Als am 14. August 2018 die Autobahnbrücke Ponte Morandi in Genua zusammenbrach, stürzten Rita Giancristofaro und ihr Partner im Auto in die Tiefe.
Sie überlebten schwerverletzt. «Ich erinnere mich bruchstückhaft, wie wir beide wegen der Schmerzen klagten, aber ich erinnere mich nicht an den Schmerz an sich. Ich wollte einfach nur noch schlafen, die Augen schliessen und ausruhen». Beim Einsturz der Brücke starben 43 Menschen.
Nicht nur die Überlebenden sind bis heute gezeichnet, auch die Rettungskräfte hatten noch nie etwas Ähnliches erlebt. An Toten vorbei mussten sie sich vorkämpfen zu Verschütteten, die sie in den Trümmern rufen hörten.
Das 1967 erbaute Polcevera-Viadukt galt damals als technisches Meisterwerk und war eine wichtige Verkehrsachse. Sie verband den Ost- mit dem Westteil der Stadt Genua und gehörte zur Zufahrtsstrecke zum grössten Hafen des Landes. Mehr als 25,5 Millionen Autos passierten sie jährlich. Wie konnte es zu dieser Tragödie kommen?
Trümmerteile werden in der Schweiz untersucht
Ein Teil der Trümmer wurde in versiegelten Sattelschleppern zur Empa, der eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, nach Dübendorf gebracht. Dort untersuchte ETH-Professor Bernhard Elsener im Auftrag der italienischen Behörden mit einem 14-köpfigen Team die Überreste der Brücke.
Elsener, einer der ausgewiesendsten Experten, fand bald eine mögliche Ursache für den Bruch der Tragkabel: Korrosion, oder anders gesagt: verrostete Spannseile. Sein Gutachten hat er inzwischen beim Gericht in Genua abgeliefert.
ETH-Professor Bernhard Elsener ist mittlerweile von seinem Amt als Gutachter zurückgetreten. Zum Stress der Arbeit kam Druck von aussen. Einige seiner Aussagen haben zu Polemiken geführt.
Wie es geschehen konnte, dass Tragkabel der Brücke mutmasslich vor sich hin rosteten, ohne dass etwas unternommen wurde, wird die gerichtliche Untersuchung zeigen.
Kaum Geld für den Unterhalt
Ein Bericht des Verkehrsministeriums zeigt allerdings, dass nach der Privatisierung der italienischen Autobahnen im Jahr 1999 kaum mehr Geld in den Unterhalt der Tragstruktur investiert wurde: In den 17 Jahren vor der Privatisierung flossen gegen 24 Millionen Euro in den strukturellen Unterhalt der Brücke. Im etwa gleich langen Zeitraum danach waren es noch ein paar zehntausend Euro.
Probleme waren bekannt
Dazu kommt, dass ein Jahr vor dem Einsturz ein Gutachten der technischen Hochschule Mailand Probleme mit der Tragstruktur ausgemacht und den Einbau von Überwachungssensoren empfohlen hatte – was nicht geschah.
Erste Schäden an der Tragstruktur waren schon früher bemerkt worden. Daher wurden schon in den 90er Jahren die Kabel eines der drei Brückenpfeiler verstärkt.
Bei den anderen beiden Pfeilern wurde indessen nichts unternommen – und vergangenen Sommer stürzte einer von ihnen mitsamt der Brücke ein.
Für Lara Matta Altadonna ist das unverständlich. Ihr Mann war mit einem Lieferwagen unterwegs, als die Brücke einstürzte, und kam dabei ums Leben. Lara und ihre vier Kinder leiden noch heute am Trauma.
Der Dokfilm zum Thema: