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Die andere Massentierhaltung Keine Sauerei mehr in der Schweinemast

Schweinemäster Oliver Hess hat eine Mission: Den 1.4 Millionen in der Schweiz lebenden Schweinen soll es besser gehen. Doch vom Saustall auf die Wiese ist es ein weiter Weg.

2012 kaufen Oliver Hess und seine Frau Esther einen Maststall in Mosen LU. Sie verschulden sich, um ihren Lebenstraum in Angriff zu nehmen: Artgerecht gehaltene Schweine, die auf die Weide dürfen, mit viel Auslauf, Wühlmöglichkeiten und frischer Luft. 1800 Schweine liefern sie jährlich an die Fleischverarbeitung. Doch sie wollen, dass die Tiere zuvor ein gutes Leben haben.

Oliver Hess ist gelernter Offsetdrucker, arbeitete zusammen mit Esther Hess viel auf der Alp mit Schafen und wurde dann Herdenschutzbeauftragter des Bundes. Zuvor hatte er in Hildisrieden LU das grösste Baumhaus der Schweiz gebaut, um eine lebende Eiche herum. Ihn reizte stets das, was andere als fast unmöglich einstuften.

Bei der Arbeit als Angestellter auf einem Schweinemastbetrieb erlebte er hautnah, was Schweinemast bedeutet. Bei ihm setzte sich die Idee fest, grundlegend etwas zu verändern in der Massenhaltung von Schweinen. Für Oliver Hess ging das nur durch eigene praktische Erfahrung. So kaufte er zusammen mit der gelernten Landwirtin Esther 2012 den Hof in Mosen LU.

Hess wollte es nicht länger mit ansehen: Schweine in verkoteten Ställen, die Schnauze im Ammoniakgestank, den Himmel nur durch kleine Fenster sichtbar.

Das Leben der Mastschweine ist kurz, dauert maximal zehn Monate. Und diese Zeit möchte Oliver Hess seinen Tieren möglichst angenehm und artgerecht gestalten. Der Plan: Jedes Schwein soll wühlen, im Pool baden und auf eine Wiese dürfen.

Doch das ist bei so vielen Tieren und beschränktem Platz nur mit einem ausgeklügelten automatisierten System möglich. Dieses wollte Oliver Hess auf seinem Hof in Mosen bauen. Der Referenzbetrieb hätte zeigen sollen, dass Massenhaltung und deutlich mehr Tierwohl zusammenpassen.

Mastschweine in engem, dreckigem Stall
Legende: Wenn es nach Oliver Hess geht, sollen solche Schweinezuchten der Vergangenheit angehören SRF

Der Schweinemäster kann im Dezember 2017 einen ersten grossen Erfolg verzeichnen. Mit einem Grossverteiler schliesst er einen Abnahmevertrag für Wiesenschweine ab.

Doch Anfang 2018 wird klar, dass der Hof in Mosen nicht so umgebaut werden kann, wie von ihm beantragt. Seine Pläne werden vom Kanton als Ersatzneubau eingestuft und darum verbiete das Raumplanungsgesetz eine Ausweitung des Stalles. Der Entscheid des Kantons bedeutet das Aus für das Projekt in Mosen.

Ein Ausweg im Entlebuch

Doch der Vertrag mit dem Grossverteiler lässt eine Alternative zu: Die Schweine müssen nicht zwingend in Mosen auf die Wiese. Oliver Hess findet einen Bauern im luzernischen Schüpfheim, den er für seine Idee der Wiesenschweine begeistern kann.

So können im Herbst 2018 die speziellen technischen Systeme installiert werden: Zweimal täglich leiten Sensoren, spezielle Ruftöne und elektrische Tore die Schweine gruppenweise nach draussen und rufen sie nach rund einer Stunde wieder in den Stall zurück. Hightech im Schweinestall. So der Plan, den Oliver Hess zusammen mit Fachleuten und Investoren entwickelt hat.

Die Schweine lernen schnell, ihre neue Freiheit zu geniessen: Sie wühlen im Einstreu und in den Holzschnitzeln, toben über die grossen Flächen und nutzen die Wiese. Zurück in ihre Ställe gehen die Schweine wieder, wenn ein bestimmter Ton die Gruppe zur Fütterung ruft.

Das digitale Schwein

Sensoren erfassen jedes Schwein und lassen das Tor schliessen, wenn alle wieder im Stall sind. Dann darf die nächste Gruppe den Auslauf samt Wiese nutzen. Jedes Schwein ist mit einer Ohrmarke versehen, damit es vom Computersystem identifiziert werden kann.

Das digitale Schwein ist somit die Voraussetzung, damit es automatisiert in den Wühlbereich und auf die Wiese kann. Und vor allem: Dass es selber wieder zurück in den Stall läuft. Nach einigen Monaten werden zwar auch diese Schweine geschlachtet, aber sie hatten ein Leben in Würde.

Hess ist jetzt nicht mehr Schweinemäster, sondern eine Art Systemanbieter. Wenn viele Bauern sein System übernehmen, kann er seine Entwicklungskosten vielleicht wieder hereinholen. Darauf ist er dringend angewiesen, denn die von ihm gegründete Wiesenschwein AG zahlt ihm nur einen kleinen Lohn. Aber er verdient mit, wenn das Fleisch unter seinem Markennamen verkauft wird.

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