Während einer Meditation stellt sich Simone vor, wie sich ihr Herz öffnet und eine Energie von aussen in sie hineinfliesst. Sie findet so spannend, was in ihr vorgeht, dass sie nicht mehr aus der Meditation herauskommen will. Doch im Nachhinein fühlt sie sich fiebrig-krank, ihr ist abwechslungsweise heiss und kalt. Was im ersten Moment harmlos klingt, ist der Anfang ihrer Wahnvorstellungen.
Ich dachte, ich sei die Auserwählte, dass die Welt aber noch nicht bereit sei für all das Wissen, das ich jetzt habe.
An ihre erste Wahnvorstellung erinnert sich die 33-Jährige noch genau: «Ich bin in den fünf Elementen gestorben. Ich habe gespürt, wie ich verbrenne, erfriere, ersticke, mich kristallisiere und in der Erde einging.» Daraufhin kontaktiert sie zwei Kolleginnen, die beide in Pflegeberufe tätig sind. Sie merken sofort, dass Simone eine Psychose hatte und stellen sie vor die Wahl: Entweder geht sie freiwillig ins Spital oder sie rufen die Polizei. Sie entscheidet sich für ersteres und wird von der Ambulanz abgeholt. Während der ganzen Zeit sagt sie aber kein Wort, denn: «Ich dachte, die Welt sei noch nicht bereit für all das Wissen, das ich jetzt habe. Deshalb habe ich einfach geschwiegen.»
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Ihr Vorbild: Martin Luther King
Sie ist sich sicher, «die Auserwählte» zu sein. «Ich hielt mich für die Prophetin des Wassermannzeitalters. Ich dachte, ich sei wie Jesus im astrologischen Fischzeitalter, jetzt halt einfach als weibliche Prophetin», erzählt sie. Schon als Kind wollte Simone auf dieser Welt etwas bewegen, ihr grosses Vorbild war Martin Luther King. «Als ich dann das Gefühl dieser Prophetin hatte, war es einerseits eine unglaubliche Last, aber gleichzeitig auch das Schönste, was einem Menschen passieren kann: Auserwählt zu sein.»
Der manisch-psychotische Zustand dauert etwa vier Monate an, dann fällt sie in eine schwere Depression: Sie schläft 18 Stunden am Tag, ist antriebslos, hat Suizidgedanken. Ein Jahr ist sie in der Klinik und erhält Medikamente.
Alles, was ich in der Zwischenzeit aufgebaut habe, geht wieder kaputt.
Als es ihr besser geht, reduziert sie diese – unter Aufsicht ihres Psychiaters. Doch schon nach ein paar Tagen drehen sich die Gedanken in ihrem Kopf wieder und sie erleidet einen Rückfall. Innerhalb von sechs Jahren hat Simone drei psychotische Episoden, alle dauern etwa ein Jahr an, abwechselnd vom manisch-psychotischen Zustand in eine Depression. Jedes Mal ist sie für ein Jahr in der Klinik, jedes Mal wird sie aus dem Leben gerissen: «Ich musste jedes Mal wieder von vorne anfangen.»
Ein fast normaler Alltag
Heute geht es ihr besser. Sie bewältigt ihren Alltag alleine, geht aber einmal pro Woche zur Therapie. Zudem nimmt sie weiterhin ihre Medikamente und möchte diese momentan auch nicht absetzen: «Ich bin bereit, den Rest meines Lebens Medikamente zu nehmen, wenn ich dafür das nie mehr durchmachen muss», sagt Simone.
Ihr letzter Klinikaufenthalt ist erst ein paar Monate her und sie wünscht sich, irgendwann wieder in einem kleinen Pensum arbeiten zu können. Zudem sieht sie sich als Mental Health Activist, indem sie ihre Erfahrungen mit psychischer Erkrankung weitergibt und die Gesellschaft darauf sensibilisieren möchte: «Diese Aufgabe gibt mir etwas, das mich am Leben hält und sinnstiftend ist.»