«Ich heisse Besijan, bin 16 Jahre alt und komme aus Ex-Jugoslawien, dem Kosovo. Ich bin in Zürich aufgewachsen, weil meine Eltern hier Arbeit gefunden haben. Und nun ist die Schweiz, meine zweite Heimat!» Das sagt Besko in der Langzeitdokumentation von Ciril Tscheligi.
Über einen Zeitraum von 20 Jahren hat der Regisseur den heute 37-Jährigen begleitet. Seinen Lebensweg aufgezeichnet vom jungen Kriminellen zum rappenden Vorzeigehäftling bis zu seiner Ausschaffung und der neuerlichen Inhaftierung in der Schweiz. Der Film erzählt, wie ein Mensch immer wieder kurz davor steht, es zu packen und den richtigen Weg einzuschlagen. Und danach noch tiefer fällt als zuvor.
Auf eine idyllische Kindheit folgen turbulente Jugendjahre
Besko, wie ihn heute alle nennen, kommt 1985 als Säugling in die Schweiz. Weil seine Eltern nicht für ihn sorgen können, wächst er bis zum siebten Lebensjahr in einer Pflegefamilie auf. Ein grosses Glück, wie er heute sagt: «Meine ersten Kindheitserinnerungen sind von meiner Pflegefamilie in Uster. Ich bekam sehr viel Liebe dort.»
Umsorgt von seinen Pflegeeltern lernt er Anstand und Respekt, erfährt, was es in der Schweiz braucht, um akzeptiert zu werden. «Bis sieben war ich ein richtiger Oberschweizer, jedenfalls schweizerischer als manch anderer. Mein erster Schulthek, der war so viereckig mit Pferdehaaren drauf, alle hatten so einen.»
Diese fast schon idyllische Kindheit wird jäh unterbrochen, als seine Mutter das Sorgerecht wieder erhält. Und Besko zu ihr zieht, in den «Chreis Cheib», den Zürcher Kreis 4. Der Schulthek hat ihn in diesem Umfeld zum Gespött gemacht und ihn auf den Boden der Realität katapultiert.
Bis sieben war ich ein richtiger Oberschweizer, jedenfalls schweizerischer als manch anderer.
Als Teenager gerät er schnell auf die schiefe Bahn. Er dealt mit Drogen, wird gewalttätig und kommt mehrmals mit dem Gesetz in Kontakt/Konflikt. Wegen eines bewaffneten Raubüberfalls verurteilt ihn ein Gericht 2009 zu einer fünfeinhalbjährigen Haftstrafe.
Hinter Gittern wird aus Besijan Kacorraj der Rapper Besko. In seinen Songtexten gibt er sich geläutert, versucht andere Jugendliche vom Abdriften in die Kriminalität zu warnen und rappt von einem Neuanfang. Die Schweizer Rap-Szene solidarisiert sich mit ihm und versucht die drohende Ausschaffung abzuwenden.
Vergebens. In der Zwischenzeit hat die schweizerische Stimmbevölkerung die Ausschaffungsinitiative angenommen. Obwohl Besko fast sein ganzes Leben in der Schweiz verbracht hat und von sich selbst sagt: «Ich habe mich immer als Schweizer gefühlt», wird er 2016 in den Kosovo ausgeschafft.
Ausschaffung und weitere Straftaten
«Ich bin über fünf Jahre in der Schweiz im Gefängnis gesessen. Am Anfang war es hier im Kosovo aber fast schwerer für mich als in Haft. Im Gefängnis hast du deine Zelle, deine Mahlzeiten, deinen Job. Hast gewusst, du bist in der Schweiz. Hier hast du keinen Job, kein Geld, nichts. Das ist superhart. Die richtige Bestrafung, die hat mit der Ausschaffung erst angefangen.»
Trotz Ausschaffung: Bald scheint sich Beskos Blatt zu wenden. Er betreibt in Pristina ein Callcenter und begibt sich auf den Weg in ein bürgerliches Leben. Selbst aus der Schweiz kommen gute Neuigkeiten. Er darf für zwei Wochen einreisen, um seinen Sohn zu besuchen. Zurück im Kosovo taucht er unter. Mehr als ein Jahr herrscht Funkstille, dann macht die Nachricht die Runde, dass er eine Postfiliale in Dübendorf ausgeraubt hat und wieder hinter Gittern sitzt.
In der Haftanstalt Cazis versucht er zu erklären, was ihn zu der Tat getrieben hat. Er habe eine Haftstrafe in der Schweiz provozieren wollen. Als Selbstschutz. Weil er sich mit einem kosovarischen Verbrecher-Clan angelegt habe, der von ihm Schutzgeld für sein Callcenter in Pristina verlangt habe.
«Sie haben mich im Callcenter besucht und haben gesagt, du brauchst sicher unseren Schutz. In diesem Moment ist bei mir der Jeton runter – ich habe angefangen zu lachen und habe gesagt, ihr könnt einen Kaffee trinken, aber dann könnt ihr gehen und müsst nicht mehr zurückkommen.»
Ob diese Erklärung stimmt, lässt sich nicht überprüfen. Fakt ist: Der Überfall auf die Postfiliale bringt Besko eine mehrjährige Haftstrafe ein und einen neuen, noch viel schärferen Landesverweis. Während zehn Jahren darf Besko nicht mehr in das Land zurückkehren, in dem er aufgewachsen ist und in dem sein Sohn lebt. «Die Schweiz ist nicht schuld daran, dass ich wieder hier bin, im Gefängnis. Ich habe mich dazu entschieden, das (den Postüberfall, Anm. d. Red.) zu machen und trage dafür die Verantwortung», sagt er.
Jetzt soll ich gehen! Aber wohin? Ins Herkunftsland, heisst es. Ich sei selber schuld, dass ich keinen Schweizer Pass gemacht habe, muss ich mir anhören. Aber wie hätte ich das machen sollen? Mit acht Jahren aufs Amt gehen und sagen, hey übrigens, ich möchte Schweizer werden?
Nach dem Ende der Dreharbeiten wurde Besko aus der Haft entlassen und umgehend ausgeschafft. Momentan lebt er in der albanischen Hauptstadt Tirana. Ob er dort bleiben kann, ist unklar.