«Ist das, was ich gehört habe, wirklich passiert?», schoss ihr durch den Kopf. Dawa war tief getroffen, als ihre enge Freundin per Sprachnachricht die Freundschaft beendete: «Sie fand, ich zeige nicht genug Interesse und sei zu ich-bezogen.» Das hat die 30-Jährige hart getroffen, gerade, weil sie sich selbst anders sah.
Dawa und ihre Freundin kannten sich von der Arbeit. Sie hätten sich auf Anhieb verstanden und über alles reden können: «Egal, ob es um Arbeit, Schule, Studium, berufliche Entscheidungen, Freundschaften, Familie, Beziehungen oder sogar um Sex ging – wir haben wirklich alles geteilt.»
Sie waren eng befreundet, bis die Freundschaft vor einem Jahr in die Brüche ging.
Zunehmende Entfremdung
Ab dem 25. Lebensjahr gehen gemäss einer britisch-finnischen Studie besonders viele Freundschaften in die Brüche. Das könne daran liegen, dass negative Gefühle wie Neid oder Missgunst zu einer zunehmenden Entfremdung voneinander führen oder die Wertvorstellungen der Freundinnen und Freunde auseinanderdriften.
Auch veränderte Lebensumstände wie Wegzug, Jobwechsel, neue Partner und Partnerinnen und Familiengründung können eine Freundschaft belasten. Häufig enden sie durch langsames und schleichendes voneinander Entfernen und nicht durch aktives Schlussmachen.
Obwohl Freundschaftsbrüche ein weitverbreitetes Phänomen sind, sprechen die wenigsten offen darüber. Viele schämen sich zuzugeben, dass eine gute Freundin oder ein guter Freund keine Zeit mehr mit ihnen verbringen will.
Ich nehme mich jetzt oft zu sehr zurück, weil ich Angst habe, wieder als egoistisch wahrgenommen zu werden.
Betroffene fühlen sich oft allein und hinterfragen sich. Auch bei Dawa Lama führte es zu tiefen Selbstzweifeln: «Ich nehme mich jetzt oft zu sehr zurück, weil ich Angst habe, wieder als egoistisch wahrgenommen zu werden.»
Freundschaftskummer ist nicht zu unterschätzen
Wenn eine Freundschaft in die Brüche geht, kann es genauso schmerzhaft sein wie das Ende einer Liebesbeziehung. «Ich hatte ein Loch in meinem Leben», sagt Sreya Dasari, die mit ihrer besten Freundin Schluss gemacht hat.
Es war eine Freundschaft, die fast 19 Jahre gehalten hat. Die gemeinsame Freundschaft war für die 20-jährige Sreya enorm wichtig.
Das war meine erste Freundschaft und ich dachte, sie würde ein Leben lang halten.
Vor ein paar Jahren wurde Sreya Dasari dann depressiv und litt extrem darunter. In dieser Phase fühlte sie sich von ihrer besten Freundin im Stich gelassen. Trotz dieser Verletzung fiel es ihr schwer, die Freundschaft loszulassen: «Das war meine erste Freundschaft und ich dachte, sie würde ein Leben lang halten.»
Verlust zukünftiger Pläne
Eine Psychologin begleitet Sreya schon seit einiger Zeit. Sreya überlegte sich, ob sie ihre Freundschaft durch eine gemeinsame «Freundschaftstherapie» vielleicht hätte retten können.
In der Schweiz ist das aber unüblich und müsste privat bezahlt werden. Eine gemeinsame Therapiestunde kam für die ehemalige Freundin ohnehin nicht infrage. Sreya hat seit dem Kontaktabbruch nichts mehr von ihr gehört.
Sreyas Psychologin Noemi Trachsel erklärt: «Der Verlust einer Freundin ist wie ein Verlust einer wichtigen Bezugsperson. Das tut weh, weil es nicht nur um gemeinsame Erinnerungen geht, sondern auch um den Verlust zukünftiger Pläne.» Es sei in Ordnung, traurig zu sein, und es brauche Zeit, eine Trennung zu verarbeiten, so Trachsel.