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Das optimierte Gesicht – Von Botox, Fillern und Facelifts
Aus DOK vom 21.01.2021.
Bild: SRF abspielen. Laufzeit 50 Minuten 26 Sekunden.
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Plastische Chirurgie Operation Schönheit: Botox, Filler und Facelifts

Schweizerinnen und Schweizer sind weltweit an der Spitze in Sachen Schönheitsbehandlungen. Was steckt hinter der Selbstoptimierung? Die Suche nach mehr Schönheit, mehr Glück oder das Ausblenden der eigenen Vergänglichkeit?

Beim Blick in den Spiegel kommt bei vielen Schweizerinnen und Schweizern offenbar der Selbstwert ins Wanken. Zu hässlich, zu schlaff, zu alt. Viele sehen Handlungsbedarf.

Schönheitseingriffe in der Schweiz

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Legende: SRF

Laut der Gesellschaft Swiss Plastic Surgery werden in der Schweiz pro Jahr schätzungsweise rund 90’000 Schönheitsoperationen durchgeführt. 85 Prozent der Kundschaft in Schönheitskliniken sind Frauen. Ein Eingriff ist mit dem Einverständnis der Eltern ab 16 Jahren in der Schweiz möglich.

TOP 3 der chirurgischen Eingriffe

  • Brustvergrösserung
  • Fettabsaugung
  • Augenlidchirurgie

TOP 3 der nicht-chirurgischen Eingriffe

  • Botulinumtoxin
  • Hyaluronsäure
  • Nicht-chirurgische Fettreduktion

*Die Angaben orientieren sich an Zahlen aus Deutschland (Statistik 2019) und sind laut der Gesellschaft Swiss Plastic Surgery als Referenz geeignet.

Oft begründen Patientinnen und Patienten ihren Entscheid für eine Schönheitsoperation damit, dass sie besonders ästhetisch orientierte Menschen seien. So auch Maria Müller. Ihr Hals sei schlaff, sie nennt ihn Trutenhals. Und darum legt sie sich mit 70 Jahren unters Messer. Sie fühle sich nicht so alt, wie es auf dem Papier steht.

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Maria Müller: «Im Alter wird niemand schöner.»
Aus DOK vom 21.01.2021.
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Anita Bucher ist 50 Jahre alt. Sie findet, ihre Augenlider würden mehr und mehr hängen, und entscheidet sich deshalb für eine Straffung. Um noch einen Tick frischer auszusehen, lässt sie ihr Gesicht zusätzlich mit Eigenfett und Botulinumtoxin aufspritzen.

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Anita Bauer: «Ich würde meinem Partner eine schöne Frau gönnen.»
Aus DOK vom 21.01.2021.
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Nie wieder Botox

Mit Botulinumtoxin abgeschlossen hat die ehemalige Miss Schweiz und Komikerin Stéphanie Berger. Die 43-Jährige sagt: «Du kannst das Gesicht mit Botox nicht mehr bewegen, das ist ein schräges Gefühl. Als die Wirkung nachgelassen hat, war es wie eine Befreiung.»

Eine Lebendigkeit im Gesicht ist mir viel wichtiger als irgendwelche Falten.
Autor: Stéphanie Berger Miss Schweiz 1995 und Komikerin
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Stéphanie Berger: «Der Moment, als das Botox nachliess, war wie eine Befreiung.»
Aus DOK vom 21.01.2021.
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Botulinumtoxin lähmt Gesichtsmuskeln und Emotionen

In der Beautyszene gilt Botulinumtoxin als die Waffe schlechthin gegen Falten. Auch Sascha Dunst, Facharzt für Plastische Chirurgie, ist überzeugt von der Wirkung des stärksten Nervengifts der Welt. Er wendet Botulinumtoxin nicht nur bei seiner Kundschaft an, auch bei sich selber. Sascha Dunst, der seit über zwanzig Jahren als Facharzt FMH für Plastische und Ästhetische Chirurgie arbeitet, sagt, idealerweise beginne man mit der Anwendung von Botulinumtoxin, bevor sich Falten entwickelten. Ob das nun mit Mitte zwanzig oder Mitte dreissig sei, hänge von der individuellen Struktur der Haut ab.

Dass Botulinumtoxin neben der Glättung der Falten noch einen anderen Effekt hat, fand die deutsche Neurowissenschaftlerin Charlotte Baumeister heraus. Es lähmt nicht nur die Gesichtsmuskulatur, sondern macht Menschen auch weniger empathisch. In ihrer Studie an der Universität Triest zeigten die Probandinnen nach einer Botulinumtoxin-Behandlung weniger Aktivität in den emotionalen Hirnarealen. «Den Menschen fiel es nach einer Botulinumtoxin-Behandlung schwerer, Emotionen aus ihrer Umwelt, die nicht sehr ausgeprägt waren, richtig zu verstehen», so Baumeister. Welchen Preis sind wir bereit zu bezahlen, um dem Alter Paroli zu bieten?

Fehlende Sinnbezüge im Leben

Der eigene Schönheitsverlust sei für viele Menschen eine zermürbende Angelegenheit. Durch eine Schönheitsbehandlung erhoffen sich viele Besserung. Aber: Keiner soll es merken.

Ethikerin Ruth Baumann-Hölzle, Leiterin der Stiftung Dialog Ethik, sieht den Kern des Problems nicht im Verlust von Jugend und Attraktivität, sondern im verkrampften Umgang mit der natürlichen, altersgemässen Veränderung und fehlenden Sinnbezügen im Leben. Die mehrfach ausgezeichnete Baumann-Hölzle, die in Zürich und Genf Theologie studierte und über zehn Jahre Mitglied der Nationalen Ethikkommission war, geht im Gespräch mit SRF DOK den Fragen nach, weshalb in der Schweiz so viele Menschen ihr Äusseres optimieren.

Ruth Baumann Hölzle
Legende: Ruth Baumann-Hölzle SRF

SRF DOK: Die Schweiz ist weltweit an der Spitze bei Schönheitseingriffen. Überrascht Sie das?

Ruth Baumann-Hölzle: Nicht wirklich. Wir sind ein Land mit grossen finanziellen Ressourcen und wir sind eine stark leistungsorientierte Gesellschaft. Die Oberfläche wird immer wichtiger. Und das, was darunter passiert, gerät immer weiter aus dem Blick.

Interessant finde ich, was nach einer Schönheitsoperation passiert. Verhilft sie mir wirklich zu einem gelungenerem Leben, zu tieferen Beziehungen?

Ich glaube, diese Lebenszielklärung wäre vorgängig ganz wichtig – bevor ich eine Schönheitsoperation mache. Was will ich denn eigentlich von meinem Leben, und was trägt eine Schönheitsoperation tatsächlich zu meinem Leben bei?

Schönheitsoperationen sind normal geworden. Man geht ins Fitness, zum Zahnarzt, jetzt auch alle Monate in die Schönheitsklinik.

Darin steckt auch eine gewisse Tragik. Weil ich mich selber nicht lieben kann, wie ich aussehe, wie ich auf die Welt gekommen bin. Ich muss mich zuerst grundlegend verändern, Risiken eingehen, damit ich anders aussehe. Wir sind ja nicht einfach nur Körper oder nur Psyche, das ist ja eine Einheit.

Ich finde, die Faszination von einem Menschen, der gezeichnet ist vom Leben, eine Ausstrahlung hat, das ist etwas ganz anderes als ein Botox-Gesicht.

Warum haben wir ein Problem mit dem Älterwerden?

Wir blenden die Vergänglichkeit sehr stark aus. Dadurch vergeben wir uns die Möglichkeit, uns überhaupt mit dem Prozess der Vergänglichkeit auseinanderzusetzen.

Ich sage nicht, dass das angenehm ist. Es ist ein Prozess, der stark mit Loslassen zu tun hat. Ich muss mich selber loslassen, von meinem Aussehen als junge Frau und fragen: Was habe ich denn jetzt für eine Identität, wie ist das jetzt?

Aber dieser Prozess bereitet uns letztlich ja auch vor auf das Sterben. Man sagt, man kann nichts für das Gesicht, mit dem man auf die Welt kommt, aber man kann sehr wohl etwas für das Gesicht, mit dem man stirbt. Und das verband man früher nicht mit Schönheitschirurgie, sondern mit dem Leben selbst.

Ich glaube, je mehr wir probieren, so verbissen an etwas festzuhalten, umso weniger leben wir. Was ist schlussendlich das Ziel des Lebens? Eine schöne Visage oder ein gelebtes Leben? Das soll nicht heissen, dass wir uns nicht bemühen, uns zu pflegen, uns füreinander schön zu machen. Aber das ist etwas ganz anderes als diese Selbstoptimierung.

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