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Drogenhandel in der Schweiz Kokain-Dealer: «Manchmal lässt es dich nicht schlafen»

Es ist rein, billig und weitverbreitet: Kokain überschwemmt die Schweiz. Gemäss Abwasserdaten hat sich der Kokainkonsum innerhalb von zehn Jahren verdoppelt. SRF Impact spricht mit einem Kokain-Dealer (Name der Redaktion bekannt) über ein verbotenes Geschäft. Die Person ist vermummt, das Wetter kalt und regnerisch. Viel Zeit hat er nicht.

SRF: Wie sind Sie zum Dealen mit Kokain gekommen?

Kokain-Dealer: Verschiedene Umstände haben mich dazu getrieben: Ich kam aus finanziellen Gründen zum Dealen, aber auch durch mein Umfeld, durch einen gewissen Gruppenzwang. Anfangs bin ich noch mit anderen Drogen eingestiegen, merkte aber schnell, dass das Kokainbusiness lukrativer ist.

Ich habe auch gehört, dass es ein gefährlicheres Metier ist. Stimmt das?

Das ist ganz klar so. Es beinhaltet andere Regeln, andere Voraussetzungen und mehr Polizeistress.

Es gibt Situationen, in welchen du dich zehnmal umdrehst. Du kannst dich nicht immer frei bewegen.

Was meinen Sie mit anderen Regeln?

Cannabis kannst du mittlerweile überall kaufen und damit herumlaufen. Wenn die Polizei dich damit erwischt, passiert nicht viel. Du bekommst eine Busse oder eine kleine Anzeige. Beim Kokain ist der Fokus auf dir – und den bringst du nicht mehr so einfach weg.

Diese konstante Angst, erwischt zu werden – was macht das mit Ihnen?

Schwer zu sagen. Es gibt Situationen, in welchen du dich zehnmal umdrehst. Du kannst dich nicht immer frei bewegen. Du musst dich darauf achten, mit wem und wo du dich triffst. Es heisst zwar, in der Öffentlichkeit sei es einfacher oder weniger gefährlich. Dies ist aber immer auch von der Menge und den persönlichen Eigenschaften abhängig.

Rat und Hilfe bei Suchtmitteln

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Haben Sie oder jemand, den Sie kennen, ein Problem mit Suchtmitteln? Hier finden Sie Hilfe:

Kann die Polizei etwas gegen Dealer ausrichten?

Das ist eine schwierige Frage, aber ich glaube im Grundsatz nicht. Früher waren die Nigerianer auf dem Markt. Die hat die Polizei täglich geholt, aufgelesen. Kaum waren sie weg, tauchten fünf andere an ihrer Stelle auf. Es gibt immer Leute, die davon profitieren. Deshalb glaube ich, dass es sehr schwierig wird.

Stört es Sie nicht, dass in Lateinamerika Hunderttausende aufgrund des Anti-Drogenkrieges sterben?

Ja, das ist leider so. Es gibt immer zwei Seiten einer Medaille. Das gibt es auch in anderen Bereichen, nicht nur beim Kokainhandel.

Manchmal lässt es dich nicht schlafen.
Autor: Anonym Kokain-Dealer

Haben Sie auch ein schlechtes Gewissen?

Ja. Manchmal lässt es dich nicht schlafen. Du weisst, dass es unrecht ist, und du schadest anderen Leuten. Damit enttäuschst du auch deine Familie und natürlich alle anderen.

Wieso machen Sie es denn, wenn Sie ein schlechtes Gewissen haben?

Ich muss finanziell in der Lage sein, gewisse Dinge zu bezahlen. Du hast ein leichteres Leben.

Ein Mann mit Tattoos und eine vermummte Person schauen in die Kamera.
Legende: Livio Carlin und der anonymisierte Kokain-Dealer während des Interviews. SRF

Kommt nicht irgendwann der Punkt, wo man so viel hat, dass man aussteigen kann? Oder habe ich zu viele Filme geschaut?

Ja (schmunzelt). Es ist schwierig. Der Ausstieg wäre immer am besten gestern gewesen.

Ist man irgendwie auch in solchen Strukturen gefangen?

Wenn du angewiesen bist auf andere, ist es schwierig, auszusteigen. Wenn es böse läuft, erpressen sie dich und zwingen dich weiterzumachen. Wenn du von niemanden abhängig bist, ist es einfacher.

Aber es ist klar, wenn das Geld irgendwann weg ist und du dich an einen gewissen Lifestyle gewöhnt hast, denkst du dir: «Wäre ich jetzt immer noch im Business, würden solche Fragen nicht hochkommen oder ich hätte diese Problematik nicht.»

Das Gespräch führten Nicolas Fäs und Livio Carlin.

«SRF Impact»

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SRF 4 News, 11.06.2025, 16:50 Uhr

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