«Was ist deine Lieblingsdestination? Warst du schon einmal in einer gefährlichen Situation? Wohin fliegst du als nächstes?» Wenn Thomas Steffen seinen Beruf verrät, stellen ihm seine Gesprächspartner viele Fragen. Steffen ist Pilot. Er fliegt einen Airbus A330 – eine Langstreckenmaschine.
Bei Markus Stoll ist das schon komplizierter. Er ist Steuerberater und leitet beim VZ Vermögenszentrum die Abteilung Steuern und Treuhand. «Wenn mich jemand nach meinem Beruf fragt, sage ich, dass ich im Bereich Steuern arbeite. Dann schaue ich, wie das Gegenüber reagiert.» Es gebe meist drei Arten von Reaktionen: «Gewisse Leute nehmen meinen Job zur Kenntnis und wechseln dann das Thema.
Der Beruf ist ein grosser Teil unserer Identität.
Andere sind neugierig und stellen Fragen zu Steuern. Und dann gibt es noch jene, die sagen, Steuern seien langweilig und sie könnten diesen Job nie machen.»
Berufszufriedenheit hängt auch vom Gegenüber ab
Ob sich das Gegenüber für unseren Beruf interessiert, kann einen entscheidenden Einfluss auf unsere Berufszufriedenheit haben. Das beobachtet Theo Wehner. Er ist Arbeitspsychologe und emeritierter Professor an der ETH Zürich. «Wenn sich jemand nach meinem Beruf erkundigt, interessiert er oder sie sich für meine Identifikation. Der Beruf ist das, womit wir uns tagtäglich beschäftigen und entsprechend ein grosser Teil unserer Identität.»
Wehner beobachtet auch, dass sich viele Menschen nicht mit ihrer Arbeit identifizieren können. Gegenüber anderen werten sie ihren Job ab und wollen schnell das Thema wechseln. «Sich mit der Arbeit nicht identifizieren zu können, schafft Unzufriedenheit.» Es sei wichtig, auch ausserhalb des beruflichen Umfelds über den Job reden zu können.
Über die Aufgaben und nicht über den Beruf reden
Wehner empfiehlt, dass man bei Gesprächen über den Beruf nicht den Beruf selbst thematisiert, sondern das, was man im Job macht. Was sind die Aufgaben? Womit setzt man sich auseinander? «Dann kann beispielsweise eine Aufgabe im Callcenter genau so interessant sein wie die Aufgabe eines Piloten, der über den Atlantik fliegt.»
Wichtig sei auch, dass man einen Beruf nicht nur wählt, weil andere ihn interessant finden könnten, sagt Wehner. Das komme immer wieder vor. «Wenn man einen Job ausführt, weil es von aussen erwartet wird, macht das unzufrieden.» Sobald man diese Erkenntnis erhalte, sollte man einen neuen Beruf suchen, empfiehlt Wehner. Für einen Berufswechsel sei man nie zu alt.
Steuerberater vs. Pilot
Steuerberater Markus Stoll ist zufrieden mit seinem Job. «Ich verstehe, dass das Themenfeld Steuern nicht nur Freude auslöst. Ich fülle meine Steuererklärung auch nicht gern aus. Allerdings habe ich in meinem Beruf mit vielen spannenden Kunden zu tun und das macht mir Freude.» Und er helfe in seiner Freizeit gerne engen Freunden, wenn sie Fragen zum Thema Steuern haben.
Auch Pilot Thomas Steffen mag seinen Job. Bei ihm stellt sich die Frage, ob ihn die vielen Reaktionen auf seinen Beruf manchmal nerven. Die Antwort ist ganz klar: «Nein. Ich finde es spannend, wenn jemand etwas über den Beruf des Piloten erfahren will. Es gibt viele Vorurteile. Da kläre ich gerne auf.»