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Permakultur
Legende: Mulchen, Mischkulturen, Hügelbeete – Permakultur bedingt viel Handarbeit Kaliantye / Alamy Stock Foto

Permakultur am Balmeggberg Die Ökos von morgen

Insektensterben, pestizidverseuchte Böden, dahinschmelzende Gletscher und vermüllte Weltmeere – die Zukunft der Erde scheint düster. Anstatt daran zu verzweifeln packt Toni Küchler handfest an. Mit seiner Familie lebt er in einer Kommune im Emmental die Idee einer anderen Gesellschaft.

Es war ein reiner Zufall, dass sie vor 13 Jahren im Emmental landeten. Toni, der Obwaldner und Simone aus Zürich waren frisch verliebt und spürten beide den Drang, ihrem Leben einen Sinn zu geben. In einem Zeitungsinserat entdeckten sie den kleinen Hof auf dem Balmeggberg oberhalb von Trubschachen.

Die insgesamt sechs Hektar Land und Wald schienen wie gemacht, ihren Traum zu verwirklichen.

«Mit einer gesunden Mischung aus Mut und Naivität versuchten wir es», meint Toni Küchler. Seine Frau Simone Küchler-Pey ergänzt: «Wir waren parat, ein Abenteuer zu wagen. Und wir wollten nicht aussteigen, sondern einsteigen ins Leben.»

Ein Gegenmodell zur Globalisierung

Toni Küchler war frisch diplomierter Umweltnaturwissenschaftler ETH und sprühte nur so vor Ideen, was es im Leben alles umzusetzen gab. Während des Studiums war er dem System der Permakultur begegnet und kam nicht mehr los davon: «Permakultur heisst, von der Natur lernen, ausgeglichene, gesunde und sich erhaltende Ökosysteme schaffen. Damit kann jede und jeder sofort beginnen. Egal wo und wann. Ich bin überzeugt, die Antwort auf die drängenden Fragen der Zeit ergibt sich nicht am Schreibtisch, sondern am Küchentisch.» Für ihn ist die Permakultur eine Art Gegenmodell zur unbegrenzten Globalisierung.

Was ist Permakultur?

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Permakulturgarten
Legende: Keith Burdett / Alamy Stock Foto

Der Begriff Permakultur ist eine Kombination aus «permanent» und «agriculture» und bedeutet so viel wie «nachhaltige Landwirtschaft». Die Permakultur ist aber weit mehr als nur eine Anbaumethode. Permakultur gilt als ökologische Lebensraumgestaltung im weitesten Sinne. Die Prinzipien können angewendet werden für die Landschaftsgestaltung, die Architektur bis zum Aufbau von dauerhaften menschlichen Gemeinschaften.

In Gemeinschaft leben und teilen

Toni und Simone kauften mit Unterstützung der Eltern den Hof, und begannen ihn Schritt für Schritt umzubauen und zu bewirtschaften. Nicht alleine. Denn für beide war klar: «Wir wollten in einer Gemeinschaft leben und teilen. Die klassische Kleinfamilie kam für uns nicht in Frage.» Mal lebten zwei, mal drei Familien auf dem Balmeggberg – immer waren sie mehrere. Und nicht immer vollzogen sich die Veränderungen schmerzfrei.

Im Moment sind es neben Toni, Simone und ihren beiden Kindern noch vier Erwachsene, die ganzjährig dort wohnen. Hinzu kommen zahlreiche Pratikanten, die vor allem während der Sommermonate für Kost und Logis auf dem Balmeggberg arbeiten.

«Dank der vielen Hände, können wir die Kosten tief halten», sagt Toni. «Ziel ist, dass wir eine wirtschaftliche Existenz haben und es schaffen, mit dem zu leben, was vor unserer Haustüre ist.» Haus und Land gehören zwar Simone und Toni, und sie verantworten die langfristige Perspektive, der Betrieb läuft aber über einen Verein. Rund 60 Leute verwalten alle Einnahmen und Ausgaben und sind für die kurz- und mittelfristigen Entscheidungen auf dem Hof zuständig.

Wer hat die Permakultur «erfunden»?

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Bill Mollison

Als eigentlicher Begründer der Permakultur gilt der Australier Bill Mollison. 1981 erhielt er dafür den Alternativen Nobelpreis. In den 1970er Jahren suchte er nach Wegen zu einer naturnahen Landwirtschaft.

Das exakte Beobachten, das Erkennen von ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhängen, viel Wissen und Phantasie, sowie der achtsame Umgang mit der Umwelt sind für ihn zentrale Elemente der Permakultur.

Bürojob und Bauernhof

Nebst der Arbeit auf dem Hof haben alle Balmeggbergler noch einen Auswärtsjob. Toni Küchler arbeitet etwa die Hälfte der Woche in seinem Umweltplanungsbüro unten im Dorf Trubschachen, Simone Küchler-Pey als Kindergärtnerin und Lehrerin in der Region. Andere vom Balmeggberg arbeiten als Pilzzüchter im Dorf oder gehen auf den Bau. Toni meint: «Für mich ist es die perfekte Kombination. Nur auf dem Hof, käme ich körperlich glaub’ an meine Grenzen. Wäre ich 100 Prozent im Büro, würde ich durchdrehen.»

«Es ist nicht ein Leben, wo man einfach Geld verdient. Aber irgendwie geht es immer. Darauf sind wir auch stolz», sagt Simone Küchler-Pey. Materiell hätten sie keine grossen Ansprüche, sagt Simone. Und wenn Leute den Kopf schüttelten, dass sie sich hier oben mit einer Komposttoilette abmühten, kann sie das nachvollziehen. «Auch meine Eltern verstehen ihre Tochter da wohl nicht so ganz.»

Dass sie auf die Gesamtwirtschaft gesehen unproduktiv sind, gefällt Toni Küchler. «Es gibt so viele Dinge, die wir nicht brauchen, und wir mit unserem Konsum nur weltweite Konflikte anheizen. Im Kleinen schaffen wir hier daran, Konflikte zu lösen, indem wir zum Beispiel so weit als möglich auf Erdöl verzichten.» Eben nach dem Motto: Die Welt vor der Haustüre verändern.

Permakultur in der Landwirtschaft

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Streifenanbau in den USA
Legende: Mauritius images/ David R. Frazier

Es gibt einige, wenige Dutzend Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz, die Permakultur meist in Teilbereichen anwenden. Mehr Beispiele für Permakultur in der Landwirtschaft gibt es aber in Frankreich, England, Australien und anderen Ländern.

Zentrale Prinzipien der Permakultur-Landwirtschaft sind die Multifunktionalität von Elementen und Mischkulturen, welche sich gegenseitig begünstigen und vor Schädlingen schützen. Auf chemischen Dünger und Pflanzenschutzmittel wird verzichtet. Der Einsatz von grossen Maschinen und Treibstoff aus fossilen Energien wird möglichst tief gehalten.

Gemüse aus dem Garten, Strom vom Dach

Die Balmeggbergler sind weitgehend Selbstversorger. Das Gemüse kommt aus dem Garten, der Solarstrom von den Dächern aus der Nachbarschaft, und das Wasser ist aus der eigenen Quelle. Die Milch beziehen sie vom Hof nebenan, und das Getreide ist von einem Bauern im Dorf. Fleisch gibt es selten. Und wenn, dann von den eigenen Kleintieren oder von Bauern aus der Region.

Trotzdem sagt Toni: «Ich bin weit davon entfernt zu sagen: So muss man es machen! Es ist einfach ein Weg, und er fühlt sich gut an. Und so ganz konsequent sind wir ja längst nicht immer.»

Pilgerort für Permakultur

Von aussen her betrachtet, scheint es das klassische Aussteigerleben, das sie auf dem Balmeggberg führen. Aber genau das soll es nicht sein. «Wir möchten möglichst vielen Menschen Einblick geben in unser Leben», sagt Toni Küchler. Auch wenn er keine Rezepte und Ideologien liefern könne. Das sei der Permakultur fern. Jeder und jede müsse nach bestem Wissen und Gewissen im eigenen Leben die Entscheidungen treffen. Immer nach dem Grundsatz: Teile fair und trage Sorge für die Erde und die Menschen.

Mittlerweile ist der Balmeggberg ein regelrechter Pilgerort für die Permakulturszene der Schweiz geworden. Toni Küchler und Marco Büttner, der auch auf dem Balmeggberg wohnt, sind beide ausgebildete Permakulturdesigner und veranstalten regelmässig Kurse. Die Nachfrage ist allerdings weit grösser als das Angebot. «Viele Leute haben die Sehnsucht so zu leben, wie wir. Ob es allerdings die Antwort ist auf das, was in der Welt passiert? Ich weiss es nicht. Es ist eine mögliche Antwort.»

Die Leitsätze der Permakultur

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Legende: Haupt Verlag

Die ethischen Grundprinzipien der Permakultur sind:

  • Trage Sorge für die Erde,
  • trage Sorge für die Menschen,
  • teile fair und
  • setze Grenzen für Konsum.

Der Verein Permakultur Schweiz empfiehlt zum Einstieg ins nachhaltige Gärtnern für Profis und Hobby-Landwirte das Buch «Permakultur» .

Neue Genossenschaft in Trubschachen

Das jüngste Projekt, das Toni aufgegleist hat, ist eine Genossenschaftssiedlung, die nach Permakulturgrundsätzen funktionieren soll. Geplant ist der Bau zweier Mehrfamilienhäuser mitten im Dorf Trubschachen mitsamt kleinem Landwirtschaftsbetrieb.

Die Genossenschaft ist gegründet, der Kaufvertrag sollte demnächst unterzeichnet werden. «Regionalentwicklung ist für mich Permakultur», sagt Toni Küchler. «Selbsterhaltende Systeme schaffen, die langfristig funktionieren.» Konkret heisst das: Der Abwanderung Einhalt gebieten, mit der Trubschachen – wie viele Randregionen – zu kämpfen hat. Auch das Projekt «Truber Holz» geht in diese Richtung: Mit seinem Planungsbüro half Toni Küchler einer lokalen Zimmerei, die Holzverarbeitung im Tal zu behalten. Vorerst erfolgreich. Zahlreiche Arbeitsplätze konnten geschaffen werden.

Und dass vor vier Jahren in Trubschachen eine Solargenossenschaft entstand, die lokalen Strom produziert, gelang auch mit der Unterstützung von Toni.

Permakultur in der Schweiz

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Gärtnern mit Mulch
Legende: Kaliantye / Alamy Stock Foto

Bis vor nicht allzu langer Zeit fristete Permakultur in der Schweiz ein Mauerblümchendasein. Seit ein paar Jahren ist es allerdings eine stark wachsende Bewegung. Beat Rölli, Präsident vom Verein Permakultur Schweiz sagt: «Vor allem im Welschland aber auch in Teilen der Deutschschweiz stellen wir ein grosses Interesse fest.»

Für Beat Rölli ist aber klar: «Da die Schweiz in Permakultur-Landwirtschaft nicht zu den führenden Ländern gehört, gibt es ein grosses Potential für Wissenstransfer aus dem Ausland.»

«Ich will einfach meinen Fussabdruck kleiner machen», sagt Toni Küchler. Sichtbare Spuren zu hinterlassen, scheint aber weder Simones noch sein Ding zu sein. Toni meint dazu: «Sollte ich dereinst vom Balmeggberg weggehen, freut es mich, wenn die nächsten sagen: Wow, was für ein cooler Boden die hinterlassen haben!»

Permakultur in der professionellen Landwirtschaft

Urs Niggli ist Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau FiBL in Frick (AG). Es gilt als eines der weltweit führenden Forschungs- und Informationszentren für Biolandbau.

Bezüglich Permakultur arbeitet das FiBL vor allem in Bolivien und teilweise auch auf Malaysia. Dort kann man die Fülle an Wärme, Wasser und Sonne nutzen, um mehrstufige Anbausysteme mit einjährigen und mehrjährigen Pflanzen, die sehr produktiv sind, zu gestalten.

Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) in Frick
Legende: Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) in Frick FiBL/ Samuel Schalch

SRF DOK: Permakultur und professionelle Landwirtschaft – geht das zusammen?

Urs Niggli: Nicht wirklich. Jedenfalls nicht so, wie die professionelle Landwirtschaft heute funktioniert.

Das heisst?

Die Permakultur lässt sich kaum mechanisieren und braucht viele Hände. Da Arbeitskräfte aber in grossen Mengen überall auf der Welt abwandern und sich in den Städten konzentrieren, fehlen diese der Landwirtschaft. Und überall, besonders aber in den Industrieländern, sind Arbeitskräfte der wichtigste Kostenfaktor, welche die Lebensmittelpreise stark beeinflussen. Insofern wären heute Permakultur-Lebensmittel für den Konsumenten kaum erschwinglich.

Ist Permakultur das neue «bio»?

Aus meiner Sicht ist Permakultur eine wichtige Inspiration für jede Landwirtschaft. Egal ob biologisch oder konventionell. Als «Anbaumethode» kann es nicht irgendetwas ersetzen. Man sollte langsam aufhören, immer sofort seine Methode als einzige Lösung anzupreisen.

Was unterscheidet die Permakultur von der biologischen Landwirtschaft?

Bio orientiert sich an der konventionellen Landwirtschaft. Man schaut, was man am Markt verkaufen kann. Anstatt eine viergliedrige Fruchtfolge hat man vielleicht eine sechsgliedrige Fruchtfolge.

Aber es bleibt der Trend zur Vereinfachung. Lebensmittel wurden immer billiger, weil man rationalisieren und mechanisieren konnte. Bio bleibt im Sog der konventionellen Landwirtschaft. Die Permakultur entzieht sich dem vollständig.

Wir brauchen dringend mehr Vielfalt in der Landwirtschaft.
Autor: Urs Niggli

Wo sehen Sie die Chancen der Permakultur?

Wir werden in Zukunft eine steigende Bedeutung der Lebensmittelproduktion in städtischen Räumen sehen. Vor allem die Megacities, wie Istanbul mit 15 bis 17 Millionen Menschen oder der Grossraum Jakarta mit über 30 Millionen Menschen. Um in Krisenzeiten eine gewisse Resilienz zu haben, müssen diese Städte selber zu Lebensmittelproduzenten werden.

Stadtarchitektur muss sich deshalb stark mit dieser Frage beschäftigen, auch weil Grünanlagen die Aufheizung der Städte reduzieren, auch in der Schweiz. Deshalb werden Permakultur in den Quartieren, Landwirtschaft und Aquaponik auf den Dächern eine grosse Rolle spielen. Es ist auch genial, Permakultur in den Quartieren als gemeinsame Elemente der Kommunikation und der sozialen Bindung von Menschen zu nutzen.

Und wie steht es mit der Landwirtschaft?

Die Permakultur kann eine hohe Flächenproduktivität erreichen. Und sie bringt die höchste Zahl von Ökosystemleistungen. Ökologisch gesehen, wäre es das Richtige. Wenn man die Permakultur nun mit moderner Technik kombinieren würde und somit den Arbeitsaufwand senken könnte, dann sähe ich darin ein grosses Potential.

Wie meinen Sie das?

Das grosse Forschungsthema in der Landwirtschaft ist zurzeit die Digitalisierung. Sie wird in der Landwirtschaft in vollem Umfang zum Tragen kommen und den Rationalisierungsprozess vorantreiben. Wenn man die Robotertechnik nun aber nutzen würde, um die landwirtschaftlich genutzte Landschaft wieder vielfältig zu machen, statt wie bisher, immer einfältiger, dann wäre das aus meiner Sicht eine Chance. Man könnte die Ideen der Permakultur in kleinen Schritten in die digitalisierte Landwirtschaft einbauen.

Permakultur und Robotertechnik – wäre das für Sie ein Zukunftsmodell?

Die Systeme der Permakultur sind raffiniert. Wenn man in dieser Richtung Landwirtschaft betreiben könnte, dank moderner Technologie, dann wäre das fantastisch. Denn wir brauchen dringend mehr Vielfalt in der Landwirtschaft!

Die Reportage zum Thema «Die Ökos von morgen»

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