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Abel Makkonen Tesfaye an seinem Auftritt auf der Bühne am Openair St. Gallen 2017.
Legende: 171 Schläge pro Minute Mit seinem Song «Blinding Lights» hat Abel Makkonen Tesfaye alias «The Weeknd» einen Hit gelandet. Wohl auch deshalb, weil das Lied mit seinem schnellen Beat zu begeistern vermag. Keystone

Popmusik im Wandel Schnelle Beats verdrängen träge Songs

Gemächliche, melancholische Musik hat in den vergangenen Jahren die Hitparaden dominiert. Nun scheint der Trend gestoppt: Popmusik ist in diesem Jahr in der Schweiz wieder schneller unterwegs.

Das britische Medienunternehmen BBC hat die zwanzig meistverkauften Songs des Vereinigten Königreichs aus dem Jahr 2020 unter die Lupe genommen – und dabei Erstaunliches festgestellt: In Grossbritannien liegt die durchschnittliche Anzahl Schläge pro Minute (Englisch: bpm, beats per minute) bei den meistverkauften 20 Songs dieses Jahres bei 122 – und damit so hoch wie zuletzt 2009.

Damals rangierten Hits wie «I Gotta Feeling» der Black Eyed Peas (128 bpm) und «Fight For This Love» von Cheryl Cole (123 bpm) weit vorne in den britischen Charts. Heuer finden sich dort Songs wie Saint Jhns «Roses – Imanbek Remix» (122 bpm) oder Lady Gagas «Rain On Me» (123 bpm).

Schnelle Beats auf dem Vormarsch

Ein Blick auf die Schweizer Hitparade zeigt: Auch bei uns hat sich das Tempo der beliebtesten Pop-Songs in den vergangenen Jahren merklich verändert. Lag das durchschnittliche Tempo vor fünf Jahren noch bei etwa 106 Schlägen pro Minute, sind es gemäss Auswertung der im ersten Halbjahr 2020 meistgehörten Songs in der Schweiz rund 117 Schläge pro Minute.

Besonders auffällig sind die Jahre 2015 bis 2018. In dieser Zeit waren besonders viele langsame, melancholische Songs in den ersten Rängen der Schweizer Charts zu finden. Darunter beispielsweise «Hello» von Adele, «Perfect» von Ed Sheeran oder «Human» von Rag'n'Bone Man.

Seit 2019 tauchen nun vermehrt wieder Songs mit schnellen Beats in der Schweizer Hitparade auf. Beste Beispiele dafür sind «Blinding Lights» von The Weeknd (171 bpm) und «Breaking Me» von Topic feat. A7S (122 bpm).

Gründe für die Rückkehr zu schnellen Beats ortet der britische Musikjournalist Charlie Harding in einem «psychologischen Wandel», wie er gegenüber BBC sagt: «In Momenten grosser Traurigkeit gibt Musik Hoffnung. Ein Pop-Song gibt uns die Erlaubnis, Freude erleben zu dürfen, auch wenn die Welt in Flammen steht.»

Musik als Fluchtort in Krisenzeiten

Erstaunlich sei, dass bereits früher in schwierigen Zeiten schnelle Beats gefragt waren. So zum Beispiel während des Zweiten Weltkriegs oder der Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren. Musik wird in solchen Phasen oft genutzt, um dem Alltag zu entfliehen und seine Sorgen beim Tanzen und Feiern für einen Moment vergessen zu können.

Wichtig ist allerdings auch die Erkenntnis, dass die neuen, schnellen Songs nicht erst 2020 entstanden sind, sondern dass diese bereits vor der Corona-Pandemie fertiggestellt wurden.

Die Musik-Produzenten scheinen damit allerdings den Nerv der Zeit getroffen zu haben. Denn vielleicht helfen die schnellen Beats dem ein oder anderen, die Alltagssorgen hinter sich zu lassen und in eine fröhlichere Welt abzutauchen.

Genau das ist angeblich auch das Ziel von Dua Lipa. Beim Release ihres neuen Albums im April sagte sie gegenüber BBC: «Ich wollte den Menschen etwas Glück schenken in dieser Zeit.» Sie sollten beim Hören ihrer Musik nicht darüber nachdenken müssen, was vor sich geht, «sondern einfach abschalten und tanzen können».

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