Der Text zu «Lili Marleen» entstand bereits 1915 während des Ersten Weltkriegs. Der 21-jährige Soldat Hans Leip hatte zwei Geliebte. Beiden widmete er sein Gedicht im Wissen, dass er am nächsten Tag an die russische Front einberufen würde. Leip veröffentlichte seine Zeilen zwanzig Jahre später als «Lied eines jungen Wachpostens» in der Sammlung «Die kleine Hafenorgel». Was wenige wissen: Er hatte dazu bereits eine eigene Melodie komponiert.
Diese Sammlung war dem Pianisten Rudolf Zink aufgefallen. Vor allem die Geschichte über Lili Marleen faszinierte ihn. Deshalb komponierte er 1937 zum Text von Leip eine sehr melancholische Chanson-Version. Diese übergab er seiner Freundin und Kabarett-Sängerin Lale Andersen.
Als dritter kam der bekannte Komponist Norbert Schultze mit ins Spiel. Er hatte den Auftrag, einige Lieder aus der Sammlung «Die kleine Hafenorgel» neu zu vertonen; darunter auch «Lili Marleen». Wenig ambitioniert machte er sich ans Werk und recycelte dafür eine alte Melodie, die er einst für eine Werbeschallplatte verwendet hatte.
Aufgepeppt aber dennoch ein Ladenhüter
Als Sängerin kam Lale Andersen zum Einsatz, die schon die Vorgängerversion gesungen hatte. Schultzes Komposition wurde zusätzlich durch einen zackigen Marschrhythmus, einen Männerchor und einen preussischen Zapfenstreich aufgepeppt. Andersen konnte damit wenig anfangen. In der Nacht auf den ersten August 1939 nahm sie den Titel dennoch auf. Am Tag darauf wurde die Single fertig abgemischt und ausgekoppelt. Lediglich 700 Exemplare wurden davon verkauft. Die Platten verstaubten regelrecht im Regal.
Bekannt durch Mangel an Schallplatten
Um die Moral der deutschen Soldaten aufrecht zu erhalten, entstand der Radiosender Belgrad. Dessen Auftrag war es, Musik aus der Heimat zu spielen. Allerdings besassen die Radiomacher nur 54 serbische Volksmusikplatten. Es musste also Nachschub an deutschem Liedgut her. 1941 besorgte man sich mehrere Kartons voller Occasions-Schallplatten aus Wien. Darunter befand sich auch ein Exemplar von «Lili Marleen». Das Lied wurde fortan mehrmals täglich gespielt und mauserte sich zum Ohrwurm.
Die Originalversion bestach noch durch ihren militärisch-heroischen Marschrhythmus. Lale Andersens mittlerweile populäre Aufnahme von «Lili Marleen» hingegen kommt etwas gemächlicher und schlagerhafter daher. Sie entstand erst 1956, als der Krieg zwar noch in den Köpfen präsent, aber nicht mehr so bedrohlich nahe war.
Zensur missglückt
«Lili Marleen» wurde zur Schlussmelodie der Sendung «Wir grüssen unsere Hörer» des Soldatensenders Belgrad. Die Sendung war äusserst beliebt, weil darin Briefe für Soldaten und für die Daheimgebliebenen verlesen wurden. Den Nazis war die «Schnulze» ein Dorn im Auge, förderte sie doch vielmehr Heimweh anstatt den notwendigen Durchhaltewillen. Als der Interpretin Lale Andersen Beziehungen zu Juden nachgesagt wurden, zensierte man alle ihre Platten. Beim «Laternenlied» machten die Nazis dennoch eine Ausnahme, da sie einen Aufruhr unter den Soldaten befürchteten.
Internationale Versionen von «Lili Marleen»
Von Norwegen bis Nordafrika
Entsprechend schnell stieg die Popularität von «Lili Marleen» – und zwar überall dort, wo deutsche Soldaten stationiert waren. Von Norwegen bis Nordafrika machte «Lili Marleen» demnach die Runde. Die Faszination der Deutschen für den sehnsuchtsvollen Titel blieb auch den Truppen der ausländischen Soldaten nicht verborgen. Also entstanden zahlreiche Versionen in diversen Sprachen und von diversen Interpretinnen und Interpreten gesungen. Vor allem Marlene Dietrichs Interpretation gilt heute global gesehen als die wohl berühmteste.