Das gab es seit 25 Jahren nicht mehr: Kein Schweizer Song schafft es dieses Jahr in die Single-Jahreshitparade. «Es macht mich natürlich traurig, aber es überrascht mich nicht», so Dabu Bucher von Dabu Fantastic zur Situation. Gerni Jörgler, Redaktor in der SRF Musikredaktion, ordnet für SRF 3 ein.
SRF 3: Dieses Jahr ist es zum ersten Mal seit 1997 wieder so weit, dass kein einziges Schweizer Lied unter den ersten 100 in der Single-Jahreshitparade vertreten ist. Wie überraschend ist das?
Gerni Jörgler: Früher kam es immer wieder mal vor, dass es kein Schweizer Titel in die Jahreshitparade schaffte. Vor 1997 passierte das im Schnitt sogar jedes zweite Mal. Von dem her ist es nicht so überraschend. Aber: Die letzte Jahreshitparade ohne Schweizer Künstlerin oder Künstler war 1997 – wir hatten also in den vergangenen 25 Jahren immer mindestens einen Schweizer Act in der Jahreshitparade. In einigen Jahren schafften es sogar mehrere Titel.
Wieso?
Musik-Castingshows liefen im Fernsehen. Das half enorm. Was an den News überrascht, ist, dass es rund 25 Jahre her ist, dass Schweizer Musik in der Jahreshitparade ausblieb.
Wie konnte das passieren?
Es gibt 3 Gründe:
Stichwort Streaming
Unser Konsumverhalten hat sich komplett verändert. Die Hitparadenplätze werden schon lange nicht mehr durch Verkäufe und Downloads bestimmt, sondern durchs Hören. Wer wird wie oft auf Musikplattformen gestreamt? Das ist entscheidend. Gegen die riesige, internationale Konkurrenz sind wir chancenlos. Wir sind als Schweizerinnen und Schweizer im Nachteil, da wir es nicht auf die wichtigen Playlists schaffen – schon gar nicht mit Mundart-Songs.
Kein TV
Ausser «Sing meinen Song» gab es dieses Jahr kein Musikformat im Schweizer Fernsehen, das ESC-Lied funktionierte nicht, ein nationaler Sportsong blieb aus und kein Schweizer Song schaffte es in einen grossen TV-Spot.
Kein Hit
Es klingt ganz banal und brutal: Die Schweizer Musikszene hat in diesem Jahr keinen Hit wie «079», «Rosalie», «Angelina», keinen «Hippie-Bus».
Aber die Konzerte der Schweizer Stars sind doch gut besucht? Hecht beispielsweise füllten sogar zum zweiten Mal das Hallenstadion. Patent Ochsner: immer ausverkauft. Gölä und Trauffer zweimal im Letzigrund – ist das nicht ein Widerspruch?
Nein, das ist kein Widerspruch. Es ist ja nicht so, dass keine Liebe für Musik aus der Schweiz herrscht. Das wäre nur dann ein Widerspruch, wenn die internationale Szene in leeren Sälen spielen würde. So ist es aber nicht. Imagine Dragons, Rammstein, Ed Sheeran oder Sting, um nur einige zu erwähnen, füllen Stadien. Und weil die international bekannten Acts zusammengezählt mehr Zuschauerinnen und Zuschauer haben als die nationalen, bekommen die natürlich auch mehr Klicks aus Streamingdiensten.
Man kann immer sagen: «Produziert Hits» oder «Schreibt einfach mehr Songs» – so einfach ist das Game aber nicht.
Dabu Bucher ordnet für SRF 3 ebenso ein: Es hätte in der Schweiz genügend wirklich gute Songwriterinnen und Songwriter. Dass Spotify – als grösster Streamingplayer in der Schweiz – hierzulande keine Vertretung hat, sieht er als Problem. «Es gibt gute Hits. Wenn die nicht abgebildet werden, dann ist das ein Problem des Marktes und nicht eines von uns Künstlerinnen und Künstlern oder seitens der Produktion.» Erfahre mehr darüber im Audio-Teil.