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Palliativpflege bei Kindern Unheilbar krank: «Wie lange soll unser Kind noch leben?»

Es ist wohl die traurigste und zugleich brutalste Frage, die Eltern sich stellen müssen, wenn ihr Kind unheilbar krank ist. Palliativmedizinerin Eva Bergsträsser begleitet Familien auf der Suche nach Antworten. Egal wie Eltern entscheiden, sie werden im Nachhinein mit den Folgen leben müssen.

Jährlich sterben in der Schweiz rund 500 Kinder, circa 3200 Kinder und Jugendliche leben mit einer lebenslimitierenden Erkrankung. Allerdings haben nur drei Kinderspitäler, nämlich Zürich, St. Gallen und Lausanne ein eigenes «Palliative-Care-Team», welches die jungen Patientinnen sowohl innerhalb des Spitals als auch zu Hause betreut. Noch immer sterben viele Kinder auf der Notfallstation, statt dort, wo die meisten sich am wohlsten fühlen – daheim.

Sterben vorzeitig planen

«Häufig wird das Sterben nicht frühzeitig vorausgeplant.» Eva Bergsträsser ist in der Schweiz die Palliative-Care-Pionierin für Kinder und leitende Onkologin am Zürcher Kinderspital. Sie spricht das an, was für viele ein Tabu ist: der Tod des eigenen Kindes.

In den ehrlichen Gesprächen geht es nebst der optimalen Betreuung und medizinischen Versorgung um ganz konkrete Fragen wie: Wollen wir lebensverlängernde Massnahmen für unser Kind – ja oder nein?

PELICAN-Studie – Wie Kinder in der Schweiz sterben

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Diese nationale Studie untersuchte die Situation von Kindern und Jugendlichen an ihrem Lebensende. Und sie zeigt die Bedürfnisse der Eltern auf, die ihre Kinder beim Sterben begleiten. Zusätzlich ging es darum, die Erfahrungen der Behandlungsteams zu erfassen. Für die PELICAN-Studie arbeitete das Kinderspital Zürich zusammen mit dem Institut für Pflegewissenschaft Basel.

Quelle: PELICAN-Studie 2016 Grafik: 19.11.19 38% Neugeborene Die Kinder der PELICAN-Studie149 Familien mit verstorbenen Kindern zu Hauseverstorben 3% 11% 38% Krebserkrankungen 25% 20% neurologischeErkrankungen 24% Herz-erkrankungen 13%

Wieviel erträgt mein Kind?

Marianne und Klaus Peter mussten sich mit dem Sterben ihres eigenen Kindes auseinandersetzen. Ihre Tochter Magali leidet an Rasmussen-Enzephalitis, einer schweren Autoimmunerkrankung, die das Gehirn schädigt. Im Frühling dieses Jahres erlitt die 15-Jährige einen epileptischen Anfall in der Badewanne und tauchte unter. Tagelang kämpfte das Mädchen im Spital ums Überleben.

Eva Bergsträsser begleitet die Familie. Es geht darum, gemeinsam herauszufinden, was für die Familie, allen voran Magali, am besten ist. Was will man dem eigenen Kind zumuten? Was erträgt es? Wann macht das Leben für das Kind noch Sinn?

«Auf lebensverlängernde Massnahmen, die Magali mehr schaden als nützen könnten, wollen wir verzichten», sagen die Eltern. «Doch vor allem sind wir froh, wenn wir diese Entscheidung niemals fällen müssen.»

Magali leidet an einer schweren Autoimmunerkrankung, die das Gehirn schädigt.
Legende: Magali leidet an einer schweren Autoimmunerkrankung, die das Gehirn schädigt. SRF

Kämpfen bis zum Schluss

«Für uns war immer klar, so lange wir sehen, Liam möchte und kann noch kämpfen, so lange machen wir alles.» Tiffany und Thomas Wermelingers Sohn ist mit 18 Monaten an Leukämie erkrankt. Mit allen Mitteln kämpfte die Familie gegen den Krebs.

Als in der Schweiz keine der Behandlungen anschlug, flogen die Eltern mit Liam in die USA. Sie setzten all ihre Hoffnung in eine neuartige Immuntherapie. Der Krebs verschwand zwar tatsächlich, doch Liam wurde immer schwächer; er starb an den Folgen der Behandlung. «Liam hat uns die Entscheidung abgenommen», sagen die Eltern heute.

Anderthalb Jahre sind seit Liams Tod vergangen. Gemeinsam haben die Wermelingers die Stiftung «Little Big Hero» gegründet, um Kinder mit ähnlichem Schicksal zu unterstützen. «Die Arbeit», so der Vater, «gibt mir einen neuen Sinn im Leben.»

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Langer Sterbeprozess

Seit gut zwei Jahren pflegen die Colaks ihre sterbenskranke Tochter daheim. Die 13-jährige Ceren leidet an Morbus Pompe, einer neuromuskulären Erkrankung. Sie kann nicht sprechen, sich nicht mehr bewegen, muss künstlich beatmet und ernährt werden. Ohne diese Massnahmen wäre Ceren längst tot. Dabei werden die Eltern nicht sich selbst überlassen. Ein Betreuungsnetz aus Palliativmedizinern und Pflegefachpersonen der Kispex Kanton Zürich gewährleistet Cerens optimale medizinische Versorgung.

Ein langer Sterbeprozess, der für die Eltern immer wieder neue Fragen aufwirft: Was hat Ceren noch vom Leben? Können wir nicht loslassen? Leidet sie? Ihre Tochter habe heute gelächelt, was zeigen würde, dass sie das Leben noch geniesst. «Ceren wird selber entscheiden, wann sie gehen will.»

Eva Bergsträsser ist Palliativmedizinerin und begleitet Familien bei diesen schweren Entscheidungen.

Eva Bergsträsser

Leitung Pädiatrische Palliative Care

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Eva Bergsträsser ist Gründerin und leitende Ärztin des Kompetenzzentrums Pädiatrische Palliative Care am Universitäts-Kinderspital Zürich. Mit ihrem Team betreut sie Kinder und Jugendliche, die an einer unheilbaren Krankheit leiden und eine verkürzte Lebenserwartung haben. Sie ist Autorin des 2014 erschienen Buches «Palliative Care bei Kindern. Schwerkranke Kinder begleiten, Abschied nehmen, weiterleben».

SRF DOK: Sie plädieren dafür, dass sich Familien rechtzeitig mit dem Sterben ihrer schwerkranken Kinder auseinandersetzen.

Eva Bergsträsser: Es geht darum, dass man langfristig vorbereiten kann. Was ist, wenn? Die Kinder können jederzeit unerwartet versterben. Wir halten schriftlich fest, welche Ziele Eltern für Kinder noch haben. Welche Behandlungsversuche will man machen? Kommen experimentelle Therapien in Frage? Soll man Wiederbelebungsmassnahmen durchführen – ja oder nein?

Für Eltern extrem schwierige Entscheidungen.

Es ist keine Punktentscheidung, es steht ein längerer Prozess dahinter. Wir begleiten die Familien sehr eng auf diesem Weg. Es ist eine gemeinsame Entscheidungsfindung, in der häufig mehrere Personen involviert sind. Das können Spezialisten sein, Pflegefachpersonen, aber auch eine Lehrperson aus einer Langzeitinstitution. Solche Vereinbarungen sind immer veränderbar. Das heisst, wenn ich heute entscheide, eine Operation zu machen, kann es sein, dass das aufgrund des Krankheitsverlaufs in zwei Monaten nicht mehr richtig ist. Dann streicht man es wieder.

Welchen Rat geben Sie betroffenen Familien mit?

Zu leben! Dass man für Lebensqualität sorgt und gute Momente schafft, gute Erinnerungen. Dass man eine Reise oder einen Familienausflug nicht wegen der Krankheit auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt, der vielleicht gar nicht mehr kommt. Die Kinder sollen leben, und das Leben, trotz Einschränkungen, geniessen dürfen.

Reportagen zum Thema «Der Tod – Das letzte Tabu»

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