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Erziehung Verlangen, was man vorlebt

Was braucht es, um erfolgreicher Unternehmer zu sein? Eine «gewisse Härte», sagt Ananas-Produzent Emil Trüeb. Und genau diese «gewisse Härte» brauche es auch, um ein guter Vater zu sein.

Emil Trüeb ist Chef von 32 Arbeitern und Vater von zwei Kindern: Sein Sohn Stefan ist 19, seine Tochter Sofie 13 Jahre alt. Wer Erfolg haben wolle als Unternehmer, der müsse im Prinzip die gleichen Eigenschaften mitbringen wie derjenige, der Erfolg haben wolle als Vater, findet Trüeb.

Man könne das so zusammenfassen, sagt er: «Es braucht eine gewisse Härte.» Und er ergänzt: Diese «gewisse Härte» brauche es freilich auch sich selbst gegenüber. Denn man könne nur verlangen, was man vorlebe.

Kampf gegen Limetten-Kriminalität

Ein gutes Beispiel für Trüebs Härte ist sein Umgang mit Limetten-Dieben. Er baut diese Früchte auf einer Fläche von rund 30 Hektaren an. Eine Limette hat in der Dominikanischen Republik einen Wert von zehn Rappen. Trotzdem führt er einen unerbittlichen Kampf gegen die Limetten-Kriminalität.

Wenn er Fremde auf seiner Farm erwischt, übergibt er sie der Polizei. Sieht er einen seiner Arbeiter, wie er sich zwei oder drei Limetten in die Hosentasche steckt, übergibt er auch diesen sofort den Behörden. Ausserdem entlässt er ihn fristlos. «Nur so geht es», sagt Trüeb.

Aber lässt sich dieser Ansatz tatsächlich auf die Kindererziehung übertragen? Einen interessanten Hinweis in Trüebs Richtung liefert David Eberhard, schwedischer Psychiater und Vater von sechs Kindern. 2015 publizierte er ein Buch mit dem Titel: «Kinder an der Macht – Die monströsen Auswüchse liberaler Erziehung».

«Eltern wollen cool und hip sein»

Eberhard versteht sein Buch als Warnung. Und diese Warnung kommt ausgerechnet aus dem Land des Erziehungsliberalismus: Schweden, lange Zeit weltweiter Vorreiter in Sachen Pädagogik, hat als erstes Land 1979 die körperliche Züchtigung verboten. Aber kann es sein, dass man dort und andernorts zu weit gegangen ist, was die liberale Erziehung angeht? Allerdings, findet Eberhard.

Obwohl die Eltern in Schweden vom Staat unterstützt würden wie kaum in einem anderen Land, wachse dort keine Generation von zufriedenen Bürgern heran, sondern eine Generation von Rotzlöffeln.

Eine Gesellschaft aus Teenagern?

Das deutsche Wochenmagazin «Die Zeit» wollte von Eberhard wissen, wieso die liberale Erziehung denn aus seiner Sicht gescheitert sei. Er beantwortete diese Frage so: «Weil sich Eltern nicht mehr wie verantwortungsvolle Erwachsene verhalten. Sie glauben, beste Freunde ihres Kindes sein zu müssen. Sie stellen sich auf eine Stufe mit dem Kind, wagen nicht, ihm zu widersprechen, Grenzen zu setzen. Sie treffen keine Entscheidungen mehr, sondern wollen so cool und hip und rebellisch sein wie ihre Kinder. Unsere Gesellschaft besteht nur noch aus Teenagern.»

Gesteigerte Aggression und Kriminalität

Grosse Fragezeichen gibt es allerdings auch gegenüber dem, was gemeinhin als Härte in der Erziehung verstanden wird. Erst kürzlich sorgten Forscher um Rochelle Hentges von der Universität Pittsburgh für Aufsehen. Sie hatten Daten von 1060 Teilnehmern der Langzeitstudie «Maryland Adolescent Development in Context» (MADICS) genutzt und den Einfluss sozialer Bedingungen auf die akademische und psychosoziale Entwicklung Heranwachsender vom zwölften bis 21. Lebensjahr untersucht.

Fazit: Ein gewalttätiger Erziehungsstil löse einen «Komplex kaskadenartiger Prozesse» aus, die gegenwartsorientiertes Verhalten zu Lasten zukunftsorientierter Bildungsziele förderten, so Hentges.

«Jugendliche, deren Bedürfnisse nicht durch ihre primären Bezugspersonen erfüllt werden, können Bestätigung bei Gleichaltrigen suchen.» Das könne auf ungesunde Weise geschehen und zu gesteigerter Aggression, Kriminalität und frühem Sexualverhalten führen – auf Kosten von Langzeitzielen wie einem höheren Bildungsabschluss.

Gesunder Mittelweg

Als «harte Erziehung» galten bei der Analyse Anschreien, Schlagen und die Androhung von verbalen oder körperlichen Strafen. Und diese «harte Erziehung» führe auch nicht zu besonders guten Leistungen – sondern vielfach sogar zu Schulversagen, ist im Fachmagazin «Child Development» nachzulesen.

Vermutlich ist ein Detail entscheidend: Trüeb hat nie von Härte gesprochen, sondern von einer «gewissen Härte». Man kann das als Differenzierung, als einen gesunden Mittelweg verstehen – irgendwo zwischen «liberaler» und «harter» Erziehung. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit in einer Schnittmenge, in einem Grauton. Grau gilt ja gemeinhin als trist, gesichtslos, als Unfarbe. Nicht eben erstrebenswert. In vielen Bereichen scheint es aber ganz gut zu sein, wenn es nicht nur Schwarz und Weiss gibt.

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