Schlafmangel, Trotzphase, Chaos in der Wohnung. Schon ein einziges Kleinkind kann Eltern an den Rand des Wahnsinns treiben. Wie um alles in der Welt geht das mit der dreifachen Dosis?
Die Natur hat mir zwei Busen gegeben, aber drei Kinder.
Die ersten anderthalb Jahre nach der Geburt ihrer Drillinge seien bisher die anstrengendsten gewesen, sagt Stefanie Langner. Insbesondere mit Blick auf das Stillen. «Die Natur hat mir zwei Busen gegeben, aber drei Kinder.»
Schlussendlich habe sie es mit einem massangefertigtem Drillingskissen geschafft. «Ein Baby je an einem Busen und dem Dritten habe ich mit meinen Füssen die Flasche gegeben.»
Auch für Elian Zürcher war das erste Jahr die intensivste Zeit. Die Psychologin und Drillingsmutter berät Eltern von Mehrlingen. Obwohl ihr Mann in der ersten Zeit unbezahlten Urlaub nahm, seien sie an ihre Grenzen gestossen – vor allem der Schlafmangel machte ihnen zu schaffen.
«Wir schliefen pro Nacht nur zwei bis vier Stunden», so Zürcher. Rasch mussten sie Hilfe beiziehen. «Dank der Unterstützung der Grosseltern konnten wir dann gestaffelt schlafen. So kamen wir immerhin auf vier bis sechs Stunden Schlaf pro Nacht.»
Das Stillen sei oft Thema, wenn sie Eltern von Mehrlingen berät, so Elian Zürcher. «Hier muss man realistisch sein. Stillen ist bei Drillingen nur begrenzt möglich.» Es komme stark auf die Kinder an. «Wenn sich ein Baby am Anfang nur schlecht an die Brust gewöhnt, kann das schon bei einem Kind sehr anstrengend sein. Das Ganze mal drei ist oft überfordernd.»
Sie selbst habe jeweils ein Kind gestillt und die anderen zwei mit abgepumpter Milch und Pulvermilch gefüttert. Das könne aber schon sehr stressig sein, immer im Überblick zu behalten, welches Kind wann wie viel getrunken hat.
Alleinerziehend mit Drillingen
Als Stefanie Langners Drillinge drei Jahre alt waren, wurde sie durch einen Schicksalsschlag plötzlich alleinerziehend. Sieben Jahre lang hatten ihr Mann Raphael und sie versucht, Kinder zu bekommen.
Als es endlich klappte, konnten sie ihr Glück kaum fassen: «Für Raphi standen die Kinder immer an erster Stelle. Die standen ganz oben, dann kam lange nichts und dann irgendwann ich», sagt Stefanie Langner.
Ihr Mann Raphael ist im Herbst 2023 überraschend an einem Herzstillstand verstorben. Er wurde 40 Jahre alt. Seither kümmert sich Stefanie alleine um die Drillinge.
Die Tage seien intensiv, die Herausforderungen zahlreich, sagt Stefanie Langner. Fast täglich stosse sie auf Herausforderungen, welche für «reguläre» Eltern kein Thema seien: «Zum Beispiel gibt es keine Kinder-Basteltische für drei Kinder.»
Diese seien jeweils auf maximal zwei Kinder ausgelegt. Stühle gebe es auch immer nur einen oder höchstens zwei dazu. «Ich musste dann selber einen Basteltisch für drei Kinder bauen.»
Wenn drei sich streiten
Eine grosse Herausforderung kann auch sein, wenn sich die Drillinge streiten. Das sei auch oft ein Thema in ihren Beratungskursen, sagt Elian Zürcher. Die Herausforderung bei Drillingen sei, dass alle drei Kinder auf demselben Entwicklungsniveau sind.
Klare Kommunikation gegenüber den Kindern hilft, Streitsituationen zu vermeiden.
«Bei zwei Kindern unterschiedlichen Alters gibt vielleicht das Ältere einmal nach, ist vernünftiger», so die Psychologin. Bei Drillingen habe man dann aber unter Umständen drei Anderthalbjährige, die partout ihr Spielzeug nicht teilen wollten. «Das kann sehr anstrengend sein, diese Konflikte zu begleiten und nicht wertend einzugreifen», so Elian Zürcher.
Stefanie Langners Methode für Deeskalation im Zusammenhang mit Aufmerksamkeitsproblemen ist klare Kommunikation. Verlange es die Situation, sich auf ein Kind klar zu fokussieren, werde das den anderen Kindern aktiv mitgeteilt. «Ich höre jetzt Julius zu und danach nehme ich mir Zeit für euch.» Sie sagt: «Klare Kommunikation gegenüber den Kindern hilft, Streitsituationen zu vermeiden.»
Man hat fälschlicherweise oft das Gefühl, dass man das alles alleine stemmen muss.
Ohne externe Unterstützung ist der Alltag mit Drillingen oft gar nicht zu stemmen. Elian Zürcher rät Mehrlingseltern immer, sich frühzeitig Hilfe zu hohlen. Praktische Unterstützung im Umfeld und, wenn nötig, auch psychische Unterstützung. «Man hat fälschlicherweise oft das Gefühl, dass man das alles alleine stemmen muss.»
Auch Stefanie Langner ist froh, wenn sie hin und wieder Unterstützung von Nachbarn, Freunden oder ihrer Mutter bekommt. Seit die Drillinge jährig sind, geht sie wieder arbeiten. Für die Kinderbetreuung hat Langner eine Nanny engagiert.
Wie a llen Kindern gerecht werden?
Eine Frage, die Elian Zürcher in ihren Beratungsgesprächen oft gestellt wird, lautet: Wie kann ich mit Drillingen allen drei Kindern gerecht werden? Dabei sei es wichtig zu erkennen, dass es sich um drei verschiedene Kinder mit unterschiedlichen Bedürfnissen handelt. Viele Eltern hätten den Stress, alles für alle drei Kinder gleich machen zu müssen, dass kein Kind zu kurz kommt.
Auch Drillinge sind drei individuelle Kinder mit unterschiedlichen Bedürfnissen.
«Aber wenn ich bei allen Kindern alles genau gleich mache, heisst das nicht, dass alle Kinder das erhalten, was sie brauchen», so Zürcher. Auch Drillinge seien drei individuelle Kinder mit unterschiedlichen Bedürfnissen.
«Das eine Kind braucht vielleicht eine längere Einschlafhilfe, das andere Kind braucht mehr Betreuung bei den Hausaufgaben und so weiter.» Das könne für Eltern auch entlastend sein, zu realisieren, dass sie nicht alle drei Kinder genau gleich behandeln müssen.
In ihren Beratungen ermutigt sie die Eltern von Drillingen auch, sich aufzuteilen, damit ein Elternteil mit einem Kind alleine etwas unternehmen kann und so individuell auf dieses eingehen kann. «Das ist meist sehr entlastend und bereichernd für die Beziehung zum jeweiligen Kind», sagt Zürcher.
Für Stefanie Langner ist es als alleinerziehende Mutter kaum möglich, individuell auf ein einzelnes Kind einzugehen. Das schlechte Gewissen, den Kindern nicht gerecht werden zu können, sitzt auch bei ihr tief. «Ich habe das Gefühl, auch noch die Vaterrolle übernehmen zu müssen. Das macht es manchmal noch schwieriger.»
Was ihr hilft, ist die Erkenntnis, dass die Kinder nichts anderes kennen, als von Anfang an gleichaltrige Geschwister zu haben. Keines der Kinder war von Anfang an alleine und muss nun lernen zu teilen.
Der unfreiwillige Promi-Status
Stefanie Langner ist mit einigen anderen Drillingseltern aus der Schweiz in einer Whatsapp-Gruppe. Neben dem Austausch von Fragen und Erfahrungen rund um Mehrlingsfamilien könne sie dort auch mal Dampf ablassen. «Es ist immer wieder erstaunlich, dass wildfremde Menschen ungefragt Kommentare über mich, meine Kinder und mein Leben abgeben», sagt die Drillingsmutter.
Ich würde mich ja eher umbringen, als das machen zu müssen.
Sie erhalte Kommentare wie: «Ui, das könnte ich also nicht!» oder «Ich würde mich ja eher umbringen, als das machen zu müssen.» Oft kämen von Fremden auch gleich sehr persönliche Fragen wie: «Wurden die drei mit künstlicher Befruchtung gezeugt?»
Stefanie Langner würde sich da mehr Zurückhaltung wünschen. Denn: «In der Regel bekomme ich diese Kommentare oder Fragen, wenn die Kinder dabei sind», sagt Langner.
Balance finden zwischen Chaos und Harmonie
Stefanie Langners und Elian Zürchers Erfahrungen zeigen, dass trotz Schlafmangel, organisatorischem Chaos und emotionalen Herausforderungen die Unterstützung von Familie und Gemeinschaft sowie kreative Lösungen Eltern von Drillingen dabei helfen, die täglichen Hürden zu meistern und eine liebevolle, geordnete Zukunft für ihre Familien zu gestalten.