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Möwe in Rom
Legende: Möwen erobern Rom Keystone

Müllkollaps in Italien Es stinkt auf Roms Strassen und in Palermos Hinterhöfen

In Italien überquellen die Abfallberge und niemanden kümmert es. Ein Blick in Roms Strassen und Palermos Hinterhöfe.

In italienischen Städten türmt sich der Abfall. SRF-Korrespondent Philipp Zahn schildert, wie Möwen angelockt vom Müll, die Strassen Roms beherrschen. Und Filmemacher Salvo Manzone zeigt, wie hartnäckig ein illegaler Abfallberg vor seinem Fenster in Palermo wächst und wächst.

Ihre Spannweiten betragen über einen Meter, ihre gelben Schnäbel sind gefährlich lang gebogen und mit strengen Augen bewachen sie ihr Territorium. Das besteht aus fünf Abfallcontainern unten auf der Strasse. Diese sind bis über den Rand mit Müllsäcken bedeckt.

Es sind riesige gutgenährte Möwen, die eigentlich gar nicht hier in der Stadt heimisch sind. Doch der Unrat auf den Strassen Roms bietet ihnen viel mehr als jede Mittelmeerküste!

Eine Möwe am Tiber
Legende: Eine Möwe am Tiber Reuters

Morgens um sieben Uhr sind die Strassen häufig «Nahkampfzone»: Neben den Möwen streiten sich auch Krähen und Tauben um die besten Bisse. Meistens gewinnen die Möwen – weil sie mit ihren scharfen Schnäbeln gekonnt die Müllsäcke aufschlitzen und die anderen Vögel vertreiben können. Wer sein Auto neben den Abfallbergen geparkt hat, muss sich beim Einsteigen beeilen. Denn Möwen können aggressiv werden, wenn sie den Menschen als Störenfried betrachten.

Die Behörden unternehmen wenig bis nichts

Die «Fauna» der tierischen Müllverzehrer wächst von Jahr zu Jahr – je mehr der Müllnotstand von den Aussenbezirken auch in die nobleren, zentraleren Stadtteile Roms vorgedrungen ist: Ratten, Hunde, sogar Schweine bevölkern die Abfallberge.

Die Schuldigen werden in erster Linie in der Stadtverwaltung gesucht – auch bei den lokalen Vertretern der Protestbewegung «Cinque Stelle» , die seit zwei Jahren die Ewige Stadt regieren und wenig bis nichts machen.

Die Römer exportieren ihren Abfall ins Ausland

Dabei ist der Müllkollaps in Italien seit Jahren vorprogrammiert. Denn weniger als die Hälfte der jährlich 1,7 Millionen Tonnen Müll wird überhaupt getrennt. Die Mülldeponien sind seit Jahren übervoll, Europas grösste Mülldeponie im Westen der Stadt nach Jahren der Verlängerung endgültig geschlossen.

Neueröffnungen scheitern am Protest der Anwohner so auch der Bau von Müllverbrennungsanlagen. Die Römer exportieren deshalb seit Jahren ihren Abfall nicht nur ausserhalb der eigenen Region Latium, sondern sogar für noch teureres Geld bis ins Ausland.

Der Ärger entlädt sich dann bei den Müllmännern und -Frauen – wenn sie denn überhaupt kommen und die übervollen Abfallcontainer leeren. Denn meist hinterlassen sie mit ihrer wenig bereitwilligen Art nur eine Spur von Dreck und Abfall.

Die grauen (nicht trennbar), blauen (Plastik und Metall) und weissen Container (Papier) werden zwar geleert. Doch der Abfall drumherum bleibt liegen. Den müssen andere Betriebsschaften der Stadtwerke wegkehren. Auch die Arbeitsteilung bei der Müllentsorgung ist in Rom streng gewerkschaftlich geordnet.

Niemand fühlt sich verantwortlich

Der Ärger um den Abfall ist aber auch hausgemacht. Wenn die Tonnen übervoll sind, bemühen die Römer sich mit Geschick, ihren Abfall auf den auftürmenden Müllbergen zu platzieren – anstatt ein paar hundert Meter weiter zu gehen, auf der Suche nach einem weniger übervollen Abfallcontainer.

Da niemand kehrt, versinken Bordsteinkanten und Gehwege in Plastik und Papier, die sich nur langsam zu kleinen Stückchen versetzen. Man gewöhnt sich daran.

Dann aber überraschen beschriebene Kartons, die neben kleinen zusammengekehrten Abfallhaufen stehen. Geschrieben steht dort: «Ich bin aus meiner Heimat geflohen und versuche mich in Ihrer Stadt zu integrieren, indem ich Ihren Abfall wegräume».

Migranten ergreifen die Initiative

Es sind Migranten, junge Schwarzafrikaner, die mit Schaufel und Besen, Trottoirs reinigen und dabei auf ein Trinkgeld der Anwohner hoffen. Sie ergreifen die Initiative – in einer Stadt, in der niemand sonst sich angesprochen fühlt.

Und die Möwen? Sie müssen sich nicht sorgen. Für sie bleibt bis zum nächsten Morgen genug Müll übrig.

Ein Abfallberg in Palermo

In grossen Städten Italiens ist das Abfallproblem allgegenwärtig. So auch in Palermo. Als der Filmemacher Salvo Manzone nach einem längeren Auslandaufenthalt in seine Heimatstadt Palermo zurückkehrt, entdeckt er, dass sich vor seinem Fenster ein enormer Müllberg gebildet hat. Jedes Mal, wenn er aus dem Fenster schaut, scheint der Müllberg schon wieder gewachsen zu sein.

Der Müll ist eine Plage im historischen Zentrum von Palermo. Es gibt hunderte Abfallberge in der Stadt. So richtig stört das aber niemanden. Manzone fragt bei seinen Nachbarn nach, die zucken nur die Schultern oder beschuldigen sich gegenseitig.

Eigentlich sollte Palermos Abfall auf der Deponie «Bellolampo» landen, doch hier sind die Kapazitätsgrenzen schon lange erreicht.

Eine Alternative zum ständigen Aufhäufen eines Müllbergs wäre, den Abfall zu sortieren. Jedoch, eine Recyclingfabrik wartet seit zehn Jahren darauf, endlich in Betrieb zu gehen.

Drei Jahre später und ohne Vorankündigung beginnt die Stadt Salvo Manzones Hinterhof zu räumen. Doch nach zwei Tagen ist plötzlich wieder Schluss – ohne weitere Erkärung. Der Filmautor erfährt, dass der Abfall eine Stütze der instabilen Gebäude nebenan geworden sei und deshalb bleibe.

Der DOK-Film zum Thema

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