Es war eine Zitterpartie, ob es im Tierpark Goldau in diesem Jahr Bartgeier-Nachwuchs gibt oder nicht. In den Vorjahren hatte man wenig Glück. Als das erfahrene und über dreissig Jahre alte Bartgeierpaar Mascha und Hans in diesem Jahr ein Ei im Nest hatte, wurde dieses in der kritischen Phase in den Brutkasten verlegt. Dort wurde es gehegt und gepflegt und später den Eltern wieder untergeschoben. Mit Erfolg.
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Bild 1 von 6. In diesem Ei steckte Arthur. Um bei gesundheitlichen Problemen des Kükens besser eingreifen zu können, wurde das Ei in den Brutkasten gelegt und mit einem Kunstei im Nest ersetzt. Obwohl Bartgeier zwei Eier legen, überlebt in den allermeisten Fällen nur ein Jungtier. Bildquelle: zVg/Natur- und Tierpark Goldau.
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Bild 2 von 6. Mascha und Hans – die Eltern von Arthur. Das Publikum vom Tierpark Goldau konnte Namensvorschläge einreichen. Bei der Endabstimmung hat sich eine Mehrheit für Arthur entschieden. Wahrscheinlich in Anlehnung an Arth-Goldau. Bildquelle: zVg/Natur- und Tierpark Goldau.
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Bild 3 von 6. Ein Bartgeier-Küken bei der Fütterung. Bildquelle: zVg/Natur- und Tierpark Goldau.
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Bild 4 von 6. Arthurs Partnerin Nina. Bildquelle: zVg/Natur- und Tierpark Goldau.
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Bild 5 von 6. Arthur ist noch ein Jungvogel. Erst mit 5 bis 7 Jahren werden Bartgeier geschlechtsreif. Die erste erfolgreiche Brut gelingt aber meist erst im Alter von 8 bis 9 Jahren. Bildquelle: zVg/Natur- und Tierpark Goldau.
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Bild 6 von 6. Das Zuhause von Arthur und Nina im Tierpark Goldau. Die Zuchtstation nimmt auch übers Jahr alle verletzten Tiere auf, pflegt sie und wildert sie wieder aus. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
Arthur heisst der Nachwuchs, den man nach 90 bis 100 Tagen zum Auswildern in einen Horst im Berggebiet bringen wollte.
Wir haben ein Weibchen, das sehr gut zu ihm passt.
Auf ein Leben in Freiheit muss Arthur nun jedoch verzichten. Im Gegensatz zur Zoowelt ist seine Genetik in den Alpen bereits gut vertreten. «Deshalb haben wir entschieden, Arthur doch nicht auszuwildern», sagt Pascal Marty, Kurator und Zoologischer Leiter des Tierparks Goldau.
Blick in den Bartgeierhorst im Natur- und Tierpark Goldau
Er bleibt dem Tierpark als Zuchtvogel erhalten. Und eine Partnerin gibt es auch. «Wir haben ein Weibchen, das sehr gut zu ihm passt», sagt Marty. Auch wenn Arthur noch jung ist, sind die beiden schon zusammen. Im Tierpark geht man davon aus, dass die Jungen von Arthur und Nina dann wieder ausgewildert werden können.
Melchsee-Frutt hat drei neue Einwohner
Arthur, der eigentliche König der Lüfte, bleibt also in Gefangenschaft. Trotzdem leben in den Schweizer Alpen drei neue Bartgeier. Gaia, Paradiso und Aurora. Sie stammen aus Zoos oder Zuchtprogrammen in Österreich, Frankreich und Spanien.
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Bild 1 von 12. Die Bartgeier Finja und Fredueli 2018 auf dem Weg in die Freiheit. Sie werden von der Tannalp zur Auswilderungsnische am Huetstock getragen. Bildquelle: Keystone/Severin Bigler.
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Bild 2 von 12. Seit der Bartgeier in der Schweiz wieder angesiedelt wurde, sind über 230 junge, in Zoos geschlüpfte Bartgeier ausgesetzt worden, davon 15 vom Natur- und Tierpark Goldau. Bildquelle: zVg/Marco Leisi, Stiftung pro Bartgeier.
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Bild 3 von 12. Ein Bartgeier wiegt fünf bis sieben Kilo. Er ist die grösste Brutvogelart der Alpen und übertrifft sogar den Steinadler. Bildquelle: Keystone/Alexandra Wey.
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Bild 4 von 12. Der Fuss eines Bartgeiers besteht aus drei Vorderzehen und einem Hinterzehen. Im Vergleich zum Adler, der bis zu 9 Zentimeter lange Krallen hat, sind die Krallen des Bartgeiers eher stumpf und kurz, denn er muss keine Beutetiere töten. Auf seinem Speiseplan steht Aas mit einer Vorliebe für Knochen. Bildquelle: Keystone/Severin Bigler.
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Bild 5 von 12. Damit die Bartgeier beim Wiegen und Markieren ruhig bleiben, wird ihnen eine Art Mütze aufgesetzt. Bildquelle: Keystone/Severin Bigler.
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Bild 6 von 12. Tierarzt Dr. Martin Wehrle bleicht 2018 Bargeier Finja einzelne Federn im Natur- und Tierpark Goldau. Mit ihrem Auswilderungsprojekt fördert die «Stiftung Pro Bartgeier» die Wiederansiedlung dieses Greifvogels in den Schweizer Alpen. Bildquelle: Keystone/.
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Bild 7 von 12. 2018 werden Bartgeier Fredueli zur Identifikation die Federn gebleicht. Bildquelle: Keystone/Severin Bigler.
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Bild 8 von 12. Franziska Lörcher (l.) und Daniel Hegglin von der «Stiftung Pro Bartgeier». Sie platzieren 2018 den Bartgeier Fredueli in der Auswilderungsnische am Huetstock nahe Melchsee-Frutt. Bildquelle: Keystone/Severin Bigler.
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Bild 9 von 12. Nach der Auswilderung Ende Mai oder Anfangs Juni sitzen die noch nicht flugfähigen Junggeier meist zwei bis drei Wochen in der Auswilderungsnische, wo sie noch gefüttert werden. Bildquelle: Keystone/Alexandra Wey.
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Bild 10 von 12. Paradiso kann nach der Auswilderung 2024 die Welt von oben sehen. Ein Bartgeier hat eine Flügelspannweite bis zu drei Metern. Bildquelle: zVg Hansruedi Weyrich.
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Bild 11 von 12. Gaia ist einer von drei Bartgeiern, die 2024 in die Freiheit entlassen wurden. Bildquelle: zVg Hansruedi Weyrich.
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Bild 12 von 12. Aurora ist nach der Auswilderung 2024 auch abgehoben. Bildquelle: zVg Hansruedi Weyrich.
Bevor sie in der Schweiz ausgewildert wurden, stattete sie der Tierpark Goldau mit GPS-Sendern aus. Auch ihre Flügel hat man markiert, sodass sie im Flug zu erkennen sind. Ihre neue Heimat ist in der Region Melchsee-Frutt. Da hat man sie in die Freiheit entlassen. Selbständig ist ein Bartgeier erst, wenn er anfängt zu fliegen. Bis der ausgewilderte Vogel flügge ist, wird er im Horst noch vom Menschen der Stiftung pro Bartgeier gefüttert.
Im Frühling, wenn der Schnee schmilzt, kommen genügend tote Tiere zum Vorschein
Bartgeier, die flügge sind und sich nach der Auswilderung selbständig versorgen, das sei nicht überall möglich. Es gebe beispielsweise Orte in Frankreich, wo man den Jungtieren tote Huftiere hinlegen muss, um sie zu füttern, erklärt Marty.
Bartgeier gesichtet?
In der Schweiz ist das nicht nötig. «Im Frühling, wenn der Schnee schmilzt, kommen genügend tote Tiere zum Vorschein», sagt Pascal Marty. In anderen Ländern ist das teilweise noch nicht so, weil junge Bartgeier in der Natur zu wenig Futter finden. Der Grund: Gewisse Bestände von potenziellen Beutetieren müssen sich noch erholen.
Gestörtes Gleichgewicht in der Natur
Das Gleichgewicht in der Natur funktioniere noch nicht so, wie es einmal war. «Deshalb braucht es den genetischen Austausch mit Bartgeiern aus verschiedenen Regionen», so Marty. Irgendwann klappe es vielleicht, dass die Bartgeier-Populationen zwischen den Alpen und den Pyrenäen wieder selbständig zirkulieren könnten. Das würde der gesamten Population in Europa helfen.
Bis es so weit ist, geht es jedoch noch lange. Deshalb muss Arthur jetzt im Tierpark Goldau für die genetische Vielfalt unter den europäischen Bartgeiergruppen sorgen.