Mit Rückenschmerzen kennt sich Sophia aus. Seit ihrem zehnten Lebensjahr plagt sich die 23-Jährige damit herum, zur Ruhe kommt sie selten. Als sie sich das erste Mal darüber beklagt, wird die Diagnose voreilig getroffen: Hexenschuss. Die Schmerzen werden behandelt und vergehen mit der Zeit auch wieder.
Drei Jahre später wiederholt sich das Ganze aber erneut. Sophia, mittlerweile 13-jährig, kann die Schmerzen kaum noch ertragen. Sie muss mit dem Unihockeyspielen aufhören – sie galt als Nachwuchshoffnungstalent. Mit diesem Rückschlag beginnt für die Bernerin das Abrutschen aus dem gewohnten Umfeld.
«Ich bin damals in die falschen Kreise geraten», meint sie. Sie verliert den Kontakt mit ihren Unihockeyfreunden und beginnt mit dem Konsum von Alkohol und Cannabis. Immer später am Abend kommt sie nach Hause und bereitet vor allem ihrer Mutter Kummer.
Schulische Probleme häufen sich
Auch in der Schule geht es bergab. Sophia schwänzt oft den Unterricht, raucht auf der Schultoilette und leistet sich andere Vergehen. «Das Schlimmste, das ich getan habe, war das Zünden eines Böllers auf der Toilette.»
Auch die Gespräche mit dem Schuldirektor fruchten nicht. Sie ist überzeugt: «Hätte ich weiterhin Unihockey spielen können, wäre mein Fokus auch bei schulischen Aspekten ein ganz anderer gewesen.»
Erst später trifft sie auf einen Lehrer, der an sie glaubt. Denn das ist eigentlich das Grundproblem. «Ich wurde immer nur für meine Taten bestraft. Dass mir irgendjemand Verständnis entgegenbringt, war reine Utopie.»
Es hat mich überrascht, dass ich mich in einem solch jungen Alter einer Operation unterziehen musste.
Mit 19 ist Sophia mittlerweile in ihrer Lehre als Kleinkinderzieherin angekommen. Dann kommt aber der Schock. Sie wacht auf und spürt ihre Beine nicht mehr. Mit Müh und Not schafft sie es ins Spital, wo ihr Gespür auch langsam wiederkommt.
Die Diagnose ist fatal: Bandscheibenvorfall. Die Operation unumgänglich. «Mir war bewusst, dass der Moment irgendwann einmal kommen wird, da auch beide Eltern am Rücken schon operiert wurden. Doch dass es so früh schon der Fall ist, hat mich sehr überrascht.»
Sie trifft zunehmend gute Entscheidungen
Die Wahrscheinlichkeit, dass es ihr nach der Operation besser geht, ist sehr hoch. Doch zwei Monate später bückt sie sich kurz und kriegt prompt einen Schlag ins Rückenmark. Auf starken Schmerzmitteln geht sie dennoch für zehn Tage in die Ferien.
Der Arzt macht grosse Augen, als er sie nach der Rückkehr untersucht. Die bereits operierten Bandscheiben sind wieder entzündet, die Narbe eitert. Für den Fachmann ist es ein Wunder, dass Sophia diese Schmerzen so lange aushielt.
Ich bin psychisch sehr stabil!
Die Kleinkinderzieherin wird ein zweites Mal operiert. Die Schmerzen nehmen ab, ganz weg sind sie jedoch nie. Die Folge dieses Leidensweges ist eine dritte Operation. Dort werden ihr im Jahr 2018 zwei Bandscheiben künstlich ersetzt. Und nun – angekommen im Jahr 2020 – steht ihr eine nächste Bandscheibenerneuerung bevor.
«Langsam habe ich genug von den Operationen.» Doch Sophia lässt sich nicht unterkriegen. «Ich bin psychisch sehr stabil. Es macht keinen Sinn, dass ich mir zu viele Gedanken darüber mache. Denn ändern kann ich eh nichts daran.»
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Der Zukunft blickt sie mutig entgegen: Sophia will ihr Studium beenden, um danach im Jugendgefängnis arbeiten zu können. Dort kann sie Jugendlichen, die auf die falsche Bahn geraten sind, das geben, was ihr so gefehlt hat. «Ich möchte mit Verständnis den Leuten helfen, ihre Fehler aufzuarbeiten. Ich will sie auf einen guten Pfad führen, damit sie selbstständig die richtigen Entscheidungen treffen können.»