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«Ich war erst 14, als ich einen Hirnschlag erlitt»
Aus Rehmann vom 20.09.2021.
abspielen. Laufzeit 47 Minuten 38 Sekunden.
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Rehmann «Ich war erst 14, als ich einen Hirnschlag erlitt»

30 Jahre nach seinem Hirnschlag erzählt Patric im Gespräch mit Robin Rehmann, wie er sich davon erholte und mit welchen Folgeschäden er bis heute zu kämpfen hat.

Nach seinem Hirnschlag kann Patric kaum reden. In den darauffolgenden 30 Jahren erreicht er jedoch Dinge, die damals noch undenkbar gewesen wären. «Wenn du denkst, dass es sowieso nicht besser wird, dann hast du schon verloren», ist sich der 44-Jährige sicher.

Zunächst Kopfschmerzen, dann halbseitig gelähmt

Die Vorstellung, dass nur ältere Personen einen Hirnschlag erleiden können, sei falsch, zeigt Patric auf. Theoretisch könne es sogar bei Säuglingen vorkommen. Ein höheres Lebensalter sei jedoch einer der Risikofaktoren.

Ein Hirnschlag kann jeden treffen.

Bei Patric geschieht es, als er 14 Jahre alt ist. «Nach dem Mittagessen bekam ich Kopfschmerzen, die immer schlimmer wurden», erinnert er sich. Der gebürtige Aargauer weiss nur noch, wie er mit dem Fahrrad in die Schule fährt. Dabei wird er irgendwann ohnmächtig. Im Kinderspital wissen die Ärzte zunächst nicht, was mit ihm los ist. Die Diagnose nach Untersuchungen ist erschreckend: ein Hirnschlag. «Damals wusste ich nicht, was ein Hirnschlag ist», räumt Patric ein. «In den ersten drei Tagen danach, konnte ich noch normal reden, kurz darauf war ich nicht mehr in der Lage zu sprechen, zu schlucken und die Augen zu schliessen. Ich war rechtsseitig gelähmt, mein ganzes Gesicht hing herunter.» Insgesamt neun Monate verbringt der 14-Jährige im Kinderspital.

Nichts ist wie zuvor

«Jedes Geräusch, das man beim Sprechen erzeugt, musste ich wieder lernen», erinnert er sich. «Wenn ich einen Buchstaben sah, wusste ich zwar, was er bedeutet, aber ich konnte ihn nicht aussprechen.» Beim Schreiben ist es genauso. Patric weiss damals, was er schreiben will, aber seine Hand kann es nicht umsetzen. Bis heute leidet er unter einer sogenannten Aphasie: Er kann klar denken, aber hat Probleme, seine Gedanken in Worte zu fassen. Dadurch entstehen oft lange Pausen. Trotzdem stellt er sich immer wieder neuen Herausforderungen. «Ich gebe mir selber immer Challenges», sagt Patric über sich selbst. Wie zum Beispiel das Interview für diesen Podcast, bei dem bereits Personen ohne diese Schwierigkeiten im Stress nach Worten suchen müssen.          

Am Anfang war ich frustriert, jetzt habe ich aber meinen Frieden gefunden.

In der Lehre lernt Patric seine Frau kennen. Mit ihr hat er drei Söhne. Mit seiner Familie zu reden, fällt dem heute 44-Jährigen leichter. Sobald es jedoch emotional schwierig wird, hat er mehr Mühe.

S.O.S. – Sick of Silence

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Wie sieht das Leben junger Menschen aus, nachdem es durch eine chronische Krankheit ausgebremst wurde? Robin Rehmann leidet selbst an einer chronischen Krankheit und unterhält sich in seiner Sendung mit Betroffenen.

Jeden Dienstag, 18-19 Uhr bei SRF Virus oder hier als Podcast.

Benachteiligung eines Frühinvaliden

Doch Patric hat noch mit anderen Schwierigkeiten zu kämpfen: «Ab 18 Jahren zahlt die IV die Therapien nicht mehr», klärt er auf. Es sei also ein Nachteil für ihn, dass er den Hirnschlag so früh bekommen hat und daher als frühinvalid gilt. Die IV-Rente sei für Frühinvalide tiefer als für Personen, die zum Zeitpunkt ihrer Krankheit bereits gearbeitet haben. Der IV-Bezüger arbeitet zu einem Vollpensum als Systemadministrator. «Mein Einkommen wäre etwa gleich hoch, wenn ich nicht arbeiten würde», sagt er ernüchternd. «Es ist frustrierend, dass die IV keine bessere Lösung dafür hat.»

Die Herausforderungen im Leben annehmen

«Ohne meinen Hirnschlag, stände ich vor weniger Herausforderungen», meint Patric. Für ihn sind sie Teil seiner Motivation und machen ihm teilweise sogar Spass. Er sagt von sich und seiner Familie, dass sie trotzdem glücklich in ihrem Leben seien.

Ich bin ein Mensch, der sich gerne Herausforderungen stellt.

Der Hirnschlag-Überlebende fand seinen Antrieb und Sinn ohne psychologische Betreuung und hatte, trotz der schwierigen Herausforderungen, immer eine positive Grundeinstellung. «Einfach weiter machen und alles auf einen zukommen lassen», war sein Gedanke. Heute macht er in seiner Freizeit sogar Kampfsport. Er sei sich aber bewusst, dass nicht jeder es schafft, nach einem Schicksalsschlag so zu denken. «Meine Geschichte beweist aber, dass es sich lohnt zu kämpfen und man sich den Herausforderungen im Leben stellen soll», sagt er ermutigend.

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