Als sich Romea im Frühling 2021 nicht von ihrer Corona-Erkrankung erholt, geht sie zum Arzt. Dieser stellt ihr nach einem positiven Antikörpertest und mehreren Abklärungen die Verdachtsdiagnose Long Covid. Danach geht es immer weiter bergab.
«Ich konnte mich nicht mehr bewegen, nicht mehr sitzen – phasenweise konnte ich nicht einmal mehr eine Gabel in der Hand halten, um zu essen», sagt Romea. Es dauert, bis sie die Hilfe ihrer Partnerin annehmen kann, oftmals habe sie einfach keine andere Wahl gehabt.
«Wie einen Marathon zu rennen»
Dass sich ihre Beziehung verändere, habe Romea früh gemerkt. «Als es mir so schlecht ging, habe ich mehrmals zu Rebecca gesagt: Pass auf dich auf, mach auch mal etwas für dich und nicht nur für mich. Aber ich habe auch gemerkt, dass ich nicht für sie sorgen kann.» Und auch Rebecca wurde bald bewusst, dass sie eine andere Rolle einnimmt in der Beziehung, diejenige der Care-Takerin.
Ihre Partnerin zu pflegen sei aber nicht immer einfach gewesen und habe ihr auch Angst gemacht. «Ich habe relativ früh gemerkt, dass es ist, wie einen Marathon zu rennen. Aber du weisst nicht, ob du erst fünfhundert Meter geschafft hast oder ob du schon bei Kilometer vierzig bist.» Die Ungewissheit, die Long Covid mit sich bringt, belastet die beiden.
Eingriff in die Biografie
Wie einschneidend eine chronische Krankheit in die Biografie der Partnerinnen und Partnern von Betroffenen sein kann, zeigt eine Studie aus den neunziger Jahren, die im US-amerikanischen Wissenschaftsmagazin «Qualitative Health Research» publiziert wurde.
Dinge, die für die Beziehung wichtig waren, wurden durch die Erkrankung zum Teil unmöglich, so die Aussagen der Probandinnen und Probanden. Zum Beispiel Sex, zusammen spazieren, ausgehen oder in die Ferien verreisen. Diese Probleme machten auch Rebecca und Romea zu schaffen und stellten ihre Beziehung auf die Probe.
Moralische Zwickmühle
Als im Winter 2022 dann auch noch der finanzielle Druck grösser wird, weil die Krankentaggeldversicherung nicht mehr zahlt, wird Rebecca alles zu viel. Sie spielt mit dem Gedanken, ihre Partnerin zu verlassen. Eine moralische Zwickmühle, in der sich die gesunden Partner und Partnerinnen wiederfinden können: Darf man überhaupt gehen? Ist das nicht verwerflich?
Nein, sagt die Philosophin Barbara Schmitz. Sie setzt sich in ihrer Forschung mit der Frage nach einem lebenswerten Leben auseinander und hat dazu auch Gespräche mit Paaren geführt, bei denen einer von beiden chronisch krank ist.
Neue Strukturen schaffen
«Ich glaube, sich zu trennen, ist moralisch völlig in Ordnung. Wenn jemand sagt, ich habe das probiert und ich merke, es geht einfach nicht. Menschen verändern sich durch so etwas, und zwar beide.» Rebecca entscheidet sich, zu bleiben. Sie spricht an, was ihr zu schaffen macht, und das Paar findet neue Strukturen, die Rebecca entlasten.
So hat sie jetzt zwei Abende pro Woche für sich, an denen sie Freunde treffen kann. Manchmal falle es ihr noch schwer, ihre Partnerin zurückzulassen, aber die offenen Gespräche helfen dem Paar, die Beziehung ist wieder stabiler.