Das Holz und der Wald liefern Wetterschmöcker Martin Gisler (55) die Hinweise für seine Prophezeiungen. Deshalb nennt man ihn «Tannebärt». Im Schwyzer Dialekt sind das Moos und Flechten, die an Bäumen wachsen.
Flechten an Bäumen sind in der Regel harmlos und ein Zeichen für gute Luftqualität, weil sie nur die Rinde als Lebensraum nutzen. Man finde den «Tannebart» nicht überall und wenn, erst ab zirka 1200 Meter, erklärt der Wetterprophet.
Wenn ich an einem Ort bin, wo es Tannenbart gibt, fühle ich mich zu Hause.
Dort ist Martin Gisler allein und kann die Natur studieren und beobachten. Ein solcher Ort ist für den «Wetterschmöcker» etwas Spezielles, andere würden sagen: etwas Mystisches. «Wenn ich an einem Ort bin, wo es Tannenbart gibt, fühle ich mich zu Hause», sagt der Schwyzer.
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Bild 1 von 2. Tannebart – ein Puzzlestein für Gislers Prognosen. Bildquelle: SRF/Lars Epting.
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Bild 2 von 2. Flechten bestehen aus Pilzen und Algen. Für Bäume sind sie nicht schädlich. Bildquelle: SRF/Lars Epting.
Wetterprognose mit Gefühl
Der «Tannenbart» wächst sehr langsam. Martin Gisler schaut sich die äussersten Härchen oder Fädchen, die nachgewachsen sind, genau an. Er nimmt sie in die Hände und will wissen, wie sie sich anfühlen. Ist der «Tannebart» fein oder eher zausig? Daraus schliesst er seine Wetterprognosen. Mehr verraten will er nicht. «Das ist mein Geheimnis».
Martin Gisler schaut auch auf die Winde, auf die Vögel, auf das Laub und auf das Wild. Und jetzt, wo er gerade im Wald arbeitet, aufs Holz. «Bei Buchen kann es sein, dass der Saft nur so hinausläuft, weil der Baum voller Wasser ist». Für Martin Gisler auch ein Zeichen, das seinen Prognosen dienlich ist. Mit widersprüchlichen Zeichen geht er pragmatisch um. «Dann muss man abwägen, wie es werden könnte und auf das Gefühl hören.» Für eine gute Prognose brauche es auch Erfahrung.
Das Wetter ist noch von oben gegeben.
Martin Gisler hat schon als 12-jähriger Tagebuch über das Wetter geführt. Prognosen habe er noch nicht gemacht, aber wenn andere gerätselt hätten, wie das Wetter vor ein paar Jahren war, konnte er Fakten liefern.
Wann der Wetterschmöcker ins Fluchen kommt
Das Wetter hat für den Bergbauern Gisler etwas Faszinierendes. Niemand könne es beeinflussen. «Das Wetter ist noch von oben gegeben», meint Martin Gisler. Es ist immer wieder anders und gibt selbst bei ihm manchmal zum Fluchen Anlass. Etwa, «wenn es einem das Heu 'verseicht' oder wenn während dem Holzen viel Schnee fällt. Dann ist es viel anstrengender», so Martin Gisler.
Durch das Wetter kann es sehr gefährlich werden. Wenn es nass ist, kann im steilen Gelände eine Maschine ins Rutschen kommen, sagt der Bergbauer. «Das ist sehr gefährlich». Aber das gehöre einfach dazu, wie auch die vielen schönen Momente. In Zukunft dürften auch richtige Prognosen zu diesen Momenten gehören.
Als die Anfrage kam, im Wetterschmöcker-Verein nachzurücken, brauchte Martin Gisler eine Bedenkpause und lehnte zunächst ab. Der Zuspruch sei aber so gross gewesen, dass er es nun trotzdem versuchen will.
Unter Bauern ist das Wetter immer ein Thema und da gibt der eine oder andere schon mal eine Prognose ab. Sie wird aber nicht aufgeschrieben. Eine Prognose abzugeben, die dann alle lesen können, sei etwas anderes. «Da wirst du auch mal «aagranzt», wenn du daneben liegst». Sorgen macht er sich deswegen keine. Er nimmt es mit Humor.