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Politischer Rück- und Ausblick Frauen müssen länger arbeiten und wir haben neue Bundesrät:innen

Es sind politisch einige Dinge entschieden worden, die auch uns direkt betreffen. Wir schauen einerseits zurück aufs Politikjahr und wollen auch wissen, was 2023 so ansteht.

Wir hatten insgesamt drei nationale Abstimmungen und auch im Bundeshaus in Bern hat sich einiges getan. Einige der Vorlagen, die die stimmberechtigte Bevölkerung angenommen hatte, wurden besonders intensiv diskutiert. So zum Beispiel die AHV-Reform.

Es war ein knapper Entscheid an der Wahlurne mit 50.6 Prozent Ja-Anteil. Nun müssen Frauen in der Schweiz künftig bis 65 statt wie bisher bis 64 arbeiten. Im Mai wurde zudem noch über das Transplantationsgesetz abgestimmt. Gut 60 Prozent sagten Ja zur Vorlage und somit wurde das System der Organspende in der Schweiz quasi umgekehrt.

Vor diesem Wahlentscheid mussten Menschen bewusst «Ja» sagen, wenn sie ihre Organe nach dem Tod spenden wollten. Jetzt sind quasi alle Menschen Organspender:innen. Wer aber wirklich nicht spenden will, kann das tun, muss das aber in irgendeiner Form wie zum Beispiel in einer Datenbank schriftlich festhalten.

Heiss diskutiert, aber abgelehnt

Im Mai ging es darum, ob sich die Schweiz finanziell an der Frontex beteiligen soll. Das ist die EU-Organisation für Grenzschutz und Küstenwache. Besonders in Schweizer Grossstädten wurde intensiv dagegen demonstriert, weil publik wurde, dass immer wieder Migrant:innen illegal mit sogenannten Pushbacks an die EU-Aussengrenze zurückgewiesen wurden.

71.5 Prozent der Stimmbürger:innen sagten Ja zur Finanzierung und somit beteiligt sich die Schweiz finanziell an der Organisation – ganz zum Ärger der Demonstrierenden. Die Massentierhaltungsinitiative wurde auch heftig debattiert und dann doch deutlich abgelehnt. Wäre sie angenommen worden, wären beispielsweise statt 18'000 maximal 4000 Hühner pro Stall erlaubt gewesen.

Zwei neue Faces in der Landesregierung

Im Dezember hat der Bundesrat zwei neue Mitglieder erhalten. Besonders die Wahl von Elisabeth Baume-Schneider aus dem Kanton Jura war eine Überraschung. Sie galt nicht als Favoritin für die Nachfolge von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Viele hatten auf die Basler SP-Politikerin Eva Herzog gesetzt und ihr bessere Wahlchancen eingeräumt.

Einige Medien hatten gesagt, Eva Herzog sei passender als Staatsfrau, Elisabeth Baume-Schneider dafür charmanter. Baume-Schneider sagte dazu: «Sie haben immer gedacht, ich sei nur charmant. Also, ich bin sicher charmant. Aber ich kann wirklich sehr ernst arbeiten.» Gewählt wurde zudem Albert Rösti von der SVP als Nachfolger seines Parteikollegen Ueli Maurer.

Apropos: An seiner Rücktrittspressekonferenz in Bern sagte Maurer über seine mögliche Nachfolge: «Ein Mann oder eine Frau ist mir egal, solange meine Nachfolge kein ‹Es› ist.» Die Aussage kam vor allem in der queeren Community und bei trans Personen gar nicht gut an. Ueli Maurer selbst sagte später, er habe bewusst provozieren wollen.

Corona ging und der Krieg kam

Im Februar wurden die meisten Corona-Massnahmen aufgehoben. Ebenfalls im Februar diskutierte Bundesbern während einer Dringlichkeitsdebatte im Parlament intensiv über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Putin hatte entschieden, am 24. Februar eine Invasion im Nachbarland zu beginnen.

Wir bleiben im Parlament. In den Sessionen im Frühling, im Sommer, im Herbst und im Winter diskutierten die Nationalrät:innen und Ständerät:innen über viele neue Gesetze und Vorlagen. Zum Beispiel sprach sich der Nationalrat mit 99 Stimmen für die «Ja heisst Ja»-Lösung aus.

Sex also nur noch mit expliziter Zustimmung und consent . Nun geht das Geschäft in den Ständerat. Dieser ist aber vorsichtiger und unterstützt eher die «Nein ist Nein»-Lösung. Sex wäre also nur strafbar, wenn eine Person explizit «Nein» dazu gesagt hat.

Hin und her beim Stimmrecht ab 16 Jahren

Was in diesem Jahr auch gerade noch die politische Kurve gekratzt hat, ist das schweizweite Stimmrecht ab 16 Jahren. Eine Kommission (Facharbeitsgruppe im Parlament) wollte die Idee eigentlich abschreiben, nachdem der Nationalrat die Idee eigentlich als für gut befunden hatte.

Also musste der Nationalrat ein zweites Mal mit der Idee befassen und entschied, die Idee nicht fallen zu lassen. Jetzt ist die Idee erneut in dieser Kommission, die nun ein Gesetz ausarbeiten muss, sodass die Stimmbürger:innen irgendwann in einer Volksabstimmung über den Gesetzesentwurf entscheiden können.

Wer gewinnt die Wahlen im neuen Jahr?

Das wohl wichtigste politische Ereignis werden die Wahlen im Herbst sein. Am 22. Oktober 2023 wählen die Stimmbürger:innen in der Schweiz einen neuen National- und Ständerat – also das Parlament, das die Gesetze für die nächsten vier Jahre machen wird.

Welche Partei passt zu dir?

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Je nach Wohnkanton gibt es unterschiedlich viele Nationalrät:innen, die ihr wählen könnt. Dabei könnt ihr auch mehrere Kandidierende verschiedener Parteien wählen. Wie das genau geht, seht ihr hier .

Ganz einfach geht das mit Tools und Apps, bei denen ihr zuerst einen Fragebogen ausfüllt und anhand eurer Antworten dann die für euch geeignetesten Kandidat:innen angezeigt werden.

Auf parteikompass.ch oder smartvote.ch (für die Wahlen im Herbst ist noch keine Umfrage verfügbar) könnt ihr beispielsweise einen solchen Fragebogen ausfüllen.

Für eine messerscharfe Analyse, welche der Parteien wohl das Rennen machen wird, ist es noch zu früh. Die heisse Phase des Wahlkampfes beginnt nämlich erst im neuen Jahr. In vielen Kantonen sind die Parteien derzeit damit beschäftigt, die passenden Kandidat:innen auszusuchen, mit denen sie in den Wahlkampf gehen wolllen.

Es gibt aber bereits einen Wahlbarometer, der untersucht hat, wie es aussehen würde, wenn ein Jahr vor den offiziellen Wahlen gewählt worden wäre. Laut dieser Wahlumfragen verlieren die Grünen deutlich, die SP und die SVP leicht und die FDP und die Grünliberalen legen zu.

Was steht politisch sonst noch so an?

Im nächsten Jahr wird es wahrscheinlich nur zwei statt wie üblich vier nationale Abstimmungssonntage geben, an denen über Initiativen oder neue Gesetze entschieden wird. Das hat damit zu tun, dass am Wahlsonntag, wenn neue Leute ins Parlament gewählt werden, keine neuen Gesetze beschlossen werden.

Neue Gesetze wie mehr Rechte für trans Menschen

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Luca Morreale und Stefano Perfetti feiern ihre Umwandlung der eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe.
Legende: Luca Morreale und Stefano Perfetti waren die ersten in der Stadt Zürich. Sie feiern vor dem Standesamt ihre Umwandlung der eingetragenen Partnerschaft in eine Ehe. Keystone/Ennio Leanza (1. Juli 2022)

Bis Ende 2022 sind lauter neue Gesetze in Kraft getreten, die für die Menschen in der Schweiz neue Rechte und Pflichten bedeuten. Hier kommen die sechs Wichtigsten.

1. Ehe für alle

Seit dem 1. Juli ist das Gesetz «Ehe für alle» in Kraft, das das Schweizer Stimmvolk im Herbst 2021 mit rund 64 Prozent Ja-Stimmen angenommen hatte. Nun können gleichgeschlechtliche Paare heiraten oder ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln.

Mit der «Ehe für alle» können gleichgeschlechtliche Paare in der Schweiz nun ein Kind adoptieren und auch eine erleichterte Einbürgerung ist nun möglich.

2. Mehr Rechte für trans Menschen

Trans Menschen können neu den Vornamen und das zugewiesene Geschlecht im Personenstandsregister schneller und unbürokratischer ändern lassen. Für Personen, die 16 Jahre oder älter sind, reicht eine einfache Erklärung aus. Die Änderung des Eintrags kostet 75 Franken.

3. Neue Klimagesetze

Unternehmen und Personen, die Autos importieren, müssen nun auch für die klimaschädlichsten Autos eine Strafe zahlen. Nämlich dann, wenn der CO₂-Zielwert verfehlt wird. Vorher konnten sie während einer Übergangsphase einen Teil ihrer Personen-, Lieferwagen und auch einiger Sattelschlepper von der CO₂-Prüfung ausschliesen lassen. Eine weitere Neuerung in Sachen Klimaschutz ist, dass Chemiefirmen nun den Lachgasausstoss reduzieren müssen.

4. Grundversicherung deckt Psychotherapien

Jetzt werden die Honorare für Psychotherapie von selbstständigen Psychotherapeuten übernommen, wenn Ärzt:innen eine solche Therapie verschreiben. Vorher war das anders: Ambulante Psychotherapien wurden nur dann von der Grundversicherung übernommen, wenn sie von Psychiater:innen durchgeführt wurden. Die neue Situation bedeutet eine viel grössere Auswahl an Therapieplätzen und somit auch kürzere Wartezeiten für einen Therapieplatz.

5. Kroat:innen dürfen in der Schweiz arbeiten

Das liegt daran, dass die Schweiz eine Sonderregelung nach einer Übergangsfrist beendet. Dabei geht es um die Personenfreizügigkeit. Übersteigt aber die Zuwanderung von Personen aus Kroatien einen bestimmten Schwellenwert, dürfte der Bund auf eine Schutzklausel zurückgreifen und die Zahl der Bewilligungen wieder begrenzen. Eine solche Begrenzung wäre aber nur bis Ende 2026 möglich.

6. Neue Gesetze für den Tierschutz

Es geht dabei um neue Schlachtmethoden, bei denen das Leiden der Tiere gelindert und so auch weniger Stress verursacht werden soll. So gibt es zum Beispiel neue Richtlinien für die Schlachtung von Fischen und Panzerkrebsen. Geflügel und Truthähne sollen mit sanfteren Gasgemischen getötet werden – statt wie bisher mit CO₂.

Das war zumindest in den letzten 30 Jahren so. Weiter hat der Bund in einer Medienmitteilung geschrieben, dass am 12. März 2023, der eigentlich für einen Abstimmungstag vorgesehen gewesen wäre, auf nationaler Ebene keine Abstimmungen stattfinden sollen.

Laut politikwissenschaftlicher Annahmen soll so verhindert werden, dass die Parteien fürs Wahljahr zu viele Initiativen lancieren, um sich so besser im Wahlkampf positionieren zu können. Zudem werden ihre Kassen für den Wahlkampf ohnehin stark strapaziert werden und es gibt daher weniger Mittel, um für Abstimmungsparolen zu werben.

Can Külahcigil

Redaktor und Produzent

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Bundesbern, europäische Politik und soziale Bewegungen wie #BlackLivesMatter sowie Diversity ganz allgemein gehören zu seinen journalistischen Dossiers.

Er war einst auch bei SRF Virus und produzierte unter anderem den Podcast «Die Beichte» . Nun ist er aber bei den Nachrichten zu Hause. Du hörst ihn und viele andere aus dem SRF Newsroom im «Virus Nachrichtencheck».

Can ist auch auf Instagram , Twitter oder Tik Tok .

SRF Virus, 21. Dezember 2022, 08:00 Uhr

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