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Gaming nonstop LAN-Party: Ein Wochenende mit 2000 Gamerinnen und Gamer

Reporterin Michèle Rüedi spielt sonst allein zu Hause: in Ruhe, für sich. An der SwitzerLAN trifft sie 2000 Menschen, die ihre PCs und Schlafsäcke im Gepäck haben. 72 Stunden lang wird gezockt, gelacht und ein wenig geschlafen. Manchmal auch unter dem Tisch.

Wenn um Punkt 14 Uhr die Türen der Bernerexpo aufgehen, sieht es aus, als würden 2000 Menschen in den Festivalurlaub starten. Nur tragen sie keine Zelte oder Bierdosen, sondern Tower-PCs, Curved-Monitore, mechanische Tastaturen, Gaming-Stühle und Schlafsäcke. Willkommen an einer der grössten LAN-Partys Europas!

Menschen warten mit Gepäck in langer Schlange vor Lagergebäude.
Legende: Die Teilnehmenden stehen Schlange und warten, bis sich die Tore öffnen. Im Gepäck haben sie neben ihrem Schlafplatz auch ihr komplettes Gaming-Set-Up. Mannephotos.ch – David Roth

Für mich, Michèle Rüedi, Reporterin bei SRF, war Gamen bislang eher ein stilles Vergnügen: gemütlich zu Hause auf dem Sofa, meist allein. Diese Welt hier an der LAN ist eine andere: lauter, greller, kollektiver.

Person im roten Pullover spielt Videospiel mit Controller.
Legende: SRF rec. Reporterin Michèle Rüedi spielt vor allem Storygames wie «The Last of Us». SRF

Für meine Reportage tauche ich tief ein in die Szene. Schon beim Betreten der Halle spüre ich, wie stark das Gemeinschaftsgefühl ist: Menschen fallen sich in die Arme, begrüssen sich wie alte Schulfreundinnen und Schulfreunde. Einige sehen sich zum ersten Mal «in echt», obwohl sie online schon seit Jahren zusammenspielen.

Revival der LAN-Partys

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LAN-Partys sind Treffen von Gamerinnen und Gamern, die ihre Computer in einem lokalen Netzwerk verbinden, um gemeinsam vor Ort zu spielen. Entstanden sind sie in den 1990er-Jahren, als schnelles Internet noch kaum verbreitet war und Spiele wie Doom oder Quake über lokale Netzwerke (Local Area Network) gespielt wurden.

Ihren Höhepunkt erreichten LAN-Partys Anfang der 2000er-Jahre. Mit der Verbreitung von Breitbandinternet verloren sie dann jedoch an Bedeutung. Mit schnellen Internetverbindungen konnten Spieler über das Internet von zu Hause aus miteinander spielen, ohne physisch an einem Ort zusammenkommen zu müssen. Das machte das Aufbauen grosser Netzwerke vor Ort überflüssig.

Heute erleben LAN-Partys ein Revival: Nostalgie, persönlicher Austausch, Community-Gefühl und der Wunsch nach gemeinsamen Erlebnissen abseits des rein digitalen Online-Gamings machen LAN-Partys wie die SwitzerLAN wieder attraktiv.

Ich treffe mich mit Adrian Gerber, Melanie Kreis und Nadine Leimbacher. Sie sind ein eingespieltes Trio, das sich durchs Zocken gefunden hat. Adrian und Melanie sind ein Paar, verkuppelt wurden sie von Nadine. «Ohne Gaming hätten wir uns vielleicht nie kennengelernt», scherzen Adrian und Nadine.

Das Trio an der SwitzerLAN

Die drei schleppen ihre Ausrüstung durch die Halle. Jeder Platz ist mit Steckdosen, Netzanschluss und Snacks ausgestattet. Adrian mietet sich ein komplettes Gaming-Setup direkt vor Ort. Inklusive Stuhl. Er hatte keine Lust sein Set-Up zu Hause abzubauen.

Menschen unterhalten sich in einem Veranstaltungsraum mit Tischen und Computern.
Legende: Die Stimmung ist ausgelassen: Adrian Gerber begrüsst seine Freundinnen und Freunde. SRF

Ich spreche mit anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Die Leute zeigen mir stolz ihre selbstgebauten PCs, erzählen von ihren Lieblingsspielen, schwärmen vom LAN-Gefühl.

Die Schlafhalle, zwei Stockwerke über dem Gaming-Bereich, erinnert an ein Notlager. Matten, Decken, Schlafsäcke, verteilt auf dem Boden. Die besten Plätze an den Wänden sind schon weg. Nadine, Melanie und Adrian müssen in der Mitte schlafen.

Menschen in einer grossen Halle mit Matratzen auf dem Boden.
Legende: Schlafhalle an der SwitzerLAN: Hier übernachten die 2'000 Gamerinnen und Gamer. SRF

Was mich überrascht: Am ersten Abend wird kaum gezockt. Es gibt Vorträge, Konzerte, eine Bar und eine Kopfhörer-Disco! Später nimmt Adrian an einem GeoGuessr-Turnier teil. Früher war der 36-jährige Berner E-Sportler, heute coacht er ein Team. An Events wie der SwitzerLAN versammelt sich fast sein ganzer Freundeskreis. 

Um 22 Uhr wird das grelle Hallenlicht abgeschaltet. Nur noch violette Spots und das flackernde Leuchten von tausenden Screens tauchen die Halle in eine surreale, futuristische Stimmung. Konzentrierte Gesichter, fliegende Finger, das Summen der Lüfter. Immer wieder brandet Applaus auf. Adrian erklärt: «Manchmal gewinnt jemand ein Spiel. Oder jemand zieht aus Versehen den Stromstecker einer ganzen Reihe. Man klatscht einfach mit.» 

Das richtige LAN-Feeling

Nadine spielt Apex Legends, vernetzt mit Freundinnen und Freunden über ihr Headset. Durchs Gamen lernt sie auch immer wieder neue Leute kennen.

Mein Fazit: Hier zählt das Miteinander. Ich bin überzeugt: Wer will, findet an der SwitzerLAN Anschluss … und zwar echt schnell. Ich jedenfalls komme wieder. Vielleicht nächstes Mal nicht als Reporterin, sondern einfach als Gamerin.

Hartnäckige Vorurteile

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Das Klischee vom Loser, der seine Zeit alleine im Keller mit Gamen verschwendet, ist laut SRF-Digitalexperte Guido Berger noch immer weit verbreitet. Nicht nur bei älteren Menschen, sondern beispielsweise auch bei jungen Männern der sogenannten Manosphere.

Die Manosphere ist ein Sammelbegriff für Onlinecommunitys, Blogs und Foren, in denen die User und Männlichkeits-Influencer wie Andrew Tate antifeministische und frauenfeindliche Ansichten verbreiten. Dort werde sinngemäss vermittelt: «Du musst ins Fitnessstudie gehen statt zu gamen. Wenn du gamest, bist du ein Loser.»

Gamer werden oft als faul, unsozial und unreif abgestempelt. Warum halten sich diese Vorurteile so hartnäckig? Erwachsene, die etwas «spielen», würden grundsätzlich als suspekt wahrgenommen. «Die Vorstellung, dass nur Kinder spielen und Erwachsene sich mit dem echten Leben befassen sollten statt mit einer Fantasiewelt, ist tief verankert», sagt Berger.

SRF 2, 15.12.2025, 22:30 Uhr

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