Für ihre Auftritte proben die beiden selten bis gar nicht. Lieber überlassen sie es den Emotionen von Sängerin Rebecca Solari, wie ihre Konzerte ablaufen. Ihr Auftritt an der Bad Bonn Kilbi im Mai war ekstatisch und endete in Tränen. Zurück blieb ein verschwitztes Publikum, das zwischen Begeisterung und Fassungslosigkeit schwankte.
Im Hundekostüm auf 150 Bpm
An die Bad Bonn Kilbi, die Solari als der «Heilige Gral» für die Freiburger Musikszene bezeichnet, reist das Duo in Stolls altem Pferdetransporter. Mit dabei sind befreundete Künstlerinnen, die Crème solaire bei der Installation der Szenografie helfen. Einer riesigen Sonne.
Solari und Stoll bahnen sich auf Hochrädern mit Hundekostümen ihren Weg durch die Menge zur Bühne und eröffnen ihre Show mit dem Song «Red Flag». 150 Beats pro Minute, gespickt mit grellen Synthesizersounds und erschütternden Subbässen. Schnell wird klar: Ein Crème-solaire-Konzert hat keine Aufwärmphase.
Chronologie des Auftritts an der Bad Bonn Kilbi
Ein Leben für die Kunst
Das Freiburger Duo lebt ausschliesslich von ihren Auftritten. Im Backstage verraten sie uns, dass sie zwischen 1000 und 1500 Franken pro Monat verdienen. Stoll sagt dazu: «Ich könnte schon irgendeinen Nebenjob machen, aber das kommt für mich nicht infrage. Schliesslich kann ich nicht aus dem Büro laufen, wenn ich eine Idee für einen Song habe, und diesen aufzeichnen möchte.» Solari ergänzt: «Ausserdem sind wir oft tagelang weg und auf Tour.»
Ich würde nicht an ein Konzert von Crème solaire gehen, das länger als eine Stunde dauert. Das wäre viel zu intensiv.
Die Energie, die Crème solaire zusammen mit ihrem Publikum freisetzen, ist beeindruckend und in der Schweiz einzigartig. Sie würden viele Emotionen in die Musik stecken, sagt Stoll und kommentiert den Energie-Overload der Band schmunzelnd: «Ich würde nicht an ein Konzert von Crème Solaire gehen, das länger als eine Stunde dauert. Das wäre viel zu intensiv.»
Immer wieder steht Rebecca Solari mitten im Publikum. Sie ist es, die mit ihren Emotionen durch den Auftritt führt: Sie singt, brüllt, jubelt. Springt von der Bühne ins Publikum. Bricht in Tränen aus. Das kostet sie so viel Kraft, dass sie sich völlig aufgelöst in ihren Bandbus zurückzieht, noch ehe der Applaus des Publikums verebbt ist.
Früher sei das viel extremer gewesen: «Nach jedem Konzert musste ich viel weinen, ich war für ein oder zwei Tage traurig und leer.» Während Solari den Auftritt verarbeitet, geniesst Stoll ein Bier mit Freunden.
Rebellion im Kollektiv
Er, der gelassene Multiinstrumentalist im Hintergrund, der am liebsten mit seinem Hund an der Saane spazieren geht. Sie, die charismatische Figur im Zentrum der Bühne, ständig unterwegs von einer Stadt in die nächste. Unterschiedlicher könnten sie nicht sein und trotzdem finden sie sich im Wesentlichen wieder: in der Rebellion.
Am Anfang hatten wir das Gefühl, allein zu sein. Jetzt beginnen wir zu realisieren, dass wir zusammen sein können. Es gibt Leute, die unser Chaos verstehen.
Im Zentrum steht dabei die Vereinigung mit Fans und Freundinnen. «Am Anfang hatten wir das Gefühl, allein zu sein», so Solari. «Jetzt beginnen wir zu realisieren, dass wir zusammen sein können. Es gibt Leute, die unser Chaos verstehen.»
Stoll beschreibt ihr Aufbegehren so: «Wir rebellieren gegen die Normalität, die uns diese Gesellschaft aufzwingt. Es gibt einen Standard: Man muss schlank, schön und intelligent sein, um in dieser Welt etwas zu erreichen. Wir wollen zeigen, dass es auch auf andere Art und Weise geht.» Wer das Konzert an der Bad Bonn Kilbi miterlebt hat, weiss, dass es ihnen gelingt.