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Samenspende Die verzweifelte Suche nach dem Vater

Als eines der ersten Kinder in der Schweiz wurde Sandra S. anfangs der 70er-Jahre durch Samenspende gezeugt. Davon erfahren hat sie jedoch erst vor einigen Jahren. Sandras Wunsch, ihren biologischen Ursprung zu kennen, wird mit der Zeit immer drängender.

Sandra S. ist Anfang dreissig, als sie eher zufällig erfährt, dass der Mann, von dem sie bis anhin angenommen hatte, er sei ihr Vater, in Wirklichkeit zeugungsunfähig war: «In dem Moment wusste ich, dass ich es einfach herausfinden musste, wer mein biologischer Vater ist».

Das dringende Bedürfnis, mehr über ihren biologischen Vater – jene andere genetische Hälfte – zu erfahren, wurde zur existenziellen Lebensaufgabe für sie: «Ich war nicht nur auf der Suche nach ihm, sondern auch nach mir selbst.»

Die innere Not der Spenderkinder

Erst seit gut vierzig Jahren werden Samenspenden in der Schweiz medizinisch durchgeführt. Damals wie heute gelten dem Kinderwunsch der Eltern sowie den Möglichkeiten der Reproduktionstechnologie das Hauptinteresse von Medizin und Gesellschaft.

Ein Umstand, den Sandra heftig kritisiert: «Es wird ignoriert, dass es eben nicht nur ein «Samen» ist, der da ins Spiel kommt. Was in mir drin steckt, ist das Erbe eines ganzen Menschen.»

Gesetzeslage zur Samenspende in der Schweiz

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Der Bundesrat hat mit Wirkung vom 1. Januar 2019 die Möglichkeiten, zu Informationen über seine eigene biologische Identität zu kommen, stark vereinfacht.

Erst seit 2001 gibt es überhaupt ein Gesetz, dass die Reproduktionsmedizin – und damit auch die Identifizierung von Samenspendern – regelt. Seitdem haben Kinder ein uneingeschränktes Recht auf ihre Abstammungsdaten, sobald sie die Volljährigkeit erlangt haben.

Folglich wird es ab diesem Jahr zu den ersten Anfragen beim Eidgenössischen Amt für Zivilstandswesen kommen, wo die Informationen zentral hinterlegt sind.

Zu allen früheren medizinischen Eingriffen gibt es keine sichere Informationslage. Manche Ärzte und Spitäler haben keine Daten gesammelt, andere berufen sich auf die den Spendern zugesicherte Anonymität.

In vielen Fällen wurde die Identität der Spender so gezielt vertuscht, dass eine nachträgliche Suche häufig chancenlos bleibt.

Über die seelischen Folgen für die so entstandenen Kinder machte man sich damals keine Gedanken. Ärzte beschworen die Eltern, das Ganze in einen Deckmantel des Schweigens zu hüllen.

Dass solche Themen gerade in Familien so oft verschwiegen werden, erscheint Sandra unverantwortlich: «Oft zerbrechen ganze Existenzen an einem solchen Familiengeheimnis. Man vergisst dabei die Seele der Kinder.»

Sandras Spurensuche führt in die USA

Auch Sandra hätte nie erfahren sollen, dass ihr Spender ein amerikanischer Medizinstudent in Zürich gewesen ist. Denn diesem hatte der behandelnde Arzt Stillschweigen versprochen. Er beharrte deshalb auch dreissig Jahre später darauf, Sandra nur den Vornamen ihres leiblichen Vaters preiszugeben mit der Bitte, nicht weiter nachzuforschen.

Sie wollte sich damit nicht zufrieden geben. Sandra begann in den Immatrikulationsbüchern der Universität Zürich zu recherchieren. Und tatsächlich fand sie mehrere amerikanische Medizinstudenten mit dem Vornamen «Dan» aus jener Zeit.

Gleich beim ersten glaubte sie, fündig geworden zu sein. Sie kontaktierte ihn in San Francisco und er bestätigte alles, nur nicht den Verdacht, zu den damaligen Samenspendern des Züricher Frauenarztes gehört zu haben. Eine DNA-Analyse wollte er aber nicht machen lassen. Und somit stand Sandra wieder vor einem riesigen schwarzen Loch.

Unerwartete Hilfe vom Ahnenforscher

Doch dann kam ihr der neue Trend der immer preiswerter und populärer werdenden DNA-Analyse zu Hilfe. Der Zufall wollte es, dass der passionierte Ahnenforscher Gregory Anderson auf die verzweifelt suchende Sandra stiess und sich ihrer annahm.

DNA Analyse-Boom in den USA

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Allein in den USA haben in den letzten Jahren über 10 Millionen Menschen einen DNA-Test gemacht. Entstanden ist ein richtiger Boom, seit diese Tests für jedermann erschwinglich geworden sind. In den USA werden solche Tests häufig zu Weihnchten verschenkt. Es sind Geschenke, die unerwartete Folgen haben können.

Sämtliche dieser Daten werden gespeichert und miteinander verknüpft. So kommen gewaltige Informationsmengen zusammen, mit denen sich dank Kombinatorik und Stammbaum-Forschung praktisch jeder Menschen in Amerika identifizieren lässt. Eine grosse Chance für Kinder, die durch Reproduktionsmedizin entstanden sind – aber nicht ohne Risiko.

Eine Recherche zur DNA und zum Stammbaum der eigenen Familie kann Konsequenzen haben, die über Fragen zum persönlichen Schicksal hinausgehen.

Auch Sandras Geschichte ist noch nicht zu Ende, denn ihr biologischer Vater hat mehrmals Samenspende praktiziert. Damit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sandra noch weitere Halbgeschwister findet.

Für ihn als Experten war es ein Leichtes, mögliche Spenderväter ein- und andere auszuschliessen. Dabei machten sie eine überraschende Entdeckung. Und schliesslich unternahm Sandra zusammen mit ihrem Partner eine Reise nach Kalifornien, um endlich das Rätsel ihrer Herkunft zu lösen.

Heute weiss sie, wer ihr biologischer Vater ist. Er war Arzt im alten Goldgräberstädtchen Greenville in Kalifornien. Leider ist er bereits verstorben, aber Sandra lernte ihren Halbbruder Mike K. aus Texas kennen, den Gregory Anderson anhand der DNA-Datenbank ausfindig machen konnte.

Sandras Geschichte zeigt exemplarisch, wie gravierend eine ungeklärte Lücke in der eigenen Biografie und Familiengeschichte sein kann.

Zwar müssen Samenspender seit 2001 in der Schweiz zwingend registriert werden. Und die Gesetzeslage sieht mittlerweile auch vor, dass Kinder nach dem 18. Lebensjahr grundsätzlich die Chance bekommen, die Identität ihres Erzeugers zu erfahren.

Verein «Spendenkinder»

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Um sich über die Nöte und Besonderheiten des eigenen Schicksals zu verständigen und Informationen auszutauschen, haben sich Betroffene in der Schweiz zum Verein «Spenderkinder» zusammengeschlossen.

Dass der Verein bislang relativ wenige Mitglieder hat, erklärt sich Sandra S. mit einer sehr hohen Dunkelziffer.

In Wahrheit gebe es mit Sicherheit viel mehr Kinder, die in den rund dreissig Jahren vor der gesetzlichen Regelung auf diesem Wege das Licht der Welt erblickt hätten. Das Thema sei immer noch mit starken Tabus behaftet.

Auf Grund der immer komplexeren Fortpflanzungsmedizin bleibt die Frage nach den genetischen Ursprüngen jedoch ein Dauerthema.

Und gerade angesichts des anhaltenden technologischen Fortschritts mittels DNA-Pools, Data-Mining und weiterem Vernetzungspotential verdienen die emotionalen Aspekte – das archaische Wissen-Wollen, wo die eigenen Wurzeln liegen – genauso viel, wenn nicht noch mehr Aufmerksamkeit.

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