Er hat nie den Weg des geringsten Widerstands gewählt, der 35-jährige Christoph Betschart. Aufgewachsen in Schwyz, setzte er nach einer abgebrochenen Zimmermann-Lehre auf den Profi-Skisport. Als Freestyler reiste er rund um die Welt. Doch als die Verletzungen immer zahlreicher wurden, entschied er sich vor zehn Jahren für eine komplette Neuorientierung. Und erfüllte sich einen Kindheitstraum: die Suche nach Kristallen, das sogenannte Strahlen.
Seine Eltern hatten ihn schon früh mit diesem Virus infiziert, als sie mit ihm als Kind an Wochenenden auf Mineraliensuche gingen. Dieser neuen Berufskarriere drohte allerdings ein jähes Ende, noch bevor sie richtig begonnen hatte.
Bei Unfall beinahe Bein verloren
Vor zehn Jahren, nach einem ersten Sommer als Berufsstrahler, ging Christoph Betschart Skifahren. In einem steilen Couloir stürzte er und überschlug sich mehrfach, bevor er hunderte Meter weiter unten im Schnee liegen blieb.
Ich dachte schon, das sei es nun gewesen.
Sein linker Unterschenkel stand seitwärts im rechten Winkel vom Oberschenkel ab, er verlor viel Blut. «Ich dachte schon, das sei es nun gewesen», erinnert sich Christoph Betschart an den Sturz. Dank mehreren Operationen und langer, harter Reha kämpfte sich der 35-Jährige wieder zurück.
Im Sommer nach dem schweren Skiunfall ging er bereits wieder auf Kristallsuche, allerdings noch mit Krücken. Erst nach zwei Jahren konnte er wieder ungehindert zu Fuss gehen. Zur Sicherheit trägt er seither allerdings eine Beinschiene, die verhindert, dass sein Knie nicht unkontrolliert einknickt.
Zwei Franken pro Tag fürs Essen
Die ersten Jahre als Berufsstrahler waren nicht nur wegen der schweren Beinverletzung hart. Denn zu Beginn fand Christoph Betschart nur wenig Kristalle und verdiente kaum Geld. Das Tagesbudget fürs Essen musste er auf zwei Franken beschränken. Mehr als Couscous und Bouillon lag meist nicht drin.
Nach fünf Jahren kam endlich der finanzielle Durchbruch: Dank regelmässigen und guten Funden konnte der Strahler auch mal etwas auf die Seite legen und musste nicht mehr von der Hand in den Mund leben. Der nächste Schicksalsschlag liess aber nicht lange auf sich warten.
Freund beim Strahlen in den Tod gestürzt
Vor drei Jahren kehrte ein guter Freund, der einen Tag alleine strahlen ging, am Abend nicht mehr nach Hause zurück. Erst am nächsten Tag fanden ihn Christoph Betschart und weitere Helfer tot am Fusse einer Felswand, abgestürzt bei der Suche nach Kristallen.
Dieses Ereignis erschütterte Christoph Betschart stark. Wochenlang konnte der Berufsstrahler nicht mehr arbeiten, brauchte eine Auszeit. In ihm reifte die Erkenntnis, dass er selber vorsichtiger werden musste bei der Suche nach Kristallen. Gerade auch darum, weil er nun mehr Verantwortung trug. Seine Frau Carmen Betschart war mittlerweile schwanger mit dem ersten Kind. So meidet er seither Gebiete, welche besonders Steinschlag-gefährdet sind, auch wenn sie noch so vielversprechende Kristallklüfte haben.
Mehr alpine Gefahren wegen Klimaerwärmung
Die Arbeit der Strahler wird von Jahr zu Jahr gefährlicher. Durch die Klimaerwärmung taut der Permafrost auch in hochalpinen Lagen immer mehr auf. Die Folge sind vermehrte Stein- und Eisschläge. «Ich wurde auch schon von herabfallenden Steinen getroffen und hatte Glück, dass nicht mehr passiert ist», so Betschart.
Prellungen, Schrammen und auch Knochenbrüche gehören für ihn zum Alltag. Gerade diesen Sommer hat er sich einen Finger gebrochen, als dieser zwischen zwei Felsbrocken eingeklemmt wurde. Statt zum Arzt zu gehen, richtete er den Finger selber und fixierte ihn mit Klebband.
Während der Strahlersaison könne er es sich nicht leisten, bei der Arbeit auszufallen. Dafür sei die Saison zu kurz, mit 100 bis 150 Tagen. In dieser Zeit muss er das Einkommen für seine Familie für das ganze Jahr generieren.
Strahlen bis zur Pension
Für den mittlerweile zweifachen Familienvater ist klar: «Wenn es die Gesundheit zulässt, werde ich bis zur Pensionierung und darüber hinaus in die Berge strahlen gehen. Ich habe trotz aller Gefahren den schönsten Beruf der Welt».
Gerade diesen Sommer erlebte der 35-Jährige wieder ein Highlight seiner Karriere, als er einen äusserst seltenen Kristall gefunden hat, einen sogenannt geschlossenen Gwindel. Nur etwa so gross wie ein Feuerzeug hat der Stein einen Marktwert von bis zu 10‘000 Franken.