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Die Hochzeitsfeier von Abdul und Fatemeh
Aus DOK vom 08.02.2017.
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SRF DOK Heiraten kann nur, wer Geld hat

Hochzeiten sind in Afghanistan meist arrangiert und ein Handel. Liebesheiraten sind daher selten. Der DOK «Romeo und Julia in Afghanistan» erzählt von einer Liebe mit vielen Hindernissen, die dank des Einsatzes einer energischen Hilfswerkleiterin doch möglich wurde. Wie geht es dem Ehepaar heute?

Zur Person

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Mahboba Rawi leitet die australische Stiftung «Mahboba's Promise» und unterstützt Frauen und Waisenkinder in Afghanistan. Mahboba Rawi ist in Kabul geboren. Nach dem Einmarsch der Sowjetunion flüchtete sie mit 15 Jahren nach Pakistan und ging später nach Australien. Heute pendelt sie zwischen Australien und Afghanistan.

SRF DOK: Es war ein langer Hindernislauf, bis Abdul und Fatemeh endlich heiraten konnten. Wie geht es den beiden heute?

Mahboba Rawi: Abdul Fatah und Fatemeh sind glücklich verheiratet. Sie sind noch genau so verliebt wie bei ihrer Hochzeit. Sie haben eine süsse 3-jährige Tochter namens Bushra. Und vor einem Monat kam Omar zur Welt.

Mit unserer finanziellen Unterstützung schloss Abdul 2016 ein Pharmaziestudium an einer privaten Universität in Kabul ab. Heute ist er als Logistiker bei unserer Stiftung in Kabul tätig. Doch er träumt davon, eine eigene Apotheke zu eröffnen und auf seinem gelernten Beruf zu arbeiten. So wäre er finanziell abgesichert.

Fatemeh hat die Schule abgeschlossen. Sie hätte gerne eine Ausbildung als Hebamme gemacht. Doch leider ist dies finanziell nicht möglich.

Was macht den beiden im Alltag am meisten zu schaffen?

Abdul beschäftigen vor allem zwei Dinge: Fatemehs Gesundheit und die Angst, obdachlos zu werden.

Fatemeh leidet unter Epilepsie. Die Krankheit ist für beide eine Belastung. Ich hoffe, dass die Familie eines Tages Unterstützung findet, damit Fatemeh behandelt werden kann.

Eine weitere Sorge ist die Miete. Abdul und Fatemeh lebten zuerst mit Fatemehs Familie zusammen. Doch da ihre eigene Familie inzwischen gewachsen ist, sind sie vor kurzem in eine eigene Wohnung gezogen. Abdul verdient 120 Dollar pro Monat, davon bezahlt er 75 Dollar für die Miete. Das ist eine grosse finanzielle Belastung für die Familie.

Vor den Toren des «Hope House» erfrieren Menschen.
Abdul
Legende: Der Waisenjunge Abdul liebt Fatemeh. Doch er kann den hohen Brautpreis nicht zahlen. Amin Palangi

Geld spielte auch bei der Hochzeit von Abdul und Fatemeh eine zentrale Rolle. Können sich Familien eine Hochzeit noch leisten?

Die Armut hindert heute tatsächlich viele daran zu heiraten. Junge Männer, die keine wohlhabenden Eltern haben und nicht genug verdienen, bleiben oft lange Single. Sie müssen zuerst das Geld für die Hochzeit zusammenbringen.

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Das Waisenhaus «Hope House» in Kabul
Aus DOK vom 08.02.2017.
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Wie ist die Situation im Moment im «Hope House»-Waisenhaus, in dem Abdul aufgewachsen ist?

Den Kindern im «Hope House» geht es gut. Doch viele Menschen stecken zurzeit im Schnee und haben keine Kohle und kein Holz zum Heizen. Vor den Toren des «Hope House» erfrieren Menschen.

Ich mache mir auch Sorgen um die Zukunft des Waisenhauses. Denn die Spenden sind seit dem Bürgerkrieg in Syrien zurückgegangen.

Es kann jederzeit und überall Selbstmordanschläge geben.
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«Dieses Geld wird Fatemehs Leben retten.»
Aus DOK vom 08.02.2017.
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Wenn hier in den Medien von Afghanistan die Rede ist, liest man vor allem von Krieg und Terror. Wie sieht der Alltag der Menschen aus?

Das Leben in Afghanistan ist hart. Man ist nie sicher, es kann jederzeit und überall Selbstmordanschläge geben. Jeden Tag werden Opfer von Anschlägen beerdigt. Die Menschen in Afghanistan leben tagtäglich mit der Trauer und dem Schmerz über den Verlust ihrer Liebsten.

Die Regierung funktioniert nicht richtig. Viele Projekte wurden angefangen und nicht fertig gestellt. Erhalten junge Leute die Möglichkeit, verlassen sie alle das Land!

Trotz allem sind die Menschen in Afghanistan sehr geduldig. Sie arbeiten hart, und sie haben eine starke Seele.

Zwei Frauen in Afghanistan
Legende: Frauen und Kinder sind in Afghanistan besonders von Gewalt und Armut betroffen. Amin Palangi

Laut UNO ist Afghanistan für Frauen eines der gefährlichsten Länder der Welt. Inwiefern hat sich die Lage für die Frauen seit dem Sturz der Taliban 2001 verändert?

In den 10 Jahren von Karzais Präsidentschaft (Anm.d.Red.: 2004–2014) erlangten die Frauen viele Rechte zurück. Zahlreiche Universitäten wurden eröffnet, Millionen von Frauen gingen wieder zur Schule und arbeiteten in NGOs, Spitälern und Schulen. Heute sitzen auch Frauen im afghanischen Parlament. Doch seit die neue Regierung an der Macht ist, wurden viele Verbesserungen wieder rückgängig gemacht.

Zahlreiche Frauen in Afghanistan leiden unter physischer und sexueller Gewalt. Witwen sind zudem einem grossen Armutsrisiko ausgesetzt: Für viele bedeutet die Armut den schleichenden Tod.

Was die Frauen in Afghanistan bräuchten, ist eine starke und kontinuierliche Unterstützung seitens der afghanischen Regierung und der westlichen Welt. Nur so können sie sich von den Folgen des seit 30 Jahren andauernden Kriegs, der Gewalt und der Ungerechtigkeit erholen.

Ich habe keine Angst vor den Männern.

Wie ist es für Sie als Frau ein Hilfswerk zu in Afghanistan zu leiten?

Im Vergleich zum Westen scheint in Afghanistan für Frauen alles schwierig. Nur ein kleines Beispiel: Frauen dürfen nicht Auto und Fahrrad fahren.

Es ist nicht einfach als Leiterin in Afghanistan. Man muss eine starke Persönlichkeit haben und dafür kämpfen, woran man glaubt.

Ich wollte immer anderen Menschen helfen, mit Bildung ihr Leben zu verbessern. Denn Bildung ist der Schlüssel für eine erfolgreiche und friedliche Zukunft in Afghanistan. Und: Ich habe keine Angst vor den Männern, niemand kann mich aufhalten.

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