Wir hatten insgesamt drei nationale Abstimmungen und auch im Bundeshaus in Bern hat sich einiges getan. Einige der Vorlagen, die die stimmberechtigte Bevölkerung angenommen hatte, wurden besonders intensiv diskutiert. So zum Beispiel die AHV-Reform.
Es war ein knapper Entscheid an der Wahlurne mit 50.6 Prozent Ja-Anteil. Nun müssen Frauen in der Schweiz künftig bis 65 statt wie bisher bis 64 arbeiten. Im Mai wurde zudem noch über das Transplantationsgesetz abgestimmt. Gut 60 Prozent sagten Ja zur Vorlage und somit wurde das System der Organspende in der Schweiz quasi umgekehrt.
Vor diesem Wahlentscheid mussten Menschen bewusst «Ja» sagen, wenn sie ihre Organe nach dem Tod spenden wollten. Jetzt sind quasi alle Menschen Organspender:innen. Wer aber wirklich nicht spenden will, kann das tun, muss das aber in irgendeiner Form wie zum Beispiel in einer Datenbank schriftlich festhalten.
Heiss diskutiert, aber abgelehnt
Im Mai ging es darum, ob sich die Schweiz finanziell an der Frontex beteiligen soll. Das ist die EU-Organisation für Grenzschutz und Küstenwache. Besonders in Schweizer Grossstädten wurde intensiv dagegen demonstriert, weil publik wurde, dass immer wieder Migrant:innen illegal mit sogenannten Pushbacks an die EU-Aussengrenze zurückgewiesen wurden.
71.5 Prozent der Stimmbürger:innen sagten Ja zur Finanzierung und somit beteiligt sich die Schweiz finanziell an der Organisation – ganz zum Ärger der Demonstrierenden. Die Massentierhaltungsinitiative wurde auch heftig debattiert und dann doch deutlich abgelehnt. Wäre sie angenommen worden, wären beispielsweise statt 18'000 maximal 4000 Hühner pro Stall erlaubt gewesen.
Zwei neue Faces in der Landesregierung
Im Dezember hat der Bundesrat zwei neue Mitglieder erhalten. Besonders die Wahl von Elisabeth Baume-Schneider aus dem Kanton Jura war eine Überraschung. Sie galt nicht als Favoritin für die Nachfolge von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga. Viele hatten auf die Basler SP-Politikerin Eva Herzog gesetzt und ihr bessere Wahlchancen eingeräumt.
Einige Medien hatten gesagt, Eva Herzog sei passender als Staatsfrau, Elisabeth Baume-Schneider dafür charmanter. Baume-Schneider sagte dazu: «Sie haben immer gedacht, ich sei nur charmant. Also, ich bin sicher charmant. Aber ich kann wirklich sehr ernst arbeiten.» Gewählt wurde zudem Albert Rösti von der SVP als Nachfolger seines Parteikollegen Ueli Maurer.
Apropos: An seiner Rücktrittspressekonferenz in Bern sagte Maurer über seine mögliche Nachfolge: «Ein Mann oder eine Frau ist mir egal, solange meine Nachfolge kein ‹Es› ist.» Die Aussage kam vor allem in der queeren Community und bei trans Personen gar nicht gut an. Ueli Maurer selbst sagte später, er habe bewusst provozieren wollen.
Corona ging und der Krieg kam
Im Februar wurden die meisten Corona-Massnahmen aufgehoben. Ebenfalls im Februar diskutierte Bundesbern während einer Dringlichkeitsdebatte im Parlament intensiv über den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Putin hatte entschieden, am 24. Februar eine Invasion im Nachbarland zu beginnen.
Wir bleiben im Parlament. In den Sessionen im Frühling, im Sommer, im Herbst und im Winter diskutierten die Nationalrät:innen und Ständerät:innen über viele neue Gesetze und Vorlagen. Zum Beispiel sprach sich der Nationalrat mit 99 Stimmen für die «Ja heisst Ja»-Lösung aus.
Sex also nur noch mit expliziter Zustimmung und consent . Nun geht das Geschäft in den Ständerat. Dieser ist aber vorsichtiger und unterstützt eher die «Nein ist Nein»-Lösung. Sex wäre also nur strafbar, wenn eine Person explizit «Nein» dazu gesagt hat.
Hin und her beim Stimmrecht ab 16 Jahren
Was in diesem Jahr auch gerade noch die politische Kurve gekratzt hat, ist das schweizweite Stimmrecht ab 16 Jahren. Eine Kommission (Facharbeitsgruppe im Parlament) wollte die Idee eigentlich abschreiben, nachdem der Nationalrat die Idee eigentlich als für gut befunden hatte.
Also musste der Nationalrat ein zweites Mal mit der Idee befassen und entschied, die Idee nicht fallen zu lassen. Jetzt ist die Idee erneut in dieser Kommission, die nun ein Gesetz ausarbeiten muss, sodass die Stimmbürger:innen irgendwann in einer Volksabstimmung über den Gesetzesentwurf entscheiden können.
Wer gewinnt die Wahlen im neuen Jahr?
Das wohl wichtigste politische Ereignis werden die Wahlen im Herbst sein. Am 22. Oktober 2023 wählen die Stimmbürger:innen in der Schweiz einen neuen National- und Ständerat – also das Parlament, das die Gesetze für die nächsten vier Jahre machen wird.
Für eine messerscharfe Analyse, welche der Parteien wohl das Rennen machen wird, ist es noch zu früh. Die heisse Phase des Wahlkampfes beginnt nämlich erst im neuen Jahr. In vielen Kantonen sind die Parteien derzeit damit beschäftigt, die passenden Kandidat:innen auszusuchen, mit denen sie in den Wahlkampf gehen wolllen.
Es gibt aber bereits einen Wahlbarometer, der untersucht hat, wie es aussehen würde, wenn ein Jahr vor den offiziellen Wahlen gewählt worden wäre. Laut dieser Wahlumfragen verlieren die Grünen deutlich, die SP und die SVP leicht und die FDP und die Grünliberalen legen zu.
Was steht politisch sonst noch so an?
Im nächsten Jahr wird es wahrscheinlich nur zwei statt wie üblich vier nationale Abstimmungssonntage geben, an denen über Initiativen oder neue Gesetze entschieden wird. Das hat damit zu tun, dass am Wahlsonntag, wenn neue Leute ins Parlament gewählt werden, keine neuen Gesetze beschlossen werden.
Das war zumindest in den letzten 30 Jahren so. Weiter hat der Bund in einer Medienmitteilung geschrieben, dass am 12. März 2023, der eigentlich für einen Abstimmungstag vorgesehen gewesen wäre, auf nationaler Ebene keine Abstimmungen stattfinden sollen.
Laut politikwissenschaftlicher Annahmen soll so verhindert werden, dass die Parteien fürs Wahljahr zu viele Initiativen lancieren, um sich so besser im Wahlkampf positionieren zu können. Zudem werden ihre Kassen für den Wahlkampf ohnehin stark strapaziert werden und es gibt daher weniger Mittel, um für Abstimmungsparolen zu werben.