Was mir während der Dreharbeiten zu «Reporter» widerfuhr, kannte ich bis anhin nicht. Oder nicht in diesem Ausmass. Bei jedem Interview war mein Verständnis für die dargebrachten Standpunkte gross. Selbst wenn die Statements von Person B im Widerspruch zu jenen von A tags zuvor standen, leuchtete mir das Gesagte ein.
Wankelmut? Unsicherheit? Oder lag es ganz einfach am Thema? Die Frage, was wir mit dem Atommüll tun sollen, lässt sich nicht einfach beantworten. Natürlich wissen wir seit dem Kindergarten, dass wir das Öpfelbitschgi nicht achtlos dem Nachbarn in den Garten werfen. Genauso wenig wie wir unseren Atommüll jemand anderem aufhalsen.
Zweifelhafter Handkuss
Seit 40 Jahren sucht die Nagra (Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle) nach diesem Ort. Das Gebiet Nördlich Lägern, Jura Ost oder doch Zürich Nord-Ost? Hinter letzterem steht das Zürcher Weinland. Dort, zwischen Benken und Marthalen, wird schon lange gebohrt und untersucht.
Sollte das Weinland zum zweifelhaften Handkuss kommen, wäre der Landwirt Jürg Rasi besonders betroffen. Das Endlager für stark radioaktive Abfälle käme grösstenteils genau auf seinem Land zu stehen. Dass seine Freude klein war, als er mir darüber Auskunft gab, verstand ich auf Anhieb.
Mahnwache jeden Donnerstag
Jürg Rasi kritisiert, dass sich die Leute im Weinland zu wenig wehren. Dass es ausgerechnet Linke und Grüne sein würden, auf deren Unterstützung er angewiesen ist, hätte das langjährige SVP-Mitglied nicht gedacht. Ein gutes Dutzend Leute, das jeden Donnerstag an der Kreuzung zum geplanten Endlager eine Mahnwache abhält, möchte die Kernkraftwerke ganz aus dem Alltag verbannen.
Darunter auch Marianne Studerus. Auch ihre Argumente treffen ins Schwarze. Seltsamerweise empfinde ich es aber genauso auch am nächsten Tag. Zu Besuch bei der Nagra schildert Markus Fritschi, nach welchen Kriterien die Nagra vorgeht.
Seine Worte klingen plausibel. Seinen Argumenten kann ich theoretisch nicht viel entgegensetzen. Nur bei einer Frage muss er einräumen, dass es Fragezeichen gibt: In allen vergleichbaren Endlager in den USA und in Deutschland kam es schon zu Havarien. Keine rosigen Voraussetzungen.
Je länger ich am Thema arbeitete, desto klarer führt es mir vor Augen, wie schwierig die Lösung ist. Für die Probleme des modernen Lebens gibt es keine einfachen Rezepte. Die absolute Zufriedenheit aller gibt es nicht.