Kennen Sie das Gefühl? Sie stehen im Supermarkt. Ihr ganzes Leben lang haben sie eigentlich gut ohne «High-Protein» gelebt. Nun aber sieht man diese Wörter überall auf Produktpackungen. Sind das die besseren Produkte? Kurzantwort der Ernährungsberaterin: «Nein, als gesunde erwachsene Person braucht es diese High-Protein-Produkte nicht!»
Nadia Leuenberger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Berner Fachhochschule im Fachbereich Ernährung und Diätetik. Die Verwirrung vieler Konsumentinnen kann sie verstehen. «Es wird die Botschaft ausgesendet, dass wir uns alle extrem viele, auch künstliche, Proteine zuführen müssten.»
In allen Lebensmitteln finden wir Proteine.
Auch vermittle die Aufmachung der Produkte den Eindruck, dass diese gesünder seien. Doch ohne Nährwertliste anzuschauen, kann man das nicht sagen. «Sie haben einfach einen höheren Protein-Anteil.»
Was sind Proteine überhaupt?
Gleichwohl: Ohne Proteine können wir nicht überleben, sie sind essenzielle Bausteine. «Wir brauchen sie für alle Stoffwechselprozesse unseres Körpers. Sie sind zuständig für den Aufbau und Erhalt der Muskelmasse und wichtig für Haut, Hormone und Immunsystem.» Good News: Proteine sind auch in Produkten enthalten, auf denen das nicht in grossen Lettern steht. «In allen Lebensmitteln finden wir Proteine – in unterschiedlichen Mengen.»
Es gibt sowohl tierische als auch pflanzliche Speisen, die von Natur aus einen hohen Protein-Anteil haben: Fleisch, Hüttenkäse, Magerquark, aber auch Hülsenfrüchte, wie Kichererbsen oder Tofu. Oft könnten diese Lebensmittel sogar als «High-Protein-Produkte» vermarktet werden.
Aber wie viel brauche ich denn nun?
Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung empfiehlt täglich 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. «Das ist sehr individuell», sagt die Ernährungsberaterin. «Ich empfehle oft bis zu 1,5 Gramm. Es ist abhängig von den persönlichen Zielen.»
Proteinriegel beispielsweise «sind nicht per se böse.» Es sei auch nicht schädlich, wenn man sich ab und wann ein hochverarbeitetes High-Protein-Produkt gönnt. Wie bei allem: Eine Frage des Masses.
Sinn und Unsinn
Es stimmt, dass Proteine beim Muskelaufbau helfen. Sie führen auch zu einem guten Sättigungsgefühl und können somit bei einer Diät helfen. Aber: «Wenn ich so etwas sage, dann spreche ich von Produkten mit natürlichen Proteinquellen.»
Wir sollten unseren Bedarf hinterfragen und lernen, die Verpackung zu lesen.
Es ist ein Irrglaube, dass man alleine vom Konsum künstlicher Proteinprodukte stark wird. In vielen High-Protein-Produkten stecken zudem diverse Zusatzstoffe. «Insbesondere mit Proteinen angereicherte Süssigkeiten finde ich fragwürdig.»
Risiken und Nebenwirkungen
«Wenn jemand den ganzen Proteinbedarf nur mit hoch verarbeiteten Produkten abdeckt, kann das definitiv Nebenwirkungen haben», erklärt Leuenberger. Verdauungs- oder Nierenprobleme zum Beispiel.
Auch dürfe man nicht vergessen, dass zu einer ausgewogenen Ernährung auch noch Vitamine, Früchte und Gemüse gehören. Fazit: «Wir brauchen definitiv Proteine. Aber nicht so viel, wie in der Werbung angepriesen wird. Wir sollten unseren Bedarf hinterfragen und lernen, die Verpackung zu lesen.»