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Grossbanken in der Kritik Der Schweizer Finanzplatz und die Klimakrise

CS und UBS: Die Spur des Geldes führt zu Kohlegruben in Deutschland und Fracking-Firmen in den USA.

«Hier sieht es aus wie in einem Kriegsgebiet!» David Dresen blickt auf zerstörte Häuser des Geisterdorfes Immerath nahe Köln. Es wurde vor zwei Jahren abgerissen, weil unter seinem Boden Braunkohle liegt. Der 28-Jährige und seine Mutter Marita Dresen schauen zu den Schutthalden.

In ein paar Jahren droht ihnen dasselbe Schicksal. Der Energiekonzern RWE will weitere Dörfer für Braunkohle abreissen, obwohl die deutsche Regierung beschlossen hat, bis spätestens 2038 alle Kohlekraftwerke stillzulegen. Wenige Kilometer von Marita und David Dresen entfernt, dringen riesige Bagger bis 200 Meter in die Tiefe. Der Tagebau Garzweiler – eines der grössten künstlichen Löcher Europas. Kohle ist der klimaschädlichste aller Brennstoffe.

Umsiedlung trotz Kohleausstieg

«Sie zerstören nicht nur mein Zuhause, sondern auch das Weltklima!» David Dresen streitet sich mit einem Wachmann von RWE. Das Argument, dass in seinem Bundesland Nordrhein-Westfalen noch über 40 Prozent des Stroms von der Braunkohle stammt, interessiert den ehemaligen Mathelehrer und heutigen Aktivisten nicht. Wolle man die Pariser Klimaschutzziele erreichen, müsse der Ausstieg aus der Kohle bis 2030 gelingen.

CS und UBS finanzieren Kohleabbau

Finanziert wird der Konzern RWE von internationalen Banken. Gemäss Finanzdatenbanken auch von der Credit Suisse bis 2019 und von der UBS im Jahr 2016. Beide Banken bekennen sich dazu, ihr Geschäft mit den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens in Einklang bringen zu wollen.

Seit das Abkommen 2016 in Kraft getreten ist, haben die beiden Banken aber über 88 Milliarden Dollar für Kohle-, Öl- und Gasfirmen mit Krediten und Vermittlung am Kapitalmarkt finanziert. Dies ergibt eine Analyse, die SRF DOK bei der niederländischen Firma Profundo in Auftrag gegeben hat.

Die Firma ist spezialisiert auf Finanzanalysen in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen. Gemäss Profundo-Analyse haben Credit Suisse und UBS seit 2016 über 270 Millionen Dollar allein fürs Kohlegeschäft des Energiekonzerns RWE in Form von Krediten gewährt und am Kapitalmarkt vermittelt. Wie passt das zu ihrem Bekenntnis für den Klimaschutz?

CS: «Umsiedlung ist bedauerlich»

Die UBS will nicht Stellung nehmen zu Firmen, mit denen sie Geschäfte macht. Gleich wie die Credit Suisse betont sie aber, keine neuen Kohlekraftwerke mehr zu finanzieren und die Finanzierung von Kohleabbau und Kohlestrom zu beschränken.

Zur Kritik, dass die Credit Suisse mitschuldig an der Umsiedlung von Dorfbewohnern wie der Familie Dresen sei, sagt Bruno Bischoff, Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung der CS: «Das ist bedauerlich, aber es ist Teil der Transformation.» RWE erhöhe die Produktion von erneuerbaren Energien sukzessive. Aber der Übergang zur fossilfreien Energieversorgung brauche Zeit und Kapital, sagt Bischoff, Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung der CS.

Bruno Bischoff, Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung der Credit Suisse.
Legende: Bruno Bischoff, Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung der Credit Suisse. SRF

Banken als Spätzünder

Weiter als die Schweizer Grossbanken gehen ihre Konkurrenten Royal Bank of Scotland und Crédit Mutuel: Sie haben diesen Februar angekündigt, bis 2030 ganz aus der Finanzierung von Kohle auszusteigen. Im Vergleich zu vielen Pensionskassen und Versicherungen sind aber auch sie Spätzünder.

Die grösste Schweizer Pensionskasse Publica investiert bereits seit 2016 nicht mehr in Firmen, die Kohle abbauen. Pensionskassen haben einen langfristigen Anlagehorizont, und Versicherungen bekommen die Klimarisiken direkt zu spüren.

CS: Ölgeschäft in Texas

Das grösste Geschäft im Bereich der fossilen Energien machen die Schweizer Grossbanken mit Öl- und Gasfirmen. Gemäss Profundo-Finanzanalyse hat die Credit Suisse mit rund 45 Milliarden Dollar seit 2016 fast doppelt so viele Mittel für Öl- und Gasfirmen beschafft wie die UBS.

Die Spur des Geldes der Credit Suisse führt in den Westen von Texas. Ins riesige Öl- und Gasfeld Permian Basin, das sich bis nach New Mexico erstreckt und fünfmal so gross ist wie die Schweiz.

Jim und Sue Franklin mussten mitansehen, wie Ölfirmen ab 2016 ein Bohrloch nach dem anderen rund um ihre Ranch in der Wüste errichteten. Im Permian Basin wird nach Erdöl gefrackt, eine umstrittene Methode: Um eine Öl- und Gasquelle auszubeuten, werden einige Millionen Liter Wasser mit Chemikalien versetzt ins Schiefergestein gepresst.

Umweltpolitisch heikel ist auch der Umstand, dass die Firmen grosse Mengen des Gases abbrennen und in die Luft entweichen lassen, weil es am Markt viel weniger wert hat als Öl, und weil es im Permian Basin zu wenige Pipelines gibt.

Fracking im Permian Basin in Texas. Statt das Gas in Pipelines zu lenken, wird es abgefackelt.
Legende: Fracking im Permian Basin in Texas. Statt das Gas in Pipelines zu lenken, wird es abgefackelt. SRF

Umwelt- und Gesundheitsproblem Fracking

Sue Franklin sagt, sie sei eines Nachts vom starken Geruch des Gases erwacht. «Es roch nach faulen Eiern. Ich lag im Bett und fragte mich: Was zur Hölle passiert mit mir?» Manchmal hätte sie das Gefühl gehabt, nicht mehr atmen zu können. Ihr Arzt konnte den direkten Zusammenhang zum Fracking nicht beweisen, aber seit das Ehepaar aus der Fracking Zone weggezogen ist, seien ihre Gesundheitsprobleme weg, sagt Sue Franklin.

Laut Energieberatungsfirma Rystad Energy wurde 2019 im Permian Basin so viel Gas abgefackelt, dass die rund sieben Millionen Haushalte in Texas damit hätten geheizt werden können.

Der böse Zwilling von CO2

«Schau dir das an!» sagt Umweltschützerin Sharon Wilson und schüttelt den Kopf. Ihre spezielle Infrarotkamera ist auf einen Tank gerichtet, in dem das gefrackte Gas lagert. Die Kamera macht unsichtbare Schadstoffe sichtbar. Sie zeigt eine schwarze Wolke, die durch ein Ventil entweicht. Es sind Kohlenwasserstoffe, vor allem Methangas.

Methan ist quasi der böse Zwilling von CO2, es heizt den Planeten noch viel stärker auf. Der Tank gehört der Firma Diamondback Energy. Gemäss Profundo-Analyse hat die Credit Suisse ihr die meisten Mittel im Bereich der fossilen Energien bereitgestellt: rund 2.6 Milliarden Dollar seit dem Pariser Klimaschutzabkommen.

«Der Kriminelle ist der Sheriff»

In Texas gibt es keine direkten Grenzwerte für Methan. Die Behörden würden nicht messen, was in die Luft geht, sagt Sharon Wilson, die früher bei einer Ölfirma angestellt war. Die Firmen melden den Ausstoss ihrer Schadstoffe selber. «Der Kriminelle ist der Sheriff», sagt Sharon Wilson trocken. Bis jetzt erfassen Firmen und damit auch die Behörden das abgefackelte und das entwichene Gas mit einer einzigen Zahl.

Gemäss Rystad Energy ist diese Zahl bei Diamonback Energy überdurchschnittlich hoch im Vergleich zu anderen Firmen im Permian Basin. Diamondback gibt dazu keine Auskunft. Eigentlich müsste das Gas in Pipelines geleitet werden. Aber die texanischen Behörden erteilen Ausnahmebewilligungen fürs Abfackeln.

Die Nachfrage von SRF DOK bei der zuständigen Texas Railroad Commission zeigt: Die Ausnahme ist in Texas die Regel. Von 19'300 Firmenanfragen fürs Abfackeln seit 2016 wurden gerade mal acht Anfragen abgelehnt. In Zukunft aber werde man strenger sein, schreibt der Pressesprecher.

Richtlinien und Realität

Die Schweizer Grossbanken haben spezielle Weisungen für Umweltrisiken. «Die Credit Suisse bemüht sich um die Förderung umwelt- und klimaschonender Öl- und Erdgasmethoden», schreibt die Bank.

Was sagt ihr Nachhaltigkeitsbeauftragter dazu, dass die Realität in Texas ihren Richtlinien diametral widerspricht? «Die CS schaut genau, wie die Firmen versuchen, das Abfackeln des überschüssigen Gases zu minimieren», sagt Bruno Bischoff. Die Branche hätte das Problem erkannt.

Letztes Jahr aber wurde so viel Gas wie noch nie zuvor im Permian Basin abgefackelt oder in die Luft gelassen gemäss Rystad Energy. Erst die Pandemie mit dem Einbruch der Nachfrage nach Öl und seinem grossen Preiszerfall hätten zur Folge, dass sich die CO2-Emissionen dieses Jahr im Vergleich zu 2019 ungefähr halbieren werden.

Umweltpolitisches und finanzielles Risiko

«Worst case scenario!», riefen US-Nachrichtensprecher am 20. April ungläubig. Der US-Ölpreis WTI war kollabiert und erstmals in seiner Geschichte ins Negative gefallen. Das hiess: Die Ölhändler mussten dafür bezahlen, dass ihnen überhaupt noch jemand den Rohstoff abkaufte.

Unterdessen hat sich der Ölpreis wieder erholt. Experten aber sagen, er sei nicht hoch genug, um Fracking rentabel zu machen. Fracking ist auch finanziell riskant: Das Bohren ist sehr teuer, und die Ölquellen versiegen nach wenigen Jahren.

Darum gilt: «Drill baby, drill». Fällt der Ölpreis, werden Schulden mit neuen Schulden bezahlt, weil die Quellen zu wenig Cash generieren. 40 amerikanische Öl- und Gasproduzenten haben seit Anfang Jahr bankrott angemeldet gemäss Anwaltskanzlei Haynes and Boone.

«Adjustierter Risikoappetit»

Das hat direkte Folgen für Banken: Seit Anfang Jahr haben sie und Investoren Verluste über rund 30 Milliarden Dollar erlitten. Die Credit Suisse hat 7.5 Milliarden Dollar an Krediten ausstehend bei Öl- und Gasfirmen, fast die Hälfte davon im sogenannten «non-investment grade», also riskant mit erhöhtem Ausfallrisiko.

7.5 Milliarden – das ist 1.5 Mal so viel wie der letztjährige Jahresgewinn der Bank. Bei den Emissionen vertraut der Nachhaltigkeitsbeauftragte auf die Selbstregulation der Ölbranche. Bei den Bankrotten der Öl- und Gasproduzenten klingt es etwas anders. Sie würden der Bank helfen, «den Risikoappetit zu adjustieren».

DOK, 15.10.2020, 20.05 Uhr

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