- Das Duo Blay zusammen mit Marc Sway
ist Geschichte
, Solo-Bligg ist zurück. Und zwar der Bligg von vor 15 Jahren, als er mit der Platte «0816» Hip-Hop mit Volksmusik verschmolz und so seinen Trademark-Sound kreierte.
- Entsprechend heisst sein zwölftes Studioalbum «Tradition» und von dieser weicht der Zürcher kaum ab, sondern wiederholt, was sich bewährt hat. Wie es sich für Traditionen eben gehört – egal, ob das nun originell ist oder nicht.
Das känni doch!
«Mosaik» ist der offensichtlichste «0816»-Throwback. Während Bligg in seinem 2008er Hit «Musigg i dä Schwiiz» die Lyrics aus berühmten Schweizer Acts zusammenstiefelte, bastelt er sie nun aus bekannten Schweizer Songtiteln. Uninspiriert? Durchaus. Dafür löst der Mundartmusiker mit dem Lied Dutzende «Das känni doch!»-Momente aus, auf denen er einen Grossteil seines neuen Werks aufbaut.
In «Uf dä Gass» besingt er ländliche und städtische Nachtleben-Eskapaden, welche die meisten von uns auch schon erlebt haben – das känni doch! Ungewollte Veränderungen in der eigenen Wohngegend sind Thema in «S'Quartier» – das känni doch! Und die Vorabsingle «Jetzt fangt das wieder a» (mit Ska-Chorus direkt aus der Mitte der Nullerjahre) handelt von lästigen Haushaltspflichten, lästigen Computer-Updates, lästigen Schwiegermüttern – das känni doch!
Es sind die Sörgeli und Problemli, mit denen man sich in der Schweiz tagtäglich rumschlägt und später beim Feierabendbier darüber beschwert. Das ist nah an der hiesigen Lebenswelt, die oft bünzlig ist, weshalb auch «Tradition» oft bünzlig ist. Vielleicht, weil Bligg sich mit seinen 47 Jahren und als zweifacher Vater trotz Rap-Vergangenheit langsam mit dem Bünzlitum anfreundet. Vielleicht, weil er sein Publikum mittlerweile bestens kennt und weiss, welche Geschichten er ihm in welcher Form zu servieren hat. Vielleicht aber auch beides.
Überraschungen sind rar
Der Zürcher hat gecheckt, dass er seine Sprachbilder so einfach wie möglich malen muss, damit sie unmissverständlich sind. So sind Beziehungen in «Liebi repariere» Häuser, an denen man immer wieder schrauben muss, damit sie nicht einstürzen. Und in «Passagier» ist das Leben eine Zugfahrt mit Leuten, die ein- und aussteigen und entweder mit goldenen Löffeln oder Plastikgabeln speisen. Bligg will schliesslich vom Volk gehört werden und nicht vom Feuilleton.
Ganz ohne Überraschungen kommt «Tradition» dennoch nicht daher. In «Monschter» nimmt sich der Sänger den überstimulierten Gehirnen der heutigen Zeit an, ohne sie direkt beim Namen zu nennen. Für «Soldat» besorgte er sich den Refrain des 1991er Acoustic-Rock-Stücks «Nightmare» der McAuley Schenker Group . Und in «Fabienne» nennt er erstmals öffentlich den Namen seiner Freundin, dazu gibt's einen kleinen Einblick in ihre Kennenlerngeschichte – der im Lied besungene Bankraub sei aber erfunden, wie er gegenüber der «Aargauer Zeitung» (Bezahlartikel) sagt.
Zucker fürs Volk
22 Jahre nach seinem Debüt «Normal» und 15 nach seinem Klassiker «0816» weiss Bligg, für wen er Musik macht. Er weiss, welche Themen er anzusprechen hat, wie Hackbrett und Schwyzerörgeli einzusetzen sind und dass ihm eine gehörige Prise Bünzlitum gut zu Gesicht steht.
Und er weiss, dass «Tradition» seinem Publikum gefallen wird. Ob er damit auch neue Fans gewinnt, bleibt abzuwarten. Aber wer schon fünf Nummer-Eins-Platten (plus zwei mit Blay) hat, muss sich darüber wohl nicht gross den Kopf zerbrechen.