In Afrika zu filmen, ist immer eine besondere Herausforderung. Neben der grossen Hitze und der Luftfeuchtigkeit, die Mensch und Gerätschaften strapazieren, sind die Einwohner oft nicht erfreut, als reine Bildkulisse zu dienen. Sie möchten lieber etwas an der Filmerei verdienen. Denn jeder Weisse wird als Weihnachtsmann gesehen, ein «Zababu», wie uns ein sierraleonischer Freund in entwaffnender Ehrlichkeit einmal gestanden hat.
Klar, wo 400 Schweizer Franken einem durchschnittlichen Jahresgehalt entsprechen, ist, wer aus Europa einreist, eine potentielle Goldmine, die es anzuzapfen gilt.
Abu, der mir Tür und Tore öffnet
So kann man sich oft kaum der «Helfer» erwehren, die für irgendeine Handreiche entlohnt werden möchten. Diesmal hatte ich mit Abu einen äusserst fähigen, zuverlässigen Helfer. Kennen gelernt habe ich ihn durch Abibatu Müller, der Frau meines Protagonisten Stephan, bei der Abu als Fahrer und Assistent arbeitet.
Abu hat den Leuten immer schnell klargemacht, dass ich nicht zu meinem Vergnügen hier drehe, dass ich, der «Opodo», der Weisse, etwas gegen Ebola tun möchte. Vielleicht hat auch die Angst vor der Seuche und die recht schnelle Hilfe aus dem Norden das Terrain geebnet. Tatsache ist: Ich habe trotz des unheimlichen Themas selten einen so angenehmen Afrikadreh erlebt.
Ebola auf CD
Ich begleite Stephan Müller und seine Frau zusammen mit meinem Helfer Abu auf den Markt. Es ist so dicht, heiss und feucht. Der Schweiss fliesst. Alle drängen sich um Fische, Früchte, Brot und Getränke. In der überall präsenten Musik – von jedem Stand scheint ein anderer Lautsprecher zu plärren – kann ich plötzlich das Wort «Ebola» ausmachen. Ich frage Abu, ob er mir vielleicht eine CD von einem solchen «Ebola-Song» auftreiben kann.
Schon am Nachmittag kommt er mit einer Mini SD-Karte zurück, auf der sich eine ganze Kompilation von Ebola-Liedern befindet. Nicht umsonst nennen Abus Freunde ihn «Mr. Network»!
Weit und breit kein Minister
Vor Drehbeginn muss ich beim Informationsministerium vorbei. Ich brauche einen sierralenonischen Presseausweis, um im Land Aufnahmen machen zu dürfen. Abu und ich gehen also zum Statehouse.
Das Statehouse, ein imposantes, wohl zehnstöckiges Gebäude, beherbergt zahlreiche Ministerien. Die «Information» ist im achten Stockwerk. Obschon zwei grosse Lifte bereitstehen, benutzt sie kein Mensch – zu unsicher ist die Stromversorgung. Steckenbleiben bei 34 Grad stelle auch ich mir eher ungemütlich vor. Also aufwärts gestiegen – langsam und stetig, man will ja nicht tropfnass und atemlos vor dem Herrn Minister stehen.
Der ist allerdings nicht da. Ein etwas unwilliger, junger Mann bequemt sich, mit meinem Pass von der voll aufgedrehten Klimaanlage weg in ein nächstes Büro zu gehen. Mir kann geholfen werden. Es kostet allerdings 300 Dollar, für eine Woche. Selbst für die Schweiz sehr teuer. In Sierra Leone geradezu eine ungeheure Summe. Ich sage ihm, ich hätte bloss 200 Dollar dabei.
Wer blufft besser?
Der junge Mann meint ernsthaft indigniert: «Aber das ist nun mal der Preis!» Ich versuche meinen Bluff durchzuziehen und will mich verabschieden. Nun zeigt der junge Mann Verständnis und weibelt wieder los.
Er kommt nach kurzer Zeit mit Pass und dem Presseausweis zurück. Ich beglückwünsche mich zu meiner Abgebrühtheit. Als ich allerdings meine Quittung anschaue, ist sie bloss auf 150 Dollar ausgestellt.
Ich hoffe, das Informationsministerium kann mit dem Verdienst aus den Presseausweisen etwas Vernünftiges anstellen, beispielsweise die Statistik der Ebolafälle auffrischen, die im August letzten Jahres stehen geblieben sind.
Abu auf Abwegen
Im Kampf gegen Ebola
Und nun leider noch eine bittere Nachbemerkung: Abu ist plötzlich, so erfahre ich später, nach sechs Jahren treuem Dienst in allen möglichen Funktionen bei Abibatu Müller, ausgeschert. Er habe irgendwie genug gehabt, sich unterbezahlt gefühlt. Er hat das Stück Land, das Abibatu ihm geschenkt hat, verkauft und scheint – so sagt man sich – auf eine ziemlich schiefe Bahn geraten.