«Ich halte mich ans Gesetz», sagt Hans Ruch. «Das Gesetz ist die rote Linie. Links und rechts aber gibt es einen grauen Bereich, wo man sich drin bewegen kann, ohne sich strafbar zu machen. Diesen nutzen wir aus.» Hans Ruch ist seit 32 Jahren Privatdetektiv. Angefangen hat er vor allem mit Beziehungsdelikten.
Durch solche Ermittlungen kann die Allgemeinheit unter Umständen viel Geld einsparen.
Heute hat Hans Ruch vor allem Versicherungen als Kunden – für sie beobachtet er mutmassliche Betrüger. «Durch solche Ermittlungen kann die Allgemeinheit unter Umständen viel Geld einsparen», sagt Hans Ruch, als er mit seinem verdunkelten Auto zu einer sogenannten ‹Observation› fährt.
Meist überwacht er Personen, die eigentlich als arbeitsunfähig gemeldet sind und trotzdem einer Arbeit nach gehen. Der Privatdetektiv filmt die Person beim Arbeiten, dokumentiert mit der Videokamera auf die Minute genau, was die ‹Zielperson› an öffentlich einsehbaren Orten tut. Die Versicherungen sparen durch solche Beweise jährlich Millionen.
Strengere Regeln für Sozialversicherungen
Rechtlich sind solche Observationen heikel, denn sie bewegen sich ständig an der Grenze zur Verletzung der Privatsphäre. Eigentlich wollte das Stimmvolk solchen Überwachungen strengere Regeln verpassen: 2018 wurden in der Abstimmung über Sozialversicherungsdetektive neue strenge Gesetze für die Überwachung von Versicherten angenommen.
Diese Änderungen im Sozialversicherungsrecht gelten für Sozialversicherungen wie die IV oder die Unfallversicherung – nicht aber für private Versicherungen. Diese fallen nicht unters Sozialversicherungsrecht, sondern unters Privatrecht, und dort gibt es weiterhin viel Spielraum.
Und so erhalten Privatdetektive weiterhin Aufträge, etwa von Krankentaggeld- oder Haftpflicht-Versicherungen, die häufig nach Autounfällen involviert sind.
Versicherungen profitieren
Die Juristen der Schadensabteilungen kennen die gesetzlichen Grenzen bestens: Da längere Videoaufnahmen von Personen rechtlich heikel sind, erstellt man etwa aus einem gedrehten Video nur einzelne Fotos. GPS-Tracker werden oft eingesetzt, aber vor Gericht nicht deklariert, da sie als Beweismittel nicht zulässig wären.
Die Branche lebt davon, dass die Erwischten keine Publizität wollen.
Häufig werden die gesammelten Beweise gar nicht vor Gericht gebracht: Es reicht, den überführten Betrügern kompromittierende Videos oder Fotos von sich zu zeigen. Danach lassen sich die meisten Versicherungsbetrüger auf eine aussergerichtliche Einigung ein und kommen nicht auf den Gedanken, die Versicherung wegen unzulässiger Beweis-Beschaffung anzuzeigen.
«Die Branche lebt davon, dass die Erwischten keine Publizität wollen», kommentiert dazu Thomas Gächter, Professor für Sozialversicherungsrecht an der Universität Zürich.
Gadgets im Graubereich
Um zu seinen Bildern zu kommen, bedient sich Hans Ruch immer wieder technischen Hilfsmitteln. Dazu gehören etwa Mikrokameras, die er fürs verdeckte Filmen einsetzt.
Ein wichtiges Arbeitsgerät ist zudem der GPS-Tracker. Hans Ruch hat ein halbes Dutzend davon.
GPS-Geräte sind Hilfsmittel, aber ersetzen die Observation nicht.
Die mit Supermagneten und einer Antenne versehenen Geräte verfügen über eine SIM-Karte und senden bis zu drei Monate lang. Damit lässt sich die Position von Fahrzeugen quasi aus dem Liegestuhl verfolgen. Und dies weltweit übers Handy-Netz. «GPS-Geräte sind Hilfsmittel, aber ersetzen die Observation nicht», sagt Hans Ruch. «Zum Beispiel kann man sich nie sicher sein, ob nicht zum Beispiel der Partner oder eine Freundin der Zielperson das Auto fährt.»
Im Privatrecht gibt es kein Gesetz, das GPS-Geräte explizit nennt und verbietet. Allerdings ist etwa das Verfolgen mit Fotokameras verboten – je länger die Dauer, desto heikler.
Bussen sind tief
Damit ein GPS-Gerät privatrechtlich zulässig wäre, müssten die Interessen des Auftraggebers höher zu gewichten sein als jene der überwachten Person. Ist dies aus Sicht eines Richters nicht der Fall, riskiert der Privatdetektiv eine Verurteilung wegen Verletzung der Privatsphäre zu einer Busse, eventuell auch Genugtuung und Schadenersatz in der Höhe von mehreren tausend Franken.
«Das wäre aber kein Schwerverbrechen», gibt Hans Ruch zu bedenken. «Das wäre lediglich eine Übertretung oder ein Vergehen.»
Tatsächlich scheinen die Strafen im Privatrecht relativ tief – tief genug, dass die Privatdetektive das Risiko eingehen, weiter mit Methoden im gesetzlichen Grenzbereich zu operieren. Respektive, die Verantwortung per Vertrag von den Versicherungen zu übernehmen.
Die Unschuldsvermutung wird oft massiv verletzt.
«Privatdetektive sind Ausführungsgehilfen in einem üblen Setting», sagt dazu Philipp Stolkin, Anwalt für Haftpflicht- und Versicherungsrecht. «Die Unschuldsvermutung wird oft massiv verletzt.»
Heikle Privataufträge von Eifersüchtigen
Das Beschatten von vermeintlich untreuen Ehefrauen oder Ehemännern war lange Zeit eine wichtige Einnahmequelle für Privatdetektive. Denn wer das Fremdgehen beweisen konnte, hatte bei einer Scheidung einen entscheidenden Vorteil.
Seit die Schuldfrage keine Rolle mehr spielt, sind solche Aufträge weniger geworden – aber nicht gänzlich verschwunden. Auch heute noch wollen eifersüchtige Kundinnen und Kunden wissen, mit wem sich ihre Partnerinnen und Partner treffen.
Bei solchen Privataufträgen sind die Rechtsgrundlagen der Privatdetektive noch dünner. Hans Ruch beispielsweise nimmt den Auftrag eines Mannes an, der ein Kontakt-Verbot hat und versucht herauszufinden, mit wem die Ex-Partnerin heute zusammen ist. Hier sammelt er Informationen für einen Stalker – und bringt damit eine Frau in potenzielle Gefahr.
Ich sichere mich vertraglich mit den Auftraggebern ab, dass sie meine Informationen nicht widerrechtlich verwenden dürfen.
«Ich kläre die Beweggründe des Auftraggebers und die Rechtmässigkeit des Auftrags ab, sagt Hans Ruch dazu. «Ich sichere mich vertraglich mit den Auftraggebern ab, dass sie meine Informationen nicht widerrechtlich verwenden dürfen.» Widerrechtliche Aufträge lehne er grundsätzlich ab. (Siehe Box zum Thema Stalking).
Grauzone als Geschäftsmodell
«Wo kein Kläger, da kein Richter» – diese Binsenwahrheit sei quasi das Geschäftsmodell vieler Privatdetektive, so ProfessorThomas Gächter. Der Privatdetektiv Hans Ruch wiederum war selber 13 Jahre Polizist und ist erfahren genug, dass er kaum je bei grenzwertigen Aktionen erwischt wird. Parkbussen und Bussen für überfahrene Rotlichter häufen sich zwar bei ihm.
Dass viele Aktivitäten illegal sein sollen, weist er aber von sich. «Ich stehe auf der richtigen Seite des Gesetzes – im Gegensatz zu vielen, die ich überwache», sagt er. «Um diese zu überführen, geht es gar nicht anders, als sich im Graubereich zu bewegen.»