und der Band sowieso. Trotzdem illustriert für mich der Song «Blues» dieses grandiose Album und der fantastische neue Bandsound von Züri West exakter.

Audio
Züri West «Blues» (1994)
aus Audio Musik SRF 3 vom 31.10.2018.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 6 Sekunden.

#3 Patent Ochsner «Bälpmoos»

Anfang Neunziger mischte eine Berner Band die Szene auf, die anders war, anders blieb und bis heute aktiv ist: Patent Ochsner. Ihr Debut «Schlachtplatte» schaffte es auf Platz 2 der Schweizer Hitparade. Kein Wunder: Darauf enthalten waren die Songs «Scharlachrot» und «Bälpmoos», die schnell zu Schweizer Kulturgut wurden.

#4 Stephan Eicher «Hemmige»

Eichers Album «Engelberg» war nicht nur kommerziell ein grosser Erfolg – es enthält mit der Neuinterpretation von Mani Matters «Hemmige» auch eine wunderschöne Episode der Schweizer Pop-Geschichte. So demonstrierte Eicher nicht nur, wie man einen Matter-Song stilvoll in die 90er transportierte – er schaffte es sogar, dass seine grosse Fangemeinde in Frankreich diesen Song Wort für Wort auf Berndeutsch mitsang.

#5 Phon Roll «Winning Back»

Und dann gab es da noch diese magische, energiegeladene Berner Gitarrenband Phon Roll. Heute leider fast vergessen, war die, immer ein bisschen unterschätzte Band, einer der damals aktivsten Live-Acts. Für mich waren sie stets die Berner, die Welthits schrieben, ohne dass das die Welt zur Kenntnis nahm.

Audio
Phon Roll «Winning Back» (1993)
aus Audio Musik SRF 3 vom 31.10.2018.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 46 Sekunden.

Mitmachen und gewinnen: Abonniere den Newsletter von SRF 3

Box aufklappen Box zuklappen
Legende: SRF

Wer den SRF 3-Newsletter abonniert, weiss Bescheid über exklusive Events und spezielle Aktionen von Radio SRF 3. Mach bei Wettbewerben mit und gewinne Tickets! Der Newsletter erscheint unregelmässig – immer dann, wenn etwas passiert.

Melde dich hier an!

Meistgelesene Artikel