Nachdem wir vierzehn Stunden geprobt hatten, war ich müde und hatte Kopfweh. Dank den empfohlenen Zinktabletten fand ich nur zwei Stunden Schlaf – ich ging sehr relaxt auf die Bühne.
Der Konzertveranstaltungsort in Berlin verspricht einiges. Das ehemalige Kraftwerk liegt einen Steinwurf vom Tresor Club entfernt, dem früheren Mekka der elektronischen Musik der 90er Jahre (ein Must-Place für Partygänger der ersten Techno-Generation, vom Status her heute mit dem Berghain zu vergleichen).
Yello präsentieren ihr erstes abendfüllendes Konzert. Wie bereits bei Inszenierungen früherer Alben (z.B. «Pocket Universe» im Planetarium München oder «Touch Yello» in Kinos) mit vielen visuellen Effekten und Videos aber nun zum ersten Mal mit Musikern auf der Bühne. Also sozusagen das erste ‚richtige’ Konzert.
Yello on Stage
Teilweise standen elf Musiker dem Duo zur Seite, und im Hintergrund dominierte eine grosse Leinwand. Boris Blank als Mastermind legte am linken Bühnenrand in einer Art Kommandozentrale den Klangteppich aus, flankiert von Dieter Meier. Auf der rechten Seite unterstützten eine Rhythmus-Sektion (Schlagzeug und Perkussion) und ein eher übermotivierter Gitarrist die Inszenierung. Aber im Zentrum der Bühne passierte – ausser den sporadisch erscheinenden Gastsängerinnen – nichts.
Diese durchaus mutige Inszenierung soll den Yello-Aufritt auch von konventionellen Pop- und Rockshows abheben, wie Boris Blank im Interview nach der Show erklärte. Im beinahe uneingeschränkten Fokus des Publikums standen demzufolge die beeindruckenden Projektionen – eine Mischung aus alten Videoclips und verspielten, zeitgemässen Visuals.
Gefehlt hat neben vielen grossen Hits (Yello spielten von ihren weltweit bekannten Songs nur «Bostich» und «The Race») ein Master of Ceremony. Und gerade der einzigartige Schalk der beiden Grandseigneurs fehlte leider beinahe komplett.
Elf Städte wären parat uns für eine Welttournee den roten Teppich auszurollen.
Bis zum Start ihrer – unter Umständen kommenden – Welttournee (unzählige nationale und internationale Konzertveranstalter waren im Publikum) werden sich Dieter und Boris garantiert wieder auf ihren Humor besinnen, und vielleicht sogar – zur Freude des Publikums – auch noch einige grosse Yello-Songs ins Programm nehmen.
Ich bin zehn Jahre jünger geworden. Ich fand das Konzert wahnsinnig schön.
Die Vorgeschichte: Live ist nicht immer live
Am 20. September 1978 vermeldete die Zeitung Blick: «So etwas hat es in der Limmatstadt noch nie gegeben». An einer Avantgarde-Modeschau sind Dieter Meier, Boris Blank und damals noch Carlos Perón im Zürcher Kino «Forum» aufgetreten. Gemäss dem Buchautor und Journalist Daniel Ryser («Yello», 2011, Echtzeit Verlag) entlockte Meiers Sprechgesang dem Publikum auf dem Balkon ein barsches «Hau ab, hau ab». Der Auftritt war aber keinesfalls ein Debakel. Die Musik kam beim Publikum durchaus gut an, und dieser bisher einzige Auftritt von Yello in der Schweiz gilt als Geburtsstunde (18.9.78) der heutigen Kultband.
1983 trat Yello im legendären Roxy Club in New York auf. Nach dem knapp 15-Minuten Auftritt umarmten sich die beiden Protagonisten und Boris sagte zu Dieter:
Nie wieder, Dieter! Nie wieder werde ich auf einer Bühne stehen.» Und Dieter antwortete: «Ich verspreche es dir»
Zwölf Jahre später bestritt das Duo einen kurzen Auftritt am deutschen Grossrave «Mayday». Dieter in einem Wolldeckenumhang peitsche seinen Staccato-Gesang in das schwitzende Publikum, Boris im Hintergrund bearbeitete – eher pro forma – ein Keyboard. Der Auftritt war verstörend, aber so kurz, dass er im Partyrausch des Publikums unterging.