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Familienmodelle nach Trennung Wenn Eltern sich trennen – wie weiter mit der Familie?

30'000 Kinder erleben jährlich, wie sich ihre Eltern trennen. Eine emotionale Herausforderung für die ganze Familie. Was können Eltern tun, damit der Bruch ihre Sprösslinge nicht zu sehr belastet? Ein Einblick in vier verschiedene Familienmodelle.

Als die Beziehung zu ihrem Partner und Vater ihrer zwei Töchter endete, plagten Anneka Beatty Schuldgefühle. «Mit unserer Trennung wollten wir nicht das Zuhause der Kinder zerstören und haben eine Lösung gesucht, wie ihr Daheim erhalten bleibt», sagt sie.

Die Betreuung und Erziehung der Kinder sollte auch nach dem Beziehungs-Aus gleichberechtigt aufgeteilt werden.

Das Nestmodell 

Sam und Anneka Beatty leben seit ihrer Trennung im sogenannten Nestmodell. Die Kinder und die Katze leben in der gemeinsamen Familienwohnung, die Eltern wechseln sich ab. Die kinderfreie Zeit verbringt jeweils ein Elternteil in einer Zweitwohnung. 

Für die Töchter habe dieses Modell den Vorteil, dass sie nicht zwischen zwei Haushalten hin- und herpendeln müssten. Das fixe Daheim gebe ihnen das Gefühl von Stabilität und Sicherheit, sind die Eltern überzeugt. 

Anneka und Sam Beatty mit ihren Kindern
Legende: Anneka und Sam Beatty essen am Übergabetag oft gemeinsam mit den Kindern in der Nestwohnung. SRF

Dafür nehmen Sam und Anneka Beatty einen Mehraufwand auf sich: Einerseits organisatorisch, weil sie nun alle paar Tage die Tasche packen und sich zwischen zwei Wohnungen hin und her bewegen müssen.

Zum anderen auch finanziell, weil eine weitere Bleibe Zusatzkosten generiert. Um diese möglichst gering zu halten, teilen die Beattys sich ein Zimmer in einer WG, das sie abwechslungsweise nutzen.

Voraussetzung für das Funktionieren des Nestmodells ist laut Anneka Beatty eine gute Beziehung der Eltern: «Man muss sich als Liebespaar emotional voneinander lösen und einen neuen freundschaftlichen Umgang finden.»

Das Residenzmodell

Die Beattys bilden mit dem Nestmodell hierzulande eine Ausnahme. Meist wachsen Kinder nach der Trennung im sogenannten Residenzmodell auf: Die Kinder leben vorwiegend bei einem Elternteil – mehrheitlich bei der Mutter.

Gerade mal 15 Prozent aller getrennten oder geschiedenen Eltern teilen sich die Betreuung der Kinder mehr oder weniger ausgewogen auf. Das ist einem Bericht des Bundesamts für Statistik (BFS) aus dem Jahr 2020 zu entnehmen.  

Das Wechselmodell

Seit ein paar Jahren ist in der Schweiz ein Trend hin zum Wechselmodell zu erkennen. Bei der alternierenden Obhut lebt ein Kind zu mehr oder weniger gleichen Teilen bei beiden Eltern. Die Betreuungsform der alternierenden Obhut ist seit 2017 sogar im Zivilgesetzbuch verankert.

Die Väter wollen mehr in die Alltagsbetreuung der Kinder involviert werden und nicht bloss die ‹Spass-Bezugsperson› an den Wochenenden sein.
Autor: Seraina Herzberg Fachstelle Elternschaft und Unterhalt der Stadt Zürich

Wenn ein Elternteil die alternierende Obhut verlangt, müssen die zuständigen Behörden das Modell prüfen. Mit heutigem Wissensstand geht man davon aus, dass die geteilte Obhut dem Kindeswohl dient. Zumal so beide Elternteile eine stabile Beziehung zum Kind aufbauen können.

Die Gesellschaft sei im Wandel und gerade in urbanen Gebieten werde die alternierende Obhut vermehrt gelebt, erklärt Seraina Herzberg von der Fachstelle Elternschaft und Unterhalt der Stadt Zürich. «Die Väter wollen mehr in die Alltagsbetreuung der Kinder involviert werden und nicht bloss die ‹Spass-Bezugsperson› an den Wochenenden sein.»

Stephan Meier und Nina Pfister haben sich nach ihrer Trennung für ebendieses Wechselmodell entschieden und teilen sich die Betreuung der fünfjährigen Zwillinge gleichberechtigt auf. Was heute im Grossen und Ganzen gut geht, verlief anfangs sehr holprig.

Stephan Meier und Nina Pfister
Legende: Nina Pfister und Stephan Meier bereden nur noch das Nötigste. SRF

Nach der Trennung und der Geburt der Kinder hatte Stephan Meier Angst, er könne seine Kinder überhaupt nicht mehr sehen. Er habe mehrere Jahre kämpfen müssen, damit er sie heute zu 50 Prozent bei sich haben dürfe, erzählt er. «Aussenstehende Personen gaben mir zu verstehen, meine Forderungen seien schlecht. Eine Mutter sei wichtiger für die Kleinkinder, ich solle hinten anstehen.»

Stephan Meier und Nina Pfister haben eine konfliktreiche Zeit hinter sich. Auch eine professionelle Mediation konnte die Streitereien nicht schlichten. Heute haben die beiden einen Weg gefunden, wie das Wechselmodell trotz Meinungsverschiedenheiten funktioniert.

Zum Wohl von allen beschränken sie die elterliche Kommunikation auf ein Minimum. Zudem hat Nina Pfister gelernt, loszulassen und zu vertrauen: «Ich weiss nicht, was meine Kinder machen, was sie essen und wen sie treffen, wenn sie beim Vater sind.» Trotzdem habe die Distanz zueinander geholfen und Frieden gebracht.

Die Familien-WG 

Ramon Zimmermann und Petra Calzaferri haben sich nach dem Liebes-Aus für ein Modell entschieden, das auf den ersten Blick nicht nach Trennung aussieht. Die Eltern leben weiterhin im selben Haushalt und kümmern sich zu etwa gleichen Teilen um ihre beiden kleinen Kinder.

Wir sagen ihnen, wir haben uns immer noch gerne. Wir sind beide für sie da. Aber Mami küsst jetzt einen anderen.
Autor: Ramon Zimmermann Vater und getrennt

Diese hätten gar nicht mitbekommen, dass sie kein Liebespaar mehr seien. «Wir sagen ihnen, wir haben uns immer noch gerne. Wir sind beide für sie da. Aber Mami küsst jetzt einen anderen», so Ramon Zimmermann.

Ramon Zimmermann und Petra Calzaferri
Legende: Ramon Zimmermann und Petra Calzaferri sind kein Liebespaar mehr, leben aber mit ihren Kindern immer noch im selben Haushalt. SRF

Die Familien-WG funktioniert wohl nur deshalb so gut, weil die Eltern auch nach der Trennung noch immer beste Freunde sind und einander Freiraum geben. Zimmermann und Calzaferri verbringen auch viel Zeit getrennt und schaffen sich so Raum für die individuelle Entwicklung.

Interview mit Fachstelle für Elternschaft und Unterhalt

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Interview mit Seraina Herzberg
Legende: Seraina Herzberg, Fachstelle für Elternschaft und Unterhalt der Stadt Zürich. SRF

SRF: Wie finden die Eltern das passende Wohnmodell für die Familie?  

Seraina Herzberg: Das kommt sehr auf die Bedürfnisse der Familie an. Auf das Alter der Kinder, die finanziellen Möglichkeiten der Eltern, den Wohnungsmarkt, die Beziehung zwischen den Eltern, die neuen Beziehungen zu neuen Partnern usw.

Oft kommen die Paare zu uns, bevor sie sich trennen. Sie möchten sich beraten lassen, welches Modell für sie passen könnte. Aber man kann die Zukunft einer Familie nicht so planen wie eine Ausbildung oder eine Heirat.

Wann ist das Nestmodell sinnvoll? 

Das Nestmodell kommt eher selten vor. Viele wenden es am Anfang einer Trennung an – als Übergangslösung. Es ist ein anspruchsvolles Modell.

Man hat eine gemeinsame Haushaltsführung, und wenn neue Partnerinnen und Partner ins Spiel kommen, ist die Herausforderung noch grösser.

Für die Kinder ist es meist praktisch, aber es kann auch dazu führen, dass sie die Chefs werden in der Nestwohnung. Das kann wiederum eine Herausforderung für die Eltern sein, die kommen und gehen. 

Was halten Sie von der Familien-WG? 

Das ist vielleicht ein Modell, das Paare schon vor einer Trennung leben. Wir erleben es in der Beratung kaum, dass dieses Modell angewendet wird. 

Was muss für das Funktionieren des Wechselmodells beachtet werden?  

Sobald die Kinder in den Kindergarten gehen, ist es sicher hilfreich, wenn die Eltern in Gehdistanz voneinander wohnen. Gerade im Teenageralter, wenn sie ihre Zeit mit gleichaltrigen Freunden verbringen wollen und in Vereinen sind, möchten sie sich an einem Ort einnisten.

Dann wollen sie plötzlich nicht mehr zum Elternteil, der weiter weg vom sozialen Umfeld wohnt. Beim Wechselmodell ist die Kommunikation wichtig.

Es braucht klare Absprachen. Die Eltern müssen auch eine gewisse Grosszügigkeit und Flexibilität an den Tag legen. Man muss akzeptieren können, dass es am anderen Ort halt mehr Zucker und Fernsehen gibt.

Was bedeutet es für die Kinder, in zwei verschiedenen Welten zu leben? 

Für die Kinder ist es nicht schwierig, wenn es zwei verschiedenen Welten gibt. Sie kommen gut klar mit verschiedenen Regeln. Es wird dann schwierig, wenn es eine Entwertung der anderen Welt gibt.

Welches Modell empfehlen Sie Eltern, die sich nicht mehr verstehen? 

Egal, welches Modell gelebt wird: Es ist für das Kind anspruchsvoll, wenn die Eltern jahrelang miteinander streiten und Entwertungen stattfinden. Je mehr Wechsel es gibt, desto mehr wird es mit dem Konflikt konfrontiert.

Früher hat man von der alternierenden Obhut abgeraten, wenn die Eltern sich nicht verstehen. Jetzt sagt man: Auch dann ist es möglich. Es braucht einfach klare Absprachen. Man darf nicht vergessen, dass 90 Prozent der Eltern es gut auf die Reihe bekommen.

Welches Modell ist für die Kinder das beste? 

Das kann man nicht generell beantworten. Die Kinder sind alle verschieden. Wir plädieren für Flexibilität. Am besten, man probiert mal etwas aus.

Vielleicht klappt der Wechsel am Mittwochmittag nicht, dann versucht man die Übergabe mal am Donnerstag nach dem Hort zu machen. Dann hat der eine Elternteil vielleicht eine Nacht weniger, dann muss man wieder anpassen. Man bespricht es auch mit dem Kind.

Es kann sich auch alles verändern. Im Primarschulalter ist die alternierende Obhut gut möglich. Wenn die Kinder älter werden, haben sie andere Bedürfnisse. Vielleicht möchten sie sich mehr einnisten. Dann muss man wieder neue Formen suchen.

Das Gespräch führte Donat Hofer.

Radio SRF 1, 03.02.2024, 10:00 Uhr;kobt

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