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Baselstrasse in Luzern «Hier will man ganz schnell wieder weg»

Der Volksmund hat der zwei Kilometer langen Baselstrasse in Luzern immer wieder neue Namen gegeben: «Little Italy», «Das Ghetto», «Neu Belgrad» oder «Rue de Blamage». Ein Dokumentarfilm widmet sich den Menschen, die diese Strasse prägen.

Das Quartier um die Basel- und Bernstrasse, das seit 2010 zur Stadt Luzern gehört, wird oft als der «Untergrund» der Touristenhochburg bezeichnet – als Gegenstück zum «Obergrund» rund um den Pilatusplatz, unweit von Kapellbrücke, See und Uhrengeschäften.

Der Dokumentarfilm «Rue de Blamage» von Aldo Gugolz und Christina Caruso widmet sich der verruchten Baselstrasse in Luzern und den Menschen, die sie prägen:

Der freie Zeichner, Illustrator und Künstler Christoph Fischer hat ein Atelier am Kreisel Kreuzstutz Luzern, dem Verkehrsknotenpunkt von der Baselstrasse gegen Emmen und Littau hin. In vielen seiner Arbeiten beschäftigt er sich mit Anwohnern der Baselstrasse, die er von seinem Fenster aus beobachten kann.

Heinz Gilli verkörpert für Christoph Fischer den «Büezer» schlechthin. Jahrelang hat dieser ihn an seinem Atelierfenster vorbeigehen sehen – zunächst als Strassenkehrer, dann als pensionierten Mann. Für sein Kunstwerk «Heinz», eine drei Tonnen schwere Betonfigur am Kreisel Kreuzstutz, hat der Künstler Heinz überlebensgross verewigt.

Der stadtbekannte Sänger und Gitarrist Daniele Martin, der fast alle seine Songs selber schreibt, wurde Anfang 2017 von Radio 3fach zum besten Strassenmusiker der Region gekürt.

Aufgrund seiner Heroinsucht musste ihm sein Vermieter schweren Herzens kündigen: Daniele wurde durch einen Brand für seine Nachbarn zur Gefahr. Seither lebt er auf der Strasse; doch noch immer für die Musik und seinen Sohn, der bei Danieles Schwester aufwächst und sein ganzer Stolz ist.

Die Syrerin Amal Naser war für diverse internationale Organisationen tätig, wurde unter anderem in ihrer Funktion als Frauenbeauftragte immer wieder an Uno-Kongresse eingeladen und konnte 2014 gemeinsam mit ihrem Mann dank eines Visums flüchten. Von einem Durchgangszentrum in Emmenbrücke aus suchte sie lange verzweifelt nach einer Wohnung.

Die Syrerin Amal Naser war für diverse internationale Organisationen tätig, wurde unter anderem in ihrer Funktion als Frauenbeauftragte immer wieder an Uno-Kongresse eingeladen und konnte 2014 gemeinsam mit ihrem Mann dank eines Visums flüchten. Von einem Durchgangszentrum in Emmenbrücke aus suchte sie lange verzweifelt nach einer Wohnung.

3 Fragen an den Regisseur

Aldo Gugolz, warum ein Film über die Baselstrasse, diesen eigentlichen «Unort» der Stadt Luzern?

Das ist aus einem sehr persönlichen Bezug heraus entstanden. Meine Mutter, Tochter eingewanderter italienischer Arbeiter, ist dort aufgewachsen. Als einzige der fünf Schwestern heiratete sie einen Schweizer und zog mit ihm in eine bürgerliche Einfamilienhaussiedlung im Grünen. Mich hingegen liess die Baselstrasse nicht mehr los: Als kleiner Junge war ich oft bei meiner grossen italienischen Verwandtschaft zu Besuch.

Ich liebte es, meinem Nonno bei seinen Erzählungen vom Quartier zuzuhören. Und oft liessen seine skurrilen Anekdoten mein behütetes Leben am anderen Ende der Stadt langweilig erscheinen. Es roch auch so aufregend anders – nach Polenta, Risotto und Abgasen. Es war laut und alle redeten durcheinander – halt so richtig unschweizerisch.

Wie haben Sie Ihre Protagonisten gefunden?

Ein Filmstill aus "Rue de Blamage".
Legende: Der Zeichner, Illustrator und Künstler Christoph Fischer studiert die Figur «Heinz». Hugofilm

Auf verschiedenen Wegen. Den Künstler Christoph Fischer und sein Kreisel-Projekt zum Beispiel fand ich ganz einfach im Internet. Auf Daniele bin ich gekommen, weil sein – inzwischen ehemaliger – Vermieter mit mir in der Schule war, wir immer noch befreundet sind. Der hat mir dann von diesem Junkie erzählt, der ja ein «lieber Cheib» sei, aber manchmal eben schon auch ein wenig mühsam.

Die Syrerin Amal lernte ich über meine Koautorin Christina Caruso kennen, die sie im «Café International» getroffen hat – einem Ort an der Baselstrasse, an dem sich jeden Freitagnachmittag Menschen aus allen Teilen der Welt begegnen können, mit der Hoffnung, dass «die Fremden» einander und auch den Schweizern danach etwas weniger fremd sind.

Warum wird die Strasse «Rue de Blamage» genannt?

Sie fristet seit jeher buchstäblich ein Schattendasein – nicht zuletzt aufgrund ihrer nachteiligen Lage: Vor allem im Winter erreicht sie kein Sonnenstrahl. Schon immer hat man hierhin auch alles Unliebsame ausgelagert. Heute soll es in der Gegend über 30 Bordelle geben, «Innenstädter» fürchten sich vor Drogendealern und Überfällen. Zudem brausen täglich 20‘000 Autos über den Asphalt. Für Anwohner ist das alles natürlich nicht sehr angenehm, was die Mieten etwas niedriger ausfallen lässt.

Seit jeher siedelten sich hier denn auch die Einwanderer an. Es heisst, mehr als die Hälfte der Baselstrasse-Bewohner seien Ausländer, vertreten sind über 70 Nationen. Für die Meisten ist der Ort allerdings eine Zwischenstation. Am Anfang ist man ja total froh, überhaupt etwas gefunden zu haben. Aber in der Regel will man eigentlich sehr schnell wieder weg.

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