Hört man eine der bekannten Versionen von «Am Sonntag will mein Süsser mit mir segeln geh’n», handelt es sich um ein harmloses Liedchen. Eine Sekretärin freut sich auf den sonntäglichen Segelturn mit ihrem Chef. Die Damenwelt solidarisiert sich letztlich damit, dass Frauen am Sonntag etwas Besseres zu tun haben als im Büro zu sitzen oder in der Küche zu stehen. Der brisantere Teil steckt in der ursprünglichen zweiten Strophe, die heutzutage aber meist weggelassen wird.
Kluft zwischen Arm und Reich
Während im restlichen Lied die Romantik und Schwärmerei im Vordergrund stehen, wird es in der zweiten Strophe nämlich sozialkritisch. Dort spielt die Kluft zwischen Arm und Reich eine tragende Rolle. Eine Hausherrin verbietet ihrem Hausmädchen sich am Sonntag mit ihrem Geliebten zu treffen. Diese weint bitterlich, aber ihre Chefin bleibt hart. Der Konflikt wird im Lied nicht aufgelöst.
Homosexueller Touch
Zur selben Zeit entstand sogar eine Version mit homosexuellem Charakter mit dem Sänger Theo Lukas. Dort befindet sich der Protagonist der letzten Strophe im Eldorado, einem damals angesagten Lokal für Homosexuelle in Berlin. Als ihn eine Dame anflirtet, wimmelt er sie damit ab, dass er am Sonntag einen Segelturn mit seinem Liebsten geplant hat.
Abgespeckter Erfolg
Der Schlager war schon in seiner Urversion ein Gassenhauer. In den 1960er-Jahren feierte er ein Comeback. Allerdings verzichteten die Produzenten sowohl auf die homosexuelle Komponente als auch auf die sozialkritische zweite Strophe. Für das avisierte Publikum wäre zu jener Zeit wohl beides zu riskant gewesen. Seine erneute Popularität erlangte «Am Sonntag will mein Süsser mit mir segeln geh’n» durch den gleichnamigen Film von 1961 mit Vivi Bach und Rex Gildo in den Hauptrollen.
Bekannte Schlagerstars wie Wencke Mhyre oder Gitte brachten später ihre eigenen Versionen heraus. Interessanterweise fehlte auch bei ihnen die zweite Strophe.