Andrea Scherz ist der Besitzer des Luxushotels Gstaad Palace und leitet das Haus in dritter Generation seit 29 Jahren. Vor ihm waren schon sein Vater und sein Grossvater im weissen Palast hoch über Gstaad Gastgeber für die Hautevolee. Bis das Hotel richtig erblühte, musste es immer wieder durch schwierige Zeiten.
«Einmal haben sie uns das Telefon abgestellt, weil wir die Rechnungen nicht bezahlen konnten», erinnert sich Andrea Scherz. Deshalb waren Innovation und Unternehmergeist gefragt.
Obwohl es den Begriff damals noch nicht gab, sei sein Grossvater Ernst Scherz wohl ein Marketinggenie gewesen, sagt Scherz. Er hatte nämlich die Idee, in den 1950er-Jahren Showgrössen wie Louis Armstrong nach Gstaad einzuladen und damit Gäste aus der ganzen Welt in sein Hotel zu locken.
Das Konzept ging auf: Das «Gstaad Palace» etablierte sich immer mehr als Hort für Stars und Superreiche.
Julie Andrews, Mireille Mathieu oder Mick Jagger fanden ebenso den Weg ins «Palace» wie die Königin von Thailand oder arabische Prinzen. Auch später noch liefen die Geschäfte nicht immer rosig. Ernst Andrea Scherz, Andrea Scherz’ Vater, liess deshalb auf dem Gelände des Hotels Chalets bauen, die er an Gäste verkaufte. Dank dieser finanziellen Mitteln gelang schliesslich der Turnaround.
Verwöhnte Gäste
Das «Gstaad Palace» bietet 90 Zimmer und Suiten an, die Preise bewegen sich zwischen rund 1000 und 16’000 Franken pro Nacht. 300 Mitarbeitende kümmern sich rund um die Uhr um die anspruchsvolle Klientel. «Unsere Gäste sind auf einem sehr hohen Level verwöhnt», weiss Andrea Scherz. Viele von ihnen beschäftigen auch bei sich zu Hause ein Heer von Bediensteten.
Beim Aufenthalt im Hotel zeigen sich die Ansprüche in bisweilen ausgefallenen Sonderwünschen – für sich selber sowie für die Vierbeiner, die sie oft begleiten. «Letztens war ein Hund da, der hat jeden Nachmittag Kaviar gefressen.» Franz Faeh, der kulinarische Direktor des «Palace», zuckt nur die Schultern: «Money talks, bullshit walks.»
Die Wünsche der Gäste zu erfüllen, ist ein Credo im Gstaader Luxushaus. Ganz nach dem Motto: Wer zahlt, befiehlt. Aber: «Auch hier gibt es Grenzen», erzählt Barbara Branco Schiess, Guest Relations Managerin. So würde man zum Beispiel niemals einen Escortservice organisieren: «Es muss im ethischen Bereich sein», das ist Branco Schiess wichtig.
Zum Abschied eine Louis-Vuitton-Tasche
Ihre Dankbarkeit für den Rundumservice zeigen die Gäste immer wieder mal mit grosszügigen Geschenken. Barbara Branco Schiess hat schon verschiedentlich wertvolle Präsente erhalten, zuletzt eine Louis-Vuitton-Tasche, aber auch schon einen Hermès-Gürtel oder eine Halskette.
«Darüber freue ich mich natürlich, aber bestechlich bin ich deshalb nicht», versichert Branco Schiess, die seit mehr als 25 Jahren im Palace tätig ist. Man habe ihr auch schon 1000-er Noten zugesteckt, um ein Zimmer zu bekommen. So etwas aber weise sie entschieden zurück.
Überhaupt: Die Beziehung zu den Gästen ist ein wichtiges Thema im Hotelbetrieb. «Wir müssen so freundschaftlich wie möglich und gleichzeitig genügend distanziert auftreten, das ist ein schmaler Grat», erzählt Franz Faeh. Es dürfe nur darum gehen, die Leute gut zu umsorgen, so dass sie gern ein nächstes Mal ins «Gstaad Palace» kommen und am besten das Hotel auch noch ihren Freunden weiterempfehlen.
Love is in the Air
Beziehungspflege ist nicht nur zwischen Belegschaft und Hotelgästen ein Thema. Auch unter den Angestellten entstehen Verbindungen, manche fürs Leben.
So hat Barbara Branco Schiess ihren Ehemann vor 25 Jahren im Palace kennengelernt. «Es war Liebe auf den ersten Blick! Er hat mir sofort gefallen – seine Muskeln, sein blendendes Aussehen», schwärmt sie noch heute. Luis Branco arbeitet im Mitarbeiterrestaurant Marmite und versorgt seine Ehefrau jeden Morgen mit einem glutenfreien Brötli und einem Kaffee.
Auch in der Küche hat es gefunkt. Sandro Bühler hat sich ebenfalls am Arbeitsplatz verliebt, seine Freundin arbeitet wie er als Köchin im Palace.
«Natürlich weiss ich das, ich habe doch keine Tomaten auf den Augen», lacht Franz Faeh, der kulinarische Direktor. Ihn störe das nicht, solange es die Arbeit nicht tangiere. Und ja, auch in sein Herz habe sich wieder jemand geschlichen, verrät er mit glänzenden Augen. Mit dem «Palace» habe das allerdings nicht zu tun, selber ist dem Küchenchef eine strikte Trennung von Beruf und Privatleben wichtig
Scherz: Der Name verpflichtet
Seit drei Generationen nun ist das Hotel Gstaad Palace in der Hand der Familie Scherz. «Mein Vater hat meinem Bruder und mir immer offengelassen, ob wir seine Arbeit weiterführen möchten», erzählt der jetzige General Manager Andrea Scherz. Ihn habe die Aufgabe gereizt, sein Bruder sei bis zum Tod vor rund zehn Jahren eher der musische Typ gewesen und habe andere Wege beschritten.
Und die nächste Generation? Der 55-jährige Andrea Scherz hat zwei erwachsene Kinder. Alexandre hat die Hotelfachschule absolviert, Sabrina hat einen Bachelor in Psychologie. «Natürlich würde ich mich freuen, wenn sie in meine Fussstapfen treten möchten», sagt Scherz, «gleichzeitig sollen sie das aus freien Stücken tun.»
Ganz wichtig dabei sei ihm, dass sie der Aufgabe gewachsen sind: «Es soll nicht ein Scherz sein, der das Hotel zugrunde richtet!» Nun, die Chancen stehen gut: Sabrina und Alexandre bestätigen, dass sie ihre berufliche Zukunft im Hotel sehen. «Ja, ich will! Wir Geschwister ergänzen uns bestens, Alexandre wird im Vordergrund tätig sein, ich eher hinter den Kulissen», strahlt Sabrina Scherz.