Zum Inhalt springen

Herausforderungen beim Hausbau Für diese Schweizer wird ein Traum wahr – sie kaufen ein Haus

Viele wünschen es sich, nicht für alle ist es möglich: ein Eigenheim. Vier Beispiele, bei denen es funktioniert hat.

Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer wünscht sich ein Leben in den eigenen vier Wänden. Diesen Traum zu verwirklichen, ist indes längst nicht für alle möglich. Knapper Boden und steigende Preise stellen künftige Eigenheimbesitzer vor Herausforderungen.

Hausbau mit Hürden

Erica und Rolf Knecht sind im Frühling 2020 mit ihren drei Kindern aus Kuala Lumpur nach Meiringen gezogen – von der malaysischen Megacity ins beschauliche Berner Oberland. Zur Ruhe kommen, war der Plan.

Familie sitzt am Mittagstisch
Legende: Familie Knecht will die Zweizimmerwohnung gegen ein eigenes Haus eintauschen. SRF

Die Familie liess sich zunächst in einer Zweizimmerwohnung nieder, aber schon bald war klar: Knechts brauchen dringend mehr Platz.

Wir wollten, dass unsere Kinder endlich Wurzeln schlagen können. Dafür war es in dieser Wohnung aber schlicht zu eng.
Autor: Rolf Knecht Baut mit seiner Familie ein Eigenheim

«Wir wollten, dass unsere Kinder endlich Wurzeln schlagen können. Dafür war es in dieser Wohnung aber schlicht zu eng», erinnert sich Rolf Knecht. Bald reifte die Idee, sich in der neuen Umgebung definitiv niederzulassen – am liebsten in einem eigenen Haus.  

In der Schweiz ist es wirklich schwierig, ein Haus zu kaufen.
Autor: Erica Knecht Gebürtige Kanadierin

Erica ist gebürtige Kanadierin, zusammen mit Rolf hat sie zwanzig Jahre im Ausland gelebt. «In der Schweiz ist es wirklich schwierig, ein Haus zu kaufen. Wenn du in Kanada an einem Ort, vergleichbar mit Meiringen, bauen würdest, wäre das erschwinglich.»

Dennoch: Erica und Rolf finden im Herbst 2020 ein geeignetes Objekt.

Für eine knappe Million wollen sie ein modernes Holzhaus bauen – ein Zimmer für jedes Kind, Garten und eine frei stehende Badewanne.

«Es war ein spontaner Entscheid, aber das passt zu uns», erzählt Rolf Knecht, der jahrelang in Asien als Küchenchef in Luxushotels gearbeitet hat, «wir stützten uns einzig auf drei Skizzen und einen dreiseitigen Baubeschrieb».

Der Termin auf der Bank zeigt: Eigentlich kann sich die Familie dieses Haus nicht leisten – zu wenig Eigenkapital, zu gering das Einkommen. Damit geht es ihnen, wie vielen anderen auch.

Nur gerade 30 Prozent aller Schweizer Haushalte verfügen über das nötige Eigenkapital, um sich ein durchschnittliches Einfamilienhaus finanzieren zu können. Aber Knechts haben Glück. Rolfs Eltern helfen mit einem Erbvorbezug in Form einer Schenkung aus.  

Unerwartete Mehrkosten tauchen auf

Die Sorgen um das Geld begleiten Familie Knecht durch die ganze Bauphase hindurch. Der Krieg in der Ukraine lässt die Holzpreise in die Höhe schnellen, es kommt zu Lieferengpässen, das Projekt stockt. Am Schluss wird sich der Einzug um ein ganzes Jahr verzögern.

Ein Haus bauen wir nur einmal im Leben – es hat sich gelohnt.
Autor: Rolf Knecht Erfüllt sich den Traum vom Eigenheim

In der Zwischenzeit laufen Mehrkosten auf, insbesondere aufgrund von Änderungswünschen. Die frei stehende Badewanne zum Beispiel war von den Architekten stets nur als kostenpflichtige Variante gedacht.

Das Haus von Familie Knecht.
Legende: Der Neubau von Familie Knecht. SRF

Die Endabrechnung zeigt es: 80’000 Franken mehr als ursprünglich budgetiert zahlen die Knechts für ihr Traumhaus. «Ein Haus bauen wir nur einmal im Leben – es hat sich gelohnt.» Für ihren Traum nimmt die Familie eine hohe Verschuldung in Kauf. Wie so viele Neo-Eigenheimbesitzer in der Schweiz. 

2021 erreichte das Volumen der Hypothekarkredite einen neuen Höchstwert, nämlich 1173 Milliarden Franken – ähnlich wie in Deutschland, allerdings bei rund zehnmal weniger Einwohnern.

Abriss statt Renovation

Raphael Zeder ist 33 Jahre alt, Unternehmensberater und verfolgt zusammen mit seiner Partnerin Ramona zielstrebig den Traum, den 80 Prozent der 16- bis 25-Jährigen in der Schweiz träumen: ein Eigenheim.

Ein Haus, eine Familie, sesshaft werden: Das ist doch einfach grossartig!
Autor: Raphael Zeder Unternehmensberater

«Ich bin ein Bünzli – was ist daran schlecht? Meine Checkliste ist effizient: Ein Haus, eine Familie, sesshaft werden: Das ist doch einfach grossartig!»

Vater und Mutter mit Baby vor der Visualisierung ihres neuen Eigenheim
Legende: Bei Familie Zeder wird aus den Umbauplänen ein Neubau. SRF

Gefunden haben es die beiden im Kanton Aargau – ein kleines Haus aus dem Jahre 1951 mit einem grossen Garten. 750’000 Franken bezahlten sie für die 704 Quadratmeter.

«Fixkosten tief halten, das war das Mantra meines Vaters», erzählt Raphael. Und auch Ramona ist sich einen behutsamen Umgang mit Geld gewohnt: So schafften es die zwei, bereits mit 33 Jahren 400’000 Franken Eigenkapital anzusparen.

Dass das Haus eine umfassende Renovation braucht, war klar, nach dem ersten Rundgang mit dem Architekten zeigt sich aber, eine radikalere Lösung muss her. «Der Rasenmäher ist das Beste am Haus», so der ernüchternde Kommentar von Architekt Carol Egger.

Das Haus von Familie Zeder
Legende: Das Haus von Familie Zeder kostete 750'000 Franken. SRF

Ein Neubau also soll es werden, was nicht nur den Zeitplan über den Haufen wirft, auch die finanziellen Voraussetzungen sind plötzlich ganz anders.

Steigende Kosten strapazieren die Nerven

Die Kosten für Material und Hypotheken haben sich innerhalb weniger Monate zeitweise verdreifacht.

Teuerungen beim Hausbau

Box aufklappen Box zuklappen

Zwischen Oktober 2020 und April 2023 betrug die Bauteuerung 14,3 Prozent, im Vergleich dazu die allgemeine Teuerung 5.6 Prozent. Am höchsten war die Steigerung der Baukosten in der Nordwestschweiz, im Tessin schweizweit am geringsten. 

Im Index der Hochbaupreise bilden die Kosten für den Rohbau grössten Anteil, sie stiegen innerhalb eines Jahres (April 2022 bis April 2023) um 3.3 Prozent. Sanitär-, Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Kälteanlagen verteuerten sich um über fünf Prozent.  

Ein Einfamilienhaus kostete 2022 acht Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor. Auch Eigentumswohnungen sind um sieben Prozent teurer geworden. 

Stahl verteuerte sich in den letzten zwei Jahren 33 Prozent, der Baustoff Holz innerhalb eines Jahres um 20 Prozent.

Weil Ramona und Raphael eine günstige Wohnung mieten und die Hypothekarbelastung dank des Eigenkapitals erträglich ist, können sie sich eine sorgfältige Planung leisten. Dass es am Schluss mehr als drei Jahre dauern wird, bis das neue Haus bereit ist für den Einzug, strapazierte die Geduld dann doch.

Immerhin: einen weiteren Punkt auf der Checkliste können Raphael und Ramona abhaken. Unterdessen ist ihre Tochter geboren, Weihnachten 2024 können sie also aller Voraussicht nach zu dritt im neuen Eigenheim verbringen. 

Das Mehrgenerationenhaus 

Zwei Jahre dauerte die Planung, 3.5 Millionen Franken sind für das gesamte Projekt veranschlagt, vier Generationen sollen hier im thurgauischen Salen-Reutenen gemeinsam einen Platz zum Wohnen finden.

In einem ehemaligen Rossstall bauen Ruth Buser und ihre Schwester Susanne Schrämli drei Wohnungen. Je eine für sich und in die mittlere soll ihre Mutter, Ruth Gubser, einziehen. Das Nebenhaus gehört ebenfalls zum Ensemble, hier wohnt Sohn Philipp Egg mit seiner Frau Jenny und dem kleinen Lian.

Die ganze Familie vor ihrem neuen Haus
Legende: Gemeinsam packt die Familie das grosse Projekt «Mehrgenerationenhaus» an. SRF

Viele der anstehenden Arbeiten wollen sie selber ausführen. Auch hier wird Holz der dominante Werkstoff, auch hier werden sich die explodierenden Preise unangenehm bemerkbar machen. 

Das Bauprojekt birgt zwischenmenschliche Herausforderungen

Das Projekt ist mit vier Wohneinheiten und angrenzendem Pferdestall nicht nur aus baulicher und finanzieller Perspektive gigantisch, auch zwischenmenschlich warten beachtliche Herausforderungen auf die Grossfamilie.

Man weiss nie, was auf einen zukommt. Wenn etwas passiert, bin ich als Familienmitglied ja sowieso involviert, ob wir nun zusammenwohnen oder nicht.
Autor: Philipp Egg Wohnt mit Frau und Baby im Nebenhaus

«Man weiss nie, was auf einen zukommt. Wenn etwas passiert, bin ich als Familienmitglied ja sowieso involviert, ob wir nun zusammenwohnen oder nicht», wägt Philipp Egg ab. Das Zusammenleben wird Toleranz von allen Seiten erfordern und bereits während der Projektierungs- und Bauphase heisst es immer wieder, sich aufeinander abzustimmen.

Ruth Senior muss sich von ihrem eigenen Haus verabschieden, das sie fünfzig Jahre lang mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann bewohnt und wo sie ihre Töchter grossgezogen hat. Eine ehemalige Nachbarin kauft ihr das Haus ab – zu einem sehr guten Preis.

Ruth profitiert von einem allgemeinen Trend: Einfamilienhäuser waren letztes Jahr schweizweit acht Prozent teurer als noch ein Jahr zuvor. Dass der Erlös aus diesem Verkauf viel höher ausfällt als erwartet, wird der Familie später aus der Bredouille helfen. 

Denn auch im Thurgau erweist sich die Finanzierung zunehmend als Knacknuss. Jede Person bringt unterschiedlich viel Eigenkapital ins Projekt, alle aber haben den gleichen Besitzanspruch und das gleiche Mitspracherecht.

Schwiegersohn Pat Schrämli, der die Kosten überwacht, muss anlässlich der wöchentlichen Bausitzung unangenehme Nachrichten überbringen: «Bei den Handwerkerrechnungen ist die Mehrwertsteuer von 7.7 Prozent vergessen gegangen. Zudem sind die Sanitärkosten aufgrund eines Rechenfehlers 50’000 Franken teurer als veranschlagt.»

Das Mehrgenerationenhaus
Legende: Das Mehrgenerationenhaus im Thurgau. SRF

Pat Schrämli sieht zwei mögliche Auswege: Einsparungen vornehmen oder zusätzliche Eigenmittel einschiessen. Hier nun hilft schliesslich die Konjunktur. Dank des guten Verkaufes der alten Liegenschaften, können sie die finanziellen Lücken schliessen. 

Die Villa im Centovalli 

Melanie und Markus Häfliger leben gemeinsam mit der kleinen Tochter Grace in Solothurn. Auch sie sehnen sich seit langem nach einem eigenen Haus – und nach einem Leben im Süden der Schweiz: «Wir kennen das Tessin gut, wir waren beide schon als Kinder oft hier in den Ferien.»

Familie Häfliger vor ihrem neuen Haus
Legende: Familie Häfliger vor ihrem Haus im Tessin. SRF

Auf Vermittlung eines Freundes finden sie im Centovalli ihr Traumobjekt: Eine Villa aus den siebziger Jahren auf einem grosszügigen Grundstück mit 5000 Quadratmetern Umschwung, auch ein Rustico gehört zum Ensemble.

Die beiden entschliessen sich, das Haus umfassend zu renovieren – aus dem Rustico soll dereinst ein Bed and Breakfast entstehen. Eine Million Franken wollen sie dafür investieren.

Markus Häfliger möchte die Bauarbeiten hauptsächlich von Solothurn aus überwachen. Das erweist sich jedoch bald als illusorisch: «Ich bin rasch zum Hauptansprechpartner für die Bauarbeiter geworden. Das lässt sich nicht aus der Ferne bewältigen.»

Markus Häfliger mit Bauarbeitern
Legende: Häfligers arbeiten mit einer Tessiner Baufirma zusammen. SRF

Deshalb zieht die Familie vorübergehend nach Ascona und begleitet von dort aus den Baufortschritt. Beide können ihre Berufstätigkeit auch remote weiterführen – ein grosser Vorteil, ohne den sie das Projekt nicht hätten realisieren können. Denn auch sie kämpfen mit verschiedenen Hindernissen und Verzögerungen, sodass der Umbau des Hauses schliesslich länger dauert, als damals der Neubau.

Villa von Familie Häfliger
Legende: Die Villa von Familie Häfliger im Tessin. SRF

Schwieriger als erwartet erweisen sich die Sprach- und Mentalitätsunterschiede. Dass im Tessin alle Baustellen obligatorisch während zwei Wochen geschlossen werden – Ferragosto – hatten Häfligers zum Beispiel nicht auf der Rechnung. Ihre Erfahrungen wollen sie nun nutzen und sich damit ein neues Tätigkeitsfeld eröffnen: Künftig bieten sie ihre Dienste als Umbauspezialisten im Tessin an.  

Trotz Teuerungen und Herausforderungen in der Bauphase: Der Wunsch nach einem Eigenheim ist bei Schweizerinnen und Schweizern ungebrochen. Mehr als drei Viertel aller jungen Erwachsenen in der Schweiz träumen vom eigenen Zuhause.

SRF 1, 1.12.2023, 21:00 Uhr

Meistgelesene Artikel