Als neuer deutscher Innenminister schlägt Horst Seehofer von Beginn an eine härtere, schnellere Gangart an. Der ehemalige bayrische Ministerpräsident und CSU-Chef will abgelehnte Asylbewerber schneller in die Heimat zurückschaffen und plant dafür bundesweit mehrere Abschiebezentren.
Pilotprojekt in ehemaliger US-Kaserne
Eine Siedlung gelb-weisser Häuser mit blauen Balkonen. Jedes Haus vier Etagen.
Im Nordosten der bayrischen Stadt Bamberg logierten zur Besatzungszeit US- Soldaten. Heute sieht das einstige Militärareal freundlicher aus als damals, dank Grünflächen und Spielplätzen. Barrieren und Zäune gibt es aber immer noch. Bald auch Wachpersonal der Bundespolizei.
In Bamberg soll das erste Rückführungszentrum Deutschlands entstehen. Ein Ort, an dem bis zu tausend Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive untergebracht sind- und von dort aus durch Schnellverfahren in ihre ursprüngliche Heimat abgeschoben werden sollen.
Ankunft, Entscheidung und Rückführung. Aus diesen drei Begriffen ergibt sich der Begriff Ankerzentrum
Und weil Seehofer Symbolik mag, erklärt er den Journalisten, wie das Zentrum in Bamberg und vier weitere Ausschaffungszentren, die in den nächsten Monaten eröffnen sollen, heissen werden: Ankerzentren. «Ankunft, Entscheidung und Rückführung. Aus diesen drei Begriffen ergibt sich der Begriff Ankerzentrum», so Horst Seehofer. Die unmissverständliche Botschaft des Innenministers: Wer ankert, der bleibt nicht lange.
Lange Verfahren
Mehr als 200'000 abgelehnte Asylbewerber mit Ausreisebescheid leben zur Zeit in Deutschland, viele von ihnen sind untergetaucht. Insgesamt 24'000 Personen haben die Deutschen Behörden im Jahr 2016 abgeschoben und in deren Heimat meist per Flugzeug zurückgeschafft.
Sowohl die Verfahren der Ausländerbehörde, als auch jene der Justiz, dauern lange. Zu lange für Seehofer. Deshalb sollen Vertreter dieser beiden Behörden zukünftig direkt in den Ankerzentren sitzen, um dort schnell entscheiden zu können. Entscheider der Ausländerbehörde, Richter, Anwälte, Übersetzer und Reiseberater sollen dort für stark beschleunigte Verfahren sorgen.
«In diesen Zentren können Behörden und Richter jederzeit auf Asylbewerber zugreifen. Dadurch können Asylbewerber, deren Anträge abgelehnt wurden, aus diesen Zentren direkt in ihre Heimatländer abgeschoben werden», sagt Robert Segmüller vom Bund deutscher Verwaltungsrichter.
Widerstand von Links und Grün
Heftige Kritik an diesen Ankerzentren gibt es von Pro Asyl und von der Opposition. Linke und Grüne wollen Seehofers Pläne im Bundestag stoppen. «Das sind Zentren der Hoffnungslosigkeit», schimpft der Linke-Abgeordnete Jan Korte, «mich würde mal interessieren was dort mit den vielen Kindern passiert? Gibt es Schulversorgung dort? Das ist der völlig falsche Weg. Was wir brauchen sind ab dem ersten Tag Integration und Perspektiven, und keine geschlossenen Lager.»
Das sind Zentren der Hoffnungslosigkeit
Kritiker werfen Seehofer zudem vor, in seiner Rolle als Innenminister Wahlkampf für die CSU zu betreiben. In Bayern sind im Herbst Landtagswahlen. Die konservative CSU hat bei den Bundestagswahlen 2017 viele Wähler an die national-konservative AfD verloren. Mit einer restriktiveren Flüchtlingspolitik will Seehofers CSU in Bayern diese verlorenen Wähler zurückholen.
Trotz Kritik von den Linken und Grünen, dürfte Seehofers Plan im Bundestag eine Mehrheit finden. «Die Menschen im Land erwarten das von uns», sagt Seehofer. Im Spätsommer sollen die ersten abgelehnten Asylbewerber von Bamberg aus zurückgeschafft werden. Rechtzeitig vor der Wahl in Bayern im Oktober.
«DOK»-Film zum Thema
Der preisgekrönte Dokumentarfilm «Ausgeschafft» zeichnet erstmals das umfassende Bild einer Sammelabschiebung in Deutschland. Was heisst diese Prozedur für jene, die sie vollziehen müssen? Und für jene, die eine halbe Stunde Zeit haben, um ihre Sachen zu packen?
Die Beamten und Polizisten , die die Ausschaffungen vorbereiten und vollziehen, kommen im Film zu Wort:
Und auch jene, die zurückgeschafft werden – Menschen, die in den Nachrichten selten eine Stimme erhalten. Menschen wie Gezim J. , der in Deutschland auf eine bessere Zukunft für seine Kinder hoffte und ohnmächtig zusehen muss, wie seine Träume zerplatzen.
Oder die Familie von Elidor und Angjela H. , die vor der Blutrache flüchten musste. Da dies kein Asylgrund ist, müssen sie zurück nach Albanien – wo die belastete Familiengeschichte noch schwieriger wird.