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Bytes/Pieces Sind Schweizer Festivals eine Männerzone?

Nur rund 15 % aller Acts sind dieses Jahr an Schweizer Festivals weiblich. Nur: Warum? Will das Festivalpublikum vielleicht keine Musikerinnen sehen und hören? Machen Frauen seltener Musik? Oder werden sie schlicht und einfach nicht gebucht? Bytes/Pieces hat ermittelt.

Die Analyse*

Wir haben die Line-ups von fünf grossen Schweizer Festivals unter die Lupe genommen: Greenfield Festival, Open Air St. Gallen, Openair Frauenfeld, Paléo Festival und Gurtenfestival. Und zwar nicht nur in diesem Jahr, sondern, weil uns die Veränderung des Frauenanteils über die Zeit interessiert, in drei verschiedenen Jahren: 2008, 2013 und 2018.

Die Ergebnisse

Ausgewertet haben wir auf zwei verschiedene Arten:

1. Nach Anzahl Musikerinnen

2008 waren 7 % aller Personen an den von uns untersuchten Festivals weiblich. 2018 ist dieser Anteil auf knappe 10 % angestiegen, also ein Zuwachs von 3 Prozentpunkten. Der Anteil Musikerinnen am Greenfield Festival betrug dieses Jahr 2 %, am Openair Frauenfeld 10 %, am Open Air St. Gallen 11 %, am Gurtenfestival 12 % und am Paléo 13 %.

2. Nach Anzahl Frauenbands

2008 waren in 10 % aller Bands Frauen in der Mehrheit (50 Prozent oder mehr). Zehn Jahre später beträgt der Anteil der Frauen-Acts 15 % – ein Wachstum um nur 5 Prozentpunkte. Die meisten Frauen-Acts hatte dieses Jahr das Gurtenfestival mit «stolzen» 24 %, Schlusslicht bildet das Greenfield mit 0 %. (Paléo 19 %, St. Gallen 18 %, Frauenfeld 12 %). Mit der Auswertung nach Frauen- respektive Männerbands haben wir übrigens im Video gearbeitet.

Woran liegt’s denn nun?

Soweit, so bekannt (und so traurig). Aber woran liegt es denn nun, dass Frauen auf Schweizer Festivalbühnen dermassen in der Minderheit sind? Wir sehen da zwei Möglichkeiten:

1. Es gibt tatsächlich weniger Musikerinnen als Musiker

  • Weil sie in der Schule und von den Eltern nicht gefördert werden?
  • Weil sie sich keine Chance auf eine Karriere als Musikerin ausrechnen?
  • Weil sie keine Vorbilder haben?
  • Weil sie gefangen sind in gesellschaftlichen Stereotypen und Erwartungen (Mädchen sollen gut aussehen, Jungs etwas gut können)?
  • Weil eine Karriere als Musikerin nur schlecht mit einer Familie vereinbar ist?
  • Weil sie durch das Publikum anders (und härter) beurteilt werden als Männer («Die ist ja gar nicht mal so schlecht für eine Frau»)?

2. Frauen werden seltener gebucht

  • Weil sie weniger Geld einbringen als Musiker?
  • Weil die Musikindustrie immer noch ein Boys-Club ist und Männer – absichtlich oder unabsichtlich – Männer unterstützen?
  • Weil das Publikum Männerbands bevorzugt?
  • Weil Frauen eher musikalische Nischen bedienen, die Booker nicht auf dem Schirm haben oder die nicht festivaltauglich sind (Singer-Songwriterinnen, Harfenistinnen)?
  • Weil Frauen sich selber schlechter vermarkten?

Und was machen wir jetzt damit?

Lässt sich das Problem mit einer Quote lösen? Braucht es Mädchenförderung im Kindesalter? Oder sollen wir einfach chillen und warten, bis sich das Problem in 70 Jahren endlich selber löst? Dann haben wir nämlich endlich einen Frauenanteil von 50 Prozent auf Schweizer Festivalbühnen, wenn es in diesem Tempo weitergeht! Teile uns deine Meinung in einem Kommentar mit. Wir haben uns auch bereits mit dem Thema Quote auseinandergesetzt:

*Erklärung zur Analyse

Wir haben die Mitglieder von insgesamt 762 Bands analysiert und in die Kategorien «männlich», «weiblich» und «sonstige» eingeteilt. Das Label «sonstige» haben wir dann vergeben, wenn sich eine Person nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen lässt oder kein erkennbares Geschlecht hat, weil sie zum Beispiel maskiert auftritt.

Wir haben also ganz einfach gezählt, wie viele Mitglieder von Bands männlich und wie viele weiblich sind – und wie viele sich keiner von beiden Kategorien zuordnen lassen.

Anders vorgegangen sind wir bei Bands, die eine dominante Frontperson haben und nach dieser Frontperson benannt sind – zum Beispiel bei Anna Känzig, Sophie Hunger oder Bastian Baker. Bei diesen Bands haben wir ausschliesslich das Geschlecht der Frontperson notiert und den Rest der Band ignoriert. Ansonsten wäre Anna Känzig – weil sie ausschliesslich männliche Musiker angestellt hat – als Männerband erfasst worden, obwohl auf dem Line-up ein Frauenname steht.

Die unklaren Fälle

3.6 Prozent aller Bands konnten wir nicht klar auszählen und zuordnen, zum Beispiel, weil sie eine ständig wechselnde Besetzung haben. Auf die Auswertung dieser Bands haben wir verzichtet.

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