Vor Publikum hat Jamila erst einmal auf Schweizerdeutsch gesungen. «Bei einem Hochzeits-Gig wünschte man sich den Kunz-Song ‹Ech schwör› von mir», verrät die Zürcherin im Interview, «ich habe sogar den Luzerner Dialekt nachgemacht. Hoffentlich gibt's davon keine Videos.»
Auch wenn die 27-Jährige grosser Fan ist von Mundart-Acts wie Edb (ihr Vorgänger vom Februar 2025!) und Hotel Samar, bleibt sie in ihren Lyrics lieber bei Englisch: «Da fühle ich mich am wohlsten.» So auch auf der neuen EP «Boyfriend of the Year», in deren vier süffigen Popsongs das Juni-«SRF 3 Best Talent» seine Erfahrungen als junge Frau thematisiert – Unsicherheiten, Liebe, Erwachsenwerden. Und: Identitätsfindung.
Ihr Aktivismus
Der Hintergrund der Künstlerin gestaltet sich weniger klassisch als beim Schweizer Durchschnitt. Sie wuchs grösstenteils mit einer alleinerziehenden Mutter und der älteren, geistig beeinträchtigten Schwester auf. Der Vater starb früh, mit 39, als Jamila noch klein war. «Das hat mich mega geprägt», erzählt sie, «er war Palästinenser, seine Familie lebt im Libanon. Vor einigen Jahren habe ich angefangen, mich intensiver mit meiner Herkunft auseinanderzusetzen.»
Angesichts der aktuellen Weltlage, insbesondere des Gaza-Kriegs, stellt sich für Jamila somit die Frage, ob sie sich als Musikerin auch politisch äussern sollte. «Das bin ich noch am Herausfinden», sagt sie. Auf Instagram lässt sie ihre Ansichten und Werte manchmal durchblicken, auf den Kanälen des Streaming-Riesen Spotify setzt sie sich für die Gleichberechtigung von Frauen und non-binären Personen in der Musikbranche ein. «Ich glaube, es ist mega cool, eine Popkünstlerin zu sehen, die nicht einfach weiss ist und einen europäischen Namen hat.»
Ihre «lamen» Hobbys
Gewöhnlich ist demnach kein Wort, was einem bei Jamila in den Sinn kommt. Trotzdem befürchtet sie, dass ihr grosses Hobby «etwas lame» wirken könnte: «Ich lese sehr gerne. Das ist Eskapismus – mit keinem anderen Medium klappt das so gut wie mit der Literatur.» Ihr Lieblingsbuch ist «A Little Life» von Hanya Yanagihara. Wobei: Für Reality-TV hat die Sängerin ebenfalls eine grosse Schwäche: «Ich schaue Menschen mega gerne zu, wie sie einfach existieren.»
Als «SRF 3 Best Talent» bleibt ihr im Juni nun etwas weniger Freizeit für Bücher und Reality-Shows. Im Sommer stehen zudem einige Gigs an, unter anderem am Luzern Live, am Stars in Town in Schaffhausen und an der Lethargy in Zürich. Da sie voll auf die Musik setzt, dürfte das aber ein bekömmlicher Wermutstropfen sein.
Auch das Ausland hat Jamila bereits im Blick, «in Berlin stehen ein paar Meetings an», verrät sie. Zusätzlicher Motivator für eine internationale Karriere: Wer gross auf Tour geht, muss viele Kilometer totschlagen – perfekt, um exzessiv zu lesen und zu bingen.