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Schachspielerin im Gespräch Lena Georgescu: «Schach ist wie ein Teilzeitjob für mich»

Sie ist eine der besten Schachspielerinnen der Schweiz. Lena Georgescus Leidenschaft für diesen Sport definiert einen grossen Teil ihres Lebens nebst ihrem Informatik-Studium. Wie dies genau aussieht, erzählt sie im Gespräch mit Yves Bossart bei «Focus» .

Lena Georgescu

Schachspielerin

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Lena Georgescu, 24, gehört zu den führenden Schweizer Schachspielerinnen. Als mehrfache Schweizermeisterin (erstmals im Alter von 17 Jahren) teilt sie sich die Spitzenposition mit Ghazal Hakimifard. In Bern aufgewachsen, wurde sie von ihrem Vater, einem Leiter einer psychiatrischen Klinik, früh für das Schachspiel begeistert. Neben ihrem Informatikstudium an der Universität Bern ist sie Mitglied der Schachgesellschaft Winterthur und des Schachklubs Bern.

SRF: Ich habe gehört, dass du tendenziell eine aggressive Schachspielerin bist. Was muss ich mir darunter vorstellen?

Lena Georgescu: Es gibt verschiedene Spielertypen. Es gibt solche, die spielen eher langsam und mit einem längerfristigen Plan. Sie handeln wie eine Boa constrictor, die einen langsam immer weiter einengt. Ich bin da anders. Ich versuche immer, die Leute über den Haufen zu rennen. Manchmal funktioniert es und manchmal weniger.

Wie muss ich mir deinen Alltag vorstellen? Wie viele Stunden pro Tag oder Woche spielst du Schach?

Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Wochen, in denen ich fast nichts mache. Zum Beispiel in Prüfungsphasen. Dann wiederum Wochen, in denen ich täglich fünf Stunden Schach spiele. Ich würde nicht sagen wie ein Vollzeitjob, aber doch Teilzeit. Sagen wir zwischen 15 und 40 Stunden pro Woche. Da bleibt nicht mehr viel Zeit für anderes.

Ich versuche immer, die Leute über den Haufen zu rennen.

Findest du für dich eine Balance zwischen Lebensqualität und Erfolgswillen?

Es gibt sicherlich gewisse Konflikte, weil man ja schon gut spielen will. Sonst muss man das auf solch einem Niveau nicht machen wollen. Aber dadurch, dass ich nicht mit Schach meinen Lebensunterhalt verdienen muss, verspüre ich sicherlich weniger Druck als vielleicht andere aus der Branche.

Schaut man auf die Schach-Welt, fällt auf, dass unter den Top 100 nur eine Frau ist und nur etwa fünf Prozent der Mitglieder von Schachclubs Frauen sind. Warum ist das so?

Einen grossen Einfluss haben sicherlich Stereotypen, welche sich in der Gesellschaft festsetzen. In vielen Köpfen ist verankert, dass Schach ein Spiel für alte Männer ist. Zudem werden Mädchen nach wie vor eher Puppen als Strategiespiele geschenkt.

Sprechen wir über die Netflix-Serie «Queens Gambit». Wie hast du diese gefunden?

Sehr gut. Was in Filmen oder Serien, in denen Schach gespielt wird, immer mal wieder auffällt, ist dass die Körpersprache der Schauspieler überhaupt nicht stimmt. Sie fassen die Figuren falsch an und man sieht, dass sie noch nie Schach gespielt haben. Bei «Queens Gambit» war das anders. Da war eine Bekannte von mir sogar ein Hand-Double in der Serie. Auch die ganze Atmosphäre rund um das Schachspielen wurde gut porträtiert.

Den Mädchen werden nach wie vor eher Puppen als Strategiespiele geschenkt.

KI und Schach: Bereits seit längerem gibt es Programme und Computer, die besser als Menschen spielen können und immer besser werden. Denkst du, es lohnt sich, in Zukunft noch so viel Zeit und Energie in diesen Sport zu investieren?

Ich habe mir das bereits des Öfteren überlegt – wenn du weisst, dass der Computer besser spielt als du. Aber das ist vielleicht in etwa so, wie wenn jemand 100-Meter-Lauf macht, obwohl er weiss, dass ein Auto schneller ist als er oder sie. Aus diesem Grund mache ich mir darüber wenig Gedanken.

Das Gespräch führte Yves Bossart.

Radio SRF 3, 27.11.2023, 20:00 Uhr ; 

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