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Nutzen von Selbstgesprächen Warum es völlig okay ist, mit sich selbst zu sprechen

Wer Selbstgespräche führt, der spinnt, so die gängige Meinung. Mit sich selbst zu reden, kann aber auch hilfreich sein.

«Ich spreche oft mit mir selbst», sagt Nina Valotti: «Im Auto oder daheim – irgendwann fange ich an, dann schwatze ich einfach ein bisschen.» Die Zürcher Musikerin nutzt die Selbstgespräche unter anderem, um an den eigenen Formulierungen zu arbeiten.

Porträtbild der Zürcher Mundartmusikerin und SRF 3 Best Talent des Monats Juli 2025 Nina Valotti vor Pflanzen.
Legende: Ist hin und wieder ihre eigene Gesprächspartnerin: die Zürcher Mundartmusikerin und «SRF 3 Best Talent» Nina Valotti. SRF/Ranja Kamal

«Ab und zu kommt etwas Gutes dabei heraus, das schreibe ich dann auf.» Für Valotti eignen sich Selbstgespräche zum Beispiel als Vorbereitung auf mögliche Interview-Fragen. Selbst wenn die Fragen nicht gestellt würden, helfe es ihr, die Dinge für sich zu beantworten und damit zu lösen.

Was bringen Selbstgespräche?

«Es ist kein Muss, Selbstgespräche zu führen», sagt Psycho- und Paartherapeutin Felizitas Ambauen. Aber wie das Beispiel von Nina Valotti zeigt, können sie einen weiterbringen und auf wichtige Termine oder Entscheidungen vorbereiten – als eine Art Trockenschwimmen. Und wer es eben nicht tut, verpasst möglicherweise wichtige Erkenntnisse.

«Wenn wir uns nicht selbst zuhören und nicht mit uns reden, spinnen wir unsere Gedanken gar nicht wirklich fertig.» Deshalb lohne es sich, Vorurteile abzubauen.

Ist man krank, wenn man mit sich selbst spricht?

Kinder führen Selbstgespräche, sie gehören zur Entwicklung dazu: beim Spielen oder unterwegs zur eigenen Unterhaltung. Im Teenageralter nehmen diese ab. «In dem Alter möchte man nicht auffallen, nicht peinlich sein.»

Kinderhände, die mit einer Spielzeugeisenbahn spielen.
Legende: Während Kinder öfter Selbstgespräche führen, sind Teenager und Erwachsene dem Thema gegenüber eher skeptisch. Keystone/SEBASTIAN KAHNERT

Als Erwachsene mit sich selbst zu sprechen, ist für viele schambehaftet oder gar krank. «Man verbindet Selbstgespräche mit einem Mangel, mit psychischen Erkrankungen.» Gesellschaftliche Bewertungen, die es zu hinterfragen gelte, erklärt die Psychotherapeutin.

Wie funktioniert ein gutes Selbstgespräch?

«In meinen Therapien geht es oftmals darum, in der Familie oder im Job besser kommunizieren zu können», sagt Felizitas Ambauen. «Wie aber wäre es, wenn man erst mit sich selbst in Kontakt treten würde?» Um sich gegen aussen wunschgemäss zu positionieren, ist es wichtig, zuerst sich selbst zuzulassen.

Die Psychotherapeutin empfiehlt, solche Selbstgespräche durchaus laut zu führen. «Wenn wir die Dinge ausformulieren, verstehen wir uns besser.» Das kann im stillen Kämmerlein geschehen oder auch unterwegs, im Auto, im Wald, beim Spazieren.

Mann mit Hund spaziert am Strand mit Meer im Hintergrund.
Legende: Im Wald, am Strand, daheim: Für ein gutes Selbstgespräch braucht man nur sich selbst. Keystone/HAUKE-CHRISTIAN DITTRICH

Sich laut zuzuhören, erfordert möglicherweise etwas Übung. «Wenn wir uns an die ersten Sprachnachrichten erinnern, die wir via Handy verschickt haben, kommen vielleicht auch spezielle Erinnerungen auf.» Seine eigene Stimme zu hören, kann irritieren. Aber mit der Zeit weicht diese Scham einer Art Selbstverständlichkeit.

«Sprechen wir die Dinge aus, verlangsamt sich der Gedankenfluss. Wir haben mehr Zeit zu verarbeiten, was wir sagen.» Und wie wir es sagen: Wird die Stimme lauter, emotional, gar aggressiv?

Nach einem guten Selbstgespräch bin ich erleichtert oder gar neugierig.
Autor: Felizitas Ambauen Paar- und Psychotherapeutin

Erkenntnisse, die durch reines Gedankenwälzen oftmals fehlen. «Durch Selbstgespräche kann man lernen, mit sich in Resonanz zu gehen, eine Beziehung zu sich selbst aufbauen.» Wichtig ist, wie wir uns danach fühlen. «Nach einem guten Selbstgespräch bin ich erleichtert oder gar neugierig.» Weniger hilfreich ist es, wenn man sich danach niedergeschlagen fühlt und ins Grübeln kommt.

Radio SRF 3, 8.7.2025, 10:15 Uhr ; 

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